Lucy, Leonie und Lavina (von links) loben die Gemeinschaftsschule. Foto: Weber-Obrock - Weber-Obrock

Seit 2012 gibt es nun die Gemeinschaftsschule in Esslingen. Im Alten Rathaus feierten Eltern, Lehrer, Schüler und Vertreter der zuständigen Behörden den fünften Geburtstag der Schulform.

EsslingenDie Werkrealschule hat ausgedient. Als Ersatz für diese Schulform, die Eltern, Schüler und Verantwortliche als nicht mehr zeitgemäß empfanden, setzt Esslingen seit 2012 auf die Gemeinschaftsschule. Das neue Schulkonzept wird in der Seewiesenschule und der Gemeinschaftsschule Innenstadt in Esslingen an zwei Standorten umgesetzt. Mit einer Reduzierung des Frontalunterrichts, einem individualisierten Lernkonzept, persönlicher Förderung und der Option, hier alle Schulabschlüsse erwerben zu können, bietet die neue Schulform eine Alternative zu Gymnasium und Realschule an. Die Stadt Esslingen gibt der Gemeinschaftsschule weiterhin Rückendeckung. Die Eltern der Viertklässler aber stimmten bei der Anmeldung ihrer Kinder im Jahr 2017/18 mit den Füßen für die traditionellen Schulformen ab. Die Anmeldezahlen an den Gemeinschaftsschulen waren laut Schulamtsleiter Bernd Berroth seit 2016/17 von 29 Prozent auf 19 Prozent gesunken. Das Gymnasium hat im Schuljahr 2017/18 mit 51 Prozent die höchste Übergangsquote seit drei Jahren erreicht.

Kultur der positiven Bestätigung

Bei einer Informationsveranstaltung im Alten Rathaus feierten Lehrer, Eltern, Schüler und Vertreter der zuständigen Behörden den fünften Geburtstag der neuen Schulform, die sich einen Bildungserfolg für alle zum Ziel gesetzt hat. Nach einer Begrüßung durch Aglaia Handler, die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, stärkte Ministerialdirigent Vittorio Lazaridis der Gemeinschaftsschule den Rücken. Mit ihr setzt das Kultusministerium landesweit auf ein längeres gemeinsames Lernen. „In der Gemeinschaftsschule herrscht eine Kultur der positiven Bestätigung“, sagt er. Bernd Berroth, der Leiter des Amtes für Bildung, Erziehung und Betreuung, lobte die beiden Gemeinschaftsschulen mit ihren Schulleiterinnen Christel Binder und Marion Katuric für ihre gelungene Pionierarbeit. Er sieht die Gemeinschaftsschule weiterhin als festen Bestandteil der Esslinger Schullandschaft, die Eltern eine große Wahlfreiheit biete. Berroth kündigte an, dass die Stadt in den nächsten Wochen ein Konzept für die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an der neuen Schulform vorlegen werde. Über diese Würdigung freuten sich ganz besonders die anwesenden Schüler.

Leonie und Lucy von der Gemeinschaftsschule Innenstadt, sowie Moritz und Lavina von der Seewiesenschule stehen voll und ganz hinter dem Konzept, das von ihnen viel selbstständige Arbeit fordert. „Es ist megacool“, findet Moritz. In der Klasse wird nach einem „Input“ durch die Lehrerin selbstständig auf drei Lernstufen gearbeitet. Schülerin Leonie gibt Einblicke in das Schulsystem: „Es ist wie im Gymnasium. Wer früher fertig ist, fängt dann einfach ein neues Thema an.“ Für jeden Schüler wird ein individueller Lernplan ausgearbeitet, der dann in enger Kooperation mit den Lehrern verwirklicht wird. „Es ist radikal anders“, sagt Lavina. Uschi Pflüger, die seit 2012 an der Seewiesenschule als Lehrerin tätig ist, will die Gemeinschaftsschule nicht mehr missen. „Wenn das alte System gut gewesen wäre, hätte man es nicht verändern müssen“, sagt sie zu dem Auslaufen der Werkrealschulen in Esslingen.

Keiner wird zurückgelassen

Im Zusammenspiel von Lernbüros und Frontalunterricht würden die Jugendlichen auf ihren jeweiligen Entwicklungsstufen gefördert. „Der Lehrer ist für Hilfe und Rat zuständig.“ Die „Geschafftkultur“ gibt Sicherheit, dass keiner zurückgelassen wird, und funktioniert über eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Eltern und Schülern. Uschi Pflüger unterrichtet jetzt in einer 9. Klasse. Dass man in der Gemeinschaftsschule gute Aussichten hat, die allgemeine Hochschulreife zu erwerben, zeigt ihre Zwischenbilanz. „Alle meine Schüler werden ein berufliches Gymnasium besuchen“, sagt sie.