Die Liebe zum Gemeindehaus am Blarerplatz und zur Franziskanerkirche verbindet: Rund 250 Menschen senden ein unübersehbares Signal. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Der drohende Verkauf des Gemeindehauses am Blarerplatz und der angrenzenden Franziskanerkirche bewegt viele Esslinger - und das im wahrsten Sinn des Wortes. Rund 250 Menschen gingen am späten Sonntagabend auf die Straße, um sich mit einer Menschenkette dafür einzusetzen, dass beide Gebäude in ihrer heutigen Funktion bewahrt und nicht zur Stadtbücherei umfunktioniert werden. Jeder konnte erkennen, wie sehr das Herz vieler Menschen für Gemeindehaus und Kirche schlägt. Die Organisatoren verstanden ihre Menschenkette auch als Signal an die evangelische Kirche, die heute eine Entscheidung treffen will.

Sibylle Hauser hatte den Stein ins Rollen gebracht, weil sie „überall Unverständnis spürte, dass die Kirche auch nur daran denkt, diese so wichtigen Gebäude zu verkaufen - zumal die allermeisten Esslinger finden, dass die Stadtbücherei in den Bebenhäuser Pfleghof gehört“. Und in Achim Scheuffelen, dem Vorsitzenden des Philharmonischen Chors, und Ulrike Gräter, der Vorsitzenden des Esslinger Vocalensembles, fand Hauser die nötige Unterstützung für eine Menschenkette. Dass sich dann so viele Menschen an einem Sonntag nach 21 Uhr zusammenfanden, um Hand in Hand für den Erhalt von Gemeindehaus und Kirche zu demonstrieren, bestätigte die Initiatoren in ihrer Haltung: „Dieses Zeichen kann man nicht übersehen.“

Das sieht auch Achim Scheuffelen so, der zuvor bereits im Konzert des Philharmonischen Chors viel Beifall erhalten hatte für seine Bitte an die Kirchengemeinde, das Blarerhaus als Konzertsaal zu erhalten. Und er erhielt namhafte Unterstützung von Cornelius Hauptmann. Der international erfolgreiche Opernsänger, der als Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes und Mitglied im Landesmusikrat zu den Teilnehmern der Menschenkette sprach, betonte die Bedeutung der musiktreibenden Vereine, deren Arbeit ohne die für Esslingen einzigartigen Auftrittsmöglichkeiten im Saal des Gemeindehauses eine wichtige Basis entzogen wäre. Und er erinnerte daran, dass die deutschen Amateurchöre nicht von ungefähr zum immateriellen Kulturerbe der Unesco gehören. Dazu zählt auch „der Schutz der Räume, die zur Ausübung kultureller Aktionen nötig sind“.

Hauptmann brachte sein Anliegen auf den Punkt: „Was nützt es einem Sternekoch, wenn er keine Küche hat? Oder einem olympischen Schwimmer, wenn im Becken kein Wasser ist? Und was machen wir Esslinger Kulturschaffenden ohne den Blarersaal?“ Vielstimmiger Beifall beantwortete die Frage. Deshalb ist für den Sänger und Tonkünstler-Präsidenten klar: „Wir Kulturschaffenden brauchen diesen Konzertsaal, da er zentral liegt, eine wunderbare Akustik hat und bezahlbar ist.“ Deshalb gelte es nun, dass Kirche und Stadt bei der Sicherung dieses unverzichtbaren Proben- und Aufführungsortes an einem Strang ziehen - so wie beim Glockenkonzert vor einer Woche, das Hauptmann in seiner Überzeugung bestätigt hat: „Es geht doch. Tut Euch zusammen.“

Am Ende erlebten die Teilnehmer der Menschenkette noch einen Gänsehautmoment: Wo andere mit lautem Pfeifen demonstriert hätten, stimmten sie das Lied „O wie wohl ist mir am Abend ...“ an. Und als die Glocke der Franziskanerkirche drei Mal schlug, war auch dem Letzten klar, was Kirche und Gemeindehaus vielen Esslingern bedeuten.

Der evangelische Gesamtkirchengemeinderat Esslingen berät und beschließt in einer öffentlichen Sitzung am heutigen Dienstag, 27. Juni, über die Zukunft des Gemeindehauses am Blarerplatz. Die Sitzung beginnt um 19.30 Uhr im Gemeindehaus.