Die Stadt würde gern das Areal zwischen Kies- und Küferstraße neu ordnen. Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Kaum ein kommunalpolitisches Thema wird in diesen Tagen in Esslingen so intensiv diskutiert wie die Zukunft der Stadtbücherei und des Gemeindehauses am Blarerplatz. Seit bekannt wurde, dass die Stadtverwaltung daran denkt, das Gemeindehaus zu kaufen, um dort die Bibliothek unterzubringen, schlägt die Debatte hohe Wellen. Während man sich im Rathaus bemüht, den Ball flach zu halten, gehen Kenner der kommunalpolitischen Szene davon aus, dass die Verwaltung mit ihren Überlegungen deutlich weiter ist, als es die offizielle Sprachregelung vermuten lässt. Am kommenden Wochenende will die Verwaltung die Karten auf den Tisch legen - in einer Klausurtagung des Gemeinderates. Erst am 17. Mai dürfte das Thema im Kulturausschuss öffentlich diskutiert werden. Der Förderverein der Stadtbücherei hat sich viel Zeit genommen, um die drei aktuell diskutierten Standort-Alternativen zu begutachten: das bisherige Domizil im Bebenhäuser Pfleghof, das Blarer-Gemeindehaus nebst Franziskanerkirche und einen Neubau zwischen Kies- und Küferstraße. Nun ließ der Verein seine Einschätzung den Ratsmitgliedern und der Verwaltung zukommen. Nach reiflicher Prüfung sprechen sich die Vereinsvorsitzende Professorin Sylvia Greiffenhagen und ihre Mitstreiter klar für einen Verbleib in der Heugasse aus, weil sie im Bebenhäuser Pfleghof und dem Nachbarhaus Heugasse 11 das nötige Entwicklungspotenzial für eine moderne Bibliothek sehen.

„Verbesserung nicht mehr strittig“

Nach vielen Gesprächen mit Vertretern des Gemeinderats und der Kulturverwaltung kommt der Förderverein zu dem Schluss: „Dass eine Verbesserung und Erweiterung der Bücherei notwendig ist, scheint nicht mehr strittig zu sein.“ Nun gehe es darum, „den hervorragenden Ruf, die optimale Nutzung, die räumliche Qualität und die Zufriedenheit sowohl der Beschäftigten als auch der Nutzerinnen und Nutzer unserer Stadtbücherei zu fördern und zu verbessern und den Anforderungen einer Bücherei des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.“ Seit dem Einzug der Bücherei 1989 habe es keine grundlegende Renovierung mehr gegeben. Und das, obwohl bei 800 bis 1000 Besuchern täglich nicht nur ein Verschleiß von Bodenbelägen, Mobiliar oder Toiletten zu beklagen sei - beim maroden Aufzug und der digitalen Infrastruktur werden ebenfalls Verbesserungen angemahnt. „Auch die energetische Ausstattung des Bebenhäuser Pfleghofs, die barrierefreie Nutzbarkeit, Lüftung und Klimatisierung des Kutschersaales entsprechen nicht dem heutigen Standard und werden längerfristig zu einem echten, auch an Zahlen ablesbaren Nachteil für die Bücherei“, heißt es im Brief an Gemeinderat und Verwaltung.

Der Handlungsbedarf ist für den Förderverein offenkundig - immerhin sei die Bücherei das zentrale und bedeutendste Kultur- und Bildungszentrum der Stadt. Nun sei es an der Zeit, dass die jahrelangen Debatten ein Ende finden. Grundsätzlich sei man offen für alle Lösungen, die der Stadtbücherei eine deutliche Verbesserung bringen. Nach intensiver Prüfung der drei Standort-Alternativen plädiert der Förderverein jedoch für den alten Standort in der Heugasse (siehe unten). Zahlreiche Gespräche mit Bücherei-Besuchern hätten gezeigt, „dass dieses Gebäude ungewöhnlich identifikationsstiftend ist. Die Menschen lieben diesen Ort mit seiner ganz speziellen Atmosphäre, wobei die Mängel wie fehlende Ruhezonen und unzureichende Ausstattung auch regelmäßig erwähnt werden. Die Renovierung und Erweiterung könnte sofort in Angriff genommen werden, und die Baumaßnahmen könnten Schritt für Schritt ablaufen, beginnend mit dem Gebäude (Heugasse) 11.“

Falls sich der Gemeinderat trotz aller Argumente gegen die Heugasse entscheiden sollte, erwartet der Förderverein „klare und verbindliche Aussagen zur Einhaltung hoher Qualitätsstandards, zur zeitlichen Realisierung und zur Finanzierung.“ Kosten für die vorübergehende Ertüchtigung des jetzigen Standorts Heugasse 9 müssten dann zu den Kosten addiert werden - genau wie die Kosten, die nach dem Auszug der Bücherei in der Heugasse 9 und 11 anfallen würden.

Bücherei soll zu Wort kommen

Generell verlangt der Förderverein von der Stadt, dass bei allen weiteren Schritten der Planung und Realisierung die fachlichen Kompetenzen der Bibliothek einbezogen werden: „Ihre Anforderungen mit Blick auf Anordnung, Zuschnitt und Gestaltung der Räume, auf Arbeitsabläufe und Publikumsbedürfnisse und auf die zeitgemäße technische Ausstattung müssten ebenso Gehör finden wie die Sicht der Besucher.“ Greiffenhagen und ihre Mitstreiter wollen auch am Ball bleiben: „Sowie der Gemeinderat eine Entscheidung getroffen haben wird, die den Förderverein überzeugt, weil sie den kurz- und langfristigen Interessen der Bücherei dient, wird der Verein auf alle erdenkliche Weise bei der Realisierung der Pläne mithelfen - sei es durch die Akquise von Spenden, die Suche nach Sponsoren und durch das Werben um Akzeptanz bei den Besuchern während der Schwierigkeiten, die eine Übergangslösung bringt.“

Förderverein begutachtet Die Drei möglichen Standorte für die Bücherei

Neubau am Kies: Lage und Potenzial des Standorts werden vom Förderverein als gut eingeschätzt. Bei einem Neubau könne eine barrierefreie Bibliothek nach modernen Anforderungen geschaffen werden. Wichtig sei ein Haupteingang von der Küferstraße aus, um die östliche Altstadt zu stärken. Gefordert werden „eine feinfühlige qualitätvolle Planung“ und die Integration von Stadtmauer und archäologischen Funden. Deshalb müsse die Denkmalpflege frühzeitig einbezogen werden. Ein Neubau am Kies biete die Chance, die von der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken geforderte Publikumsfläche von 4000 bis 5000 Quadratmetern zu realisieren. Allerdings berge dieser Standort „viele Unwägbarkeiten, die zu jahrelangen Verzögerungen führen können“ - etwa durch den unsicheren Erwerb privater Flächen oder die Bodenarchäologie. Sollte sich die Stadt für einen Neubau am Kies entscheiden, verlangt der Förderverein, „dass der jetzige Standort Heugasse übergangsweise ertüchtigt wird“, was zusätzliche Kosten verursachen würde. Die Entscheidung für ein Investorenmodell käme laut Förderverein teurer.

Gemeindehaus am Blarerplatz mit Franziskanerkirche: Lage und Potenzial werden vom Förderverein grundsätzlich als gut eingeschätzt, „bei kompletter Veränderung und Erweiterung der Gebäudegestalt“ sei eine attraktive Öffnung zum Blarerplatz hin denkbar. Allerdings sei das Gebäude in der jetzigen Form nicht wesentlich größer als die bisherige Bücherei. Die Franziskanerkirche eigne sich wegen der Akustik nicht als Veranstaltungsort für gesprochenes Wort, und sie sei ungeeignet als Raum für stilles Lesen, weil sie nicht beheizt werden dürfe, um die historischen Wandmalereien nicht zu zerstören. Um die nötige Bücherei-Fläche zu erzielen, müsste das Gemeindehaus laut Förderverein komplett umgestaltet werden. Dagegen spreche der Denkmalschutz. Außerdem ist der Verein „skeptisch, ob das Gemeindehaus in seinem heutigen Erscheinungsbild die nötige weltanschauliche Neutralität ausstrahlt, um so offen und einladend für unterschiedliche Zielgruppen zu sein“ wie der Bebenhäuser Pfleghof. Das Gemeindehaus müsse für eine Stadtbücherei ‚entchristlicht‘ werden, sonst drohten Klagen vor dem Verwaltungsgericht. Außerdem hätten die jüngsten Diskussionen gezeigt, dass sich „eine ungute Konkurrenz zu anderen kulturellen Initiativen, aber auch christlichen Nutzergruppen“ ergeben würde: „Kein guter Start für die Stadtbücherei.“

Bebenhäuser Pfleghof: Den bisherigen Standort der Bücherei hat der Förderverein als „das geliebte Gebäude“ vieler Esslinger mit hohem emotionalem Wert kennengelernt. Der Hauptzugang müsse künftig eher über die Webergasse erfolgen. Derzeit habe die Stadtbücherei nur etwa 23 Quadratmeter Publikumsfläche pro 1000 Einwohner, womit sie auf einem der letzten Plätze im Landesvergleich liegt. Die Machbarkeitsstudie von 2013 hat Möglichkeiten aufgezeigt, an diesem Standort auf 3680 Quadratmeter „plus X bei Räumen, deren Nutzbarkeit noch nicht feststeht“ zu kommen, wenn das ohnehin für eine Erweiterung vorgesehene Gebäude Heugasse 11 hinzukommt. Der Förderverein sieht die Möglichkeit, den Ausbau in Abschnitte aufzuteilen, den Anforderungen des Denkmalschutzes könne am bisherigen Standort Rechnung getragen werden. Barrierefreiheit sei „nicht so perfekt wie bei potenziellem Neubau, aber dennoch erreichbar“. Dagegen biete der Bebenhäuser Pfleghof eine einzigartige Atmosphäre und die Chance, Geschichte sinnlich erfahrbar zu machen. Mit der Machbarkeitsstudie seien wichtige Vorarbeiten bereits geleistet. Beispiele anderer Bibliotheken hätten gezeigt, dass ein Umbau bei laufendem Betrieb durchaus machbar sei.