Schon jetzt sind die Busse in Esslingen oft voll. Mit einem Stadtticket könnte es zu Kapazitätsengpässen kommen. Foto: Archivfoto:Bulgrin - Archivfoto:Bulgrin

Mobilitätsserie: Der Nahverkehr soll attraktiver werden, um die Leute zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn zu bewegen. Deshalb soll nun möglichst bald ein Stadtticket eingeführt werden.

Esslingen Luftverschmutzung, Staus und mehrere Großbaustellen im kommenden Jahr: Es gibt einige Gründe, weshalb die Stadträte die Esslinger zu einem Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn bewegen wollen. In der Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt am Montag haben sie deshalb auf Antrag der SPD einstimmig beschlossen, möglichst schnell ein vergünstigtes Stadtticket nach Ludwigsburger Vorbild einzuführen. Ein kostenloser Nahverkehr gilt jedoch nach wie vor als nicht realisierbar.

Das Stadtticket soll in Form eines vergünstigten Tagestickets angeboten werden. Ein solches wird dann als Einzelfahrschein drei Euro und als Gruppenticket für bis zu fünf Personen sechs Euro kosten. Zum Vergleich: Derzeit kostet ein Einzeltagesticket für ein bis zwei Zonen sieben Euro und die Gruppenvariante 12,30 Euro. Für einen Einzelfahrschein muss man in Esslingen derzeit 2,50 Euro zahlen. Das Stadtticket würde sich also schon ab zwei Fahrten lohnen. Damit, so hofft man, sind mehr Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu motivieren als mit vergünstigten Einzel- oder Vierertickets, bei denen der Fahrgast vor jeder Fahrt wieder eine neue Kosten-Nutzen-Rechnung aufmacht. Zudem würden die Busfahrer bei dieser Lösung nicht so sehr durch die zusätzlichen Ticketverkäufe in Anspruch genommen wie bei verbilligten Einzelfahrscheinen.

Beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) geht man davon aus, dass mit dem Stadtticket etwa 15 Prozent mehr Fahrgäste den Nahverkehr in Esslingen nutzen. Dazu, wie viele Inhaber von Monats- oder Jahreskarten auf das Stadtticket wechseln würden, könne man aber keine belastbaren Aussagen treffen, heißt es vom VVS. Nach dessen Berechnungen müsste die Stadt Esslingen für das Stadtticket voraussichtlich pro Jahr rund eine Million Euro zuschießen, um die Mindereinnahmen durch die günstigeren Fahrscheine auszugleichen.

Nicht nachkommen wollten die Stadträte allerdings der Bitte von VVS-Geschäftsführer Horst Stammler, der eigens in die Ausschusssitzung gekommen war, nach einem Start des vergünstigten Tickets erst 2020, wenn die Erfahrungen aus Ludwigsburg vorliegen. „Bei den Großbaustellen im kommenden Jahr werden wir dankbar sein für jede Fahrt, die nicht im Individualverkehr stattfindet“, betonte etwa Ursula Strauß (Grüne). Und der SPD-Fraktionschef Andreas Koch merkte an, angesichts der Dringlichkeit von Luftreinhaltung und Klimaschutz sei es nicht vermittelbar, dass Esslingen erst anderthalb Jahre nach Ludwigsburg ein Stadtticket einführe. In Ludwigsburg soll schon ab August diesen Jahres ein Pilotprojekt starten: Bis Ende 2019 soll hier das vergünstigte Tagesticket gelten, dann will man die Erfahrungen auswerten. Laut Stammler hat man dort aber auch schon zwei Jahre über ein Stadtticket diskutiert.

In Esslingen wird erwartet, dass mit dem Stadtticket der Verkauf von Einzeltickets im Bus zunehmen wird und es deshalb insbesondere morgens zu Verzögerungen im Busverkehr kommen könnte. Um dem vorzubeugen will man die Tickets möglichst auch an den Fahrscheinautomaten der Deutschen Bahn oder als mobile Tickets über das Smartphone anbieten. Eventuell könne es auch zu Kapazitätsengpässen in den Bussen kommen. Dann müsste die Stadt zusätzliche Busse ordern. Man wolle aber prüfen, ob die Kosten dafür vom Landkreis mitgetragen werden könnten, so die Stadt.

Der Finanzbürgermeister Ingo Rust, der auch für den Nahverkehr zuständig ist, betonte, dass die Stadt noch vor der Sommerpause ein Gesamtkonzept für einen attraktiveren Nahverkehr vorlegen wolle. In diesem Rahmen müsse man ohnehin über neue Buslinien, veränderte Takte und mehr Kapazitäten diskutieren. Eine Beschlussvorlage zur Einführung des Stadttickets soll nach der Sommerpause vorgelegt werden. Mit einem für die Fahrgäste kostenlosen Nahverkehr, dessen Prüfung die CDU nun noch einmal beantragt hatte, nachdem die Linke dies vor Kurzem schon getan hatte, ist laut Rust auf absehbare Zeit aber nicht zu rechnen.