Oliver Jung. Foto: FESTO Pressestelle - FESTO

In seiner Sitzung vom 11. Oktober 2018 hat der Festo Aufsichtsrat Oliver Jung zum Mitglied des Vorstands bestellt. Am 1. November wird er als Vorstandsvorsitzender in das Unternehmen eintreten.

Esslingen (pap) Jetzt ist es also offiziell: Der 56-jährige Oliver Jung wird – wie unsere Zeitung bereits am Dienstag berichtete – zum 1. November 2018 Vorstandsvorsitzender der Esslinger Festo AG. Dies hat der Aufsichtsrat, an dessen Spitze seit 2013 der frühere Siemens-Vorstand Klaus Wucherer steht und in dem auch Vertreter die beiden Eigentümerfamilien Stoll vertreten sind, in einer Sitzung am Donnerstag offiziell beschlossen.

Jung ist Diplom-Ingenieur und verantwortete nach Stationen bei der Robert Bosch GmbH und der Schmitz Cargobull AG von 2013 bis 2018 als Mitglied des Vorstands und Chief Operating Officer (COO) die Produktion, den Einkauf und die Logistik der Schaeffler AG. Zu den Aufgaben eines Chief Operating Officers gehören die Leitung, Steuerung und Organisation der gesamten Betriebsprozesse und der betrieblichen Leistungen. Die Schaeffler-Gruppe in Herzogenaurach mit ihren weltweit mehr als 86 000 Mitarbeitern ist ein börsennotierter deutscher Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie in Familienhand. Der Saarländer Jung kam 2008 zu Schaeffler und stieg dort 2013 in den Vorstand auf. Wie zu erfahren war, überwarf er sich dort nach erfolgreicher Arbeit (er galt wohl als Garant für hervorragende Fertigungstechnik) letztlich mit Vorstandschef Klaus Rosenfeld.

In einer Festo-Mitteilung von Freitag heißt es nun, Jung werde als Vorstandsvorsitzender seinen „reichen Erfahrungsschatz aus international operierenden Großunternehmen in Familienhand bei Festo einbringen“.

Festo wurde 1925 in Esslingen von Gottlieb Stoll gegründet. Namensgeber waren die beiden Gründer Albert Fezer und Gottlieb Stoll, wobei Fezer 1929 ausschied. Bis heute ist das Unternehmen zu 100 Prozent in Familienhand und gehört den beiden Familienstämmen Stoll. Dass bei der Wahl Jungs zum neuen Vorstandsvorsitzenden gerade auch dessen Erfahrung in Familienunternehmen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hatte, liegt auf der Hand. Schaeffler gehört mehrheitlich Maria-Elisabeth Schaeffler (77) und Sohn Georg (53).

Innerhalb des Festo-Vorstands übernimmt Jung den Bereich „Corporate Management and Strategy“. Gesellschafter und Aufsichtsrat zeigen sich überzeugt, dass der Diplom-Ingenieur eine „zentrale Rolle zur erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens leisten wird“.

Alfred Goll, der am nächsten Mittwoch 62 Jahre alt wird, gibt mit Wirkung zum 1. November seine Funktion als Sprecher des Festo-Vorstands ab und konzentriert sich sich auf die Führung des Ressorts „Human Resources“. Der Saarländer Goll, der schon zuvor Personalvorstand war, habe sich in den vergangenen zwei Jahren in seiner Rolle als Sprecher des Vorstands „um das Unternehmen verdient gemacht,“, hieß es in der Mitteilung. Er übernahm die Lenkung des Automatisierungsspezialisten 2016, nachdem der damalige Vorstandsvorsitzende Claus Jessen nach nur neun Monaten in diesem Amt das Unternehmen überraschend verlassen musste. Jessen – er konnte nach einem Autounfall in Südamerika den Chefjob erst im Januar 2016 an – war Nachfolger des langjährigen Vorstandschefs Eberhard Veit. Dieser war auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen ausgeschieden und hat sich selbstständig gemacht. Dem Göppinger Veit wird nachgesagt, stets ein gutes Verhältnis zu Gesellschaftern auf Aufsichtsrat gepflegt zu haben.

Wie zu hören war, überwarf sich Jessen dagegen alsbald mit dem Gremium und zog sich auch den Unmut großer Teile der Belegschaft und des Betriebsrates zu. Die Stimmung im Unternehmen wurde von Insidern damals als sehr schlecht bezeichnet. Eine wichtige Aufgabe des kurzfristig zum Vorstandssprecher berufenen Alfred Goll war es, wieder Ruhe in die Firma zu bringen. Unter anderem wurde der langjährige Kommunikationschef Heinrich Frontzek, der die Firma unter der Leitung von Claus Jessen verlassen hatte, zurückgeholt.

Die Esslinger Festo AG legt Wert darauf, als Global Player und zugleich unabhängiges Familienunternehmen wahrgenommen zu werden. Das Unternehmen liefert pneumatische und elektrische Automatisierungstechnik für 300 000 Kunden der Fabrik- und Prozessautomatisierung in mehr als 35 Branchen. Weltweit stehen 20 100 Frauen und Männer in 61 Ländern mit über 250 Niederlassungen auf der Lohn- und Gehaltsliste. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Gruppe 3,1 Milliarden Euro Umsatz. Zum Gewinn macht die Firma keine Angaben. Acht Prozent des Umsatz werden jährlich in Forschung und Entwicklung investiert.