Mädchen und Jungen im gemeinsamen Unterricht in einer Grundschule in Westmossul. Für den Gast Markus Grübel ein vielversprechender Anfang. Foto: oh - oh

Markus Grübel ist von seiner ersten Reise als Bundesbeauftragter für die weltweite Religionsfreiheit zurück. Sie führte das Esslinger Bundestagsmitglied in den Irak. Grübel berichtet von Fortschritten, die Mut machen.

Esslingen Es war seine erste offizielle Mission als Beauftragter der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit. Aber der Irak war kein Neuland für Markus Grübel, dessen letzte Reise als Verteidigungsstaatssekretär ihn ebenfalls in das zeitweilig von militanten Islamisten des ISIS terrorisierte Land geführt hatte. Der Auftrag, wie er mit Grübels neuer Aufgabe verbunden ist, ist nun durch die Reise konkret geworden und untermauert für den Esslinger CDU-Bundestagsabgeordneten die wichtigste Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der Religionen und Kulturen: gegenseitiges Verständnis.

Der Nordirak mit Bagdad, Mossul, Erbil oder Dohuk, wo der 58-Jährige nun einige Tage als Religionsbeauftragter unterwegs war, stellt für ihn eine besondere Herausforderung dar. Aktuell geht es um die Frage: „Wie kann es gelingen, dass im Nordirak, in der Ninive-Ebene und im Sindjar weiter Christen und Jesiden leben können?“ Denn nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ stünden die Angehörigen religiöser Minderheiten vor den Trümmern ihrer Existenz. Gleichwohl beurteilt Markus Grübel die heutige Ausgangslage durchaus positiv. Der Irak, in dem gerade erst gewählt wurde, sei eines der wenigen gelungenen Beispiele für den Wandel hin zu einer Demokratie nach den Schrecken des IS-Terrors.

Große Herausforderung

Aber zu tun gibt es viel, damit der Wiederaufbau in Schwung kommt und die Sicherheit der Vertriebenen garantiert werden kann, die nun in ihre Heimat zurückkehren. „Wir müssen eine Lösung finden, wie ein gutes Miteinander oder wenigstens ein friedliches Nebeneinander von Sunniten, Schiiten, Jesiden, Christen und weiteren Religionsgemeinschaften im Norden Iraks möglich sind“, nennt Grübel die Herausforderung.

So ein Besuch in einer Region, die lange zu einem der schlimmsten Brennpunkte dieser Welt gehört hat, geht an Markus Grübel nicht spurlos vorbei. Etwa wenn es um das Schicksal vieler Mädchen geht, die vom IS verschleppt und immer wieder vergewaltigt wurden: „Das geht an die Nieren, und man ist wütend auf die Täter.“ Andererseits entwickelt sich etwas, das in früheren Zeiten nahezu undenkbar erschien. Es entstehen gemischte Schulklassen, in denen Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet werden. Dabei bleiben die Glaubensgemeinschaften zwar noch weitgehend unter sich, wie der Religionsbeauftragte erfahren hat, doch es ist ein Anfang.

„Die Menschen mit einbinden“

Wie schlagen sich nun die Eindrücke einer solchen Mission in praktischer Politik nieder? „Bewusstsein schaffen“, steht bei Grübel weit vorn, und das beginnt schon im Irak selbst, wo deutsche Unternehmen am Wiederaufbau des Landes beteiligt sind: „Ich rede mit den Firmen oder auch mit dem Wirtschaftsministerium und mache deutlich, wie wichtig es ist, die Menschen vor Ort und alle Glaubensrichtungen in den Prozess mit einzubinden.“ Zudem formuliert Grübel Berichte an Sicherheitspolitiker oder an die Entscheidungsträger im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem die Stelle des Religionsbeauftragen auch zugeordnet ist. „Es geht um Handlungsempfehlungen“, sagt der Abgeordnete, dem übrigens niemand vorschreibt, wohin ihn seine Reisen führen sollen. Der Beauftragte trifft seine Entscheidung nach eigenem Bekunden unabhängig von Minister Gerd Müller (CSU) oder politischen Gremien. Ganz allein ist der Esslinger in seinem Amt freilich nicht. Drei Stellen wurden im zugeordnet: zwei Referenten und eine Sekretariatskraft.

An welchen Brennpunkten könnte es noch Arbeit für einen Beauftragten für die weltweite Religionsfreiheit geben? Syriens Hauptstadt Damaskus nennt Markus Grübel als interessantes Ziel, aber auch in Afghanistan, Nigeria, im Süd-Sudan oder in Ägypten gibt es Spannungen zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens zum Teil mit den schlimmsten Konsequenzen. Grübel: „Bei Spannungen zwischen Religionsgruppen sehe ich den ersten Ansatz im Dialog. In meiner Funktion kann ich mich dafür einsetzen, dass sich Vertreter von verschiedenen Gruppen an einen Tisch setzen und sich über ihre Ansichten vorurteilsfrei austauschen.“ Der 58-Jährige kann sich auch vorstellen, als Vermittler zu arbeiten.

„Religionsfreiheit stärkt Frieden“

„Für drei Viertel der Menschheit gibt es keine Religionsfreiheit“, sagt Markus Grübel. Dabei spielt für ihn die freie Religionsausübung eine zentrale Rolle, auch mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingssituation: „Religionsfreiheit stärkt den Frieden und mindert Fluchtursachen, denn religiöse Konflikte sind oft Ursachen von Vertreibung. Die bei uns lebenden Flüchtlinge sollen in Deutschland erfahren, dass Menschen ganz unterschiedlicher Religion oder Weltanschauung friedlich miteinander leben können.“