Will den Hetzern nicht das Feld überlassen: Petra Güntert vor ihrem Haus in Berkheim. Foto: Kaier - Kaier

Berkheimerin hat eine Aktion gegen die Verrohung des gesellschaftlichen Umgangs gestartet

EsslingenDer Ton wird rauer – gegenüber Migranten, in der politischen Debatte und auf dem Schulhof. Diese „Verrohung des gesellschaftlichen Umgangs“ will Petra Güntert nicht mehr länger hinnehmen. Darum hat die Berkheimerin, die als Berufscoach arbeitet, die Aktion „Gemeinsam Flagge zeigen“ ins Leben gerufen. Um sich für ein friedliches, respektvolles Miteinander einzusetzen, hängen bereits acht Berkheimer Haushalte eine Flagge aus dem Fenster mit der Aufschrift „Wir sagen Nein zu Hetze und Gewalt“. Auch der TSV Berkheim und die Arbeiterwohlfahrt machen mit. Die Aktion startete Anfang September und sucht weitere Mitstreiter.

Chemnitz gab den Ausschlag

Den Ausschlag für die Aktion gaben für Güntert die tödliche Auseinandersetzung in Chemnitz vor zweieinhalb Wochen und die anschließenden Demonstrationen mitsamt Ausschreitungen. „Diese Vorkommnisse haben mich entsetzt und erschüttert“, sagt sie. „Sie waren der Tropfen auf den heißen Stein.“ Danach wollte Güntert nicht mehr Teil der „schweigenden Mehrheit“ sein, sondern aufstehen gegen „Gewalt und Hetze in jeder Form“. Dazu zählt die Berkheimerin verbale ebenso wie körperliche Attacken. Rassistisch motivierte Angriffe Rechtsextremer verurteilt sie ebenso wie die Hetze islamistischer Hassprediger und die Ausschreitungen Linksextremer beim G20-Gipfel in Hamburg. Mobbing in der Schule fällt unter ihr Verdikt, Vandalismus bei Fußballspielen und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Für Güntert sind das alles unterschiedliche Ausdrucksformen desselben Grundphänomens: der „Verrohung des gesellschaftlichen Umgangs“.

Zum zivilisierten Widerstand ruft die einstige Ingenieurin all diejenigen auf, denen der raue Ton zwar nicht passt, die sich bislang aber nicht aktiv dagegen gewehrt haben. Dazu gibt ihnen Güntert nun Gelegenheit mit ihrer Flaggen-Aktion: „Wir sagen Nein zu Hetze und Gewalt“ steht in schwarzer Schrift auf weißem Grund. Die Flaggen hängen die Mitstreiter aus dem Hausfenster. „Wie bei der Fußball-WM“, erklärt Güntert. Die Vorteile der Flaggen lägen auf der Hand: Viele Menschen würden sich mit der grundsätzlichen Ablehnung von Gewalt identifizieren, der Flagge die individuelle Note geben könnten sie mit dem eigenen Logo. Außerdem könne jeder die Flagge selbst ohne großen Aufwand herstellen und damit langfristig die Aufmerksamkeit von Passanten wecken. Doch mit dem Flaggezeigen allein ist es nicht getan. Damit verbindet Güntert einen Aufruf zur Zivilcourage: Die Beteiligten sollen „friedlich aber entschieden gegen jede Form von Hetze und Gewalt vorgehen, im Kleinen wie im Großen“.

Mitstreiter gesucht

Einige Mitstreiter hat Güntert seit dem Start der Aktion Anfang September bereits gefunden: In Berkheim sind acht Privathäuser beflaggt. Der Unterstützerkreis für Flüchtlinge in Berkheim beteiligt sich ebenso wie Weltladen, Aero-Club, Arbeiterwohlfahrt, TSV Berkheim und Buchhandlung „Provinzbuch“. Verstärkung ist jederzeit willkommen.

Weitere Informationen zu der Aktion gibt es unter www.petra-guentert.de.