Im Juni 1919 wird im Spiegelsaal des Versailler Schlosses der Friedensvertrag unterzeichnet. Foto: Wikimedia Commons - Wikimedia Commons

In der EZ-Jubiläumsserie geht es um das Jahr 1919, das vom Versailler Friedensvertrag geprägt ist. In der Maschinenfabrik Esslingen gibt es einen Generalstreik.

EsslingenDeutschland ist während der ersten Hälfte des Jahres 1919 von Auseinandersetzungen über die künftige politische Ausrichtung des Landes geprägt. Ein von der neugegründeten KPD und der USPD geführter Revolutionsausschuss erklärt die provisorische Regierung für abgesetzt, in vielen Städten kommt es zu Aufruhr. Der SPD-Politiker Gustav Noske wird mit der Niederschlagung beauftragt. Er setzt paramilitärische Milizen entlassener Frontsoldaten, sogenannte Freikorps, und SPD-nahe Soldaten ein. Im März gibt es weitere Aufstände, 1200 Menschen kommen dabei um. Im April legt ein Generalstreik das Ruhrgebiet lahm, in München wird eine Räterepublik ausgerufen.

Auch in Esslingen kommt es, ausgehend von der Maschinenfabrik, zu einem Generalstreik. Wie die Eßlinger Zeitung berichtet, fordern die Arbeiter eine Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung und die Freilassung politischer Gefangener. Die Staatsregierung in Stuttgart verhängt daraufhin den Belagerungszustand. „Ein größeres Aufgebot gut ausgerüsteter Regierungstruppen war hieher verlegt und die öffentlichen Gebäude besetzt worden. Es sah besonders am Bahnhof und vor der Turnhalle sehr kriegerisch aus“, berichtet die Eßlinger Zeitung. Der Streik wird nach fünf Tagen beendet.

Im Januar finden Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt. Frauen sind dabei erstmals wahlberechtigt. Wegen der politisch ungesicherten Lage in Berlin tagt die Versammlung in Weimar. Im Juli wird die erste parlamentarisch-demokratische Verfassung Deutschlands beschlossen.

Bei der Pariser Friedenskonferenz im Januar wird die Gründung des Völkerbunds beschlossen. Er soll den Mitgliedsstaaten Integrität und Unabhängigkeit sichern. Im April beginnen in Versailles die Verhandlungen über den Friedensvertrag. Darin werden die Anerkennung der Kriegsschuld durch Deutschland, die Aufgabe der Kolonien, Gebietsabtretungen und hohe Reparationszahlungen gefordert. Das linke Rheinufer soll von den Alliierten besetzt werden. Die Regierung erklärt den Vertrag für unannehmbar und tritt zurück, unter dem Druck eines Ultimatums stimmt die Nationalversammlung schließlich zu. Am 28. Juni wird der Vertrag im Spiegelsaal des Versailler Schlosses unterzeichnet.

Für die Eßlinger Zeitung ist mit dem Vertrag „Deutschlands Schmach“ besiegelt. Wenige Tage vor der Unterzeichnung ruft sie in einem Kommentar die Politik auf, den Versuch zu unternehmen, „wenigstens die Lüge nicht unterschreiben zu müssen, daß Deutschland allein am Kriege schuldig sei, und die über alle Maßen schmachvolle Bedingung, daß Angehörige des deutschen Volkes den Feinden zur Aburteilung ausgeliefert werden“. Das Schicksal laste nun schwer „auf jedem einzelnen Gliede des deutschen Volkes, das jahrelang mit Aufbietung aller Kräfte um seine Selbständigkeit, seinen Besitz und seine Ehre gekämpft hat“.

Der darin mitschwingende revisionistische Ton wird im November an anderer Stelle deutlich. Paul von Hindenburg, ehemaliger Chef des Generalstabs des Heeres, muss vor einem Untersuchungsausschuss des Reichstags zum Kriegsverlauf Stellung nehmen. Dabei legt er dar, dass das deutsche Heer „im Felde unbesiegt“ geblieben sei. Vielmehr habe die Novemberrevolution die Armee durch einen Waffenstillstand „von hinten erdolcht“. Die Dolchstoßlegende ist in der Welt.