Schwimmen – nein danke? Auch mit Comics stemmt sich die DLRG gegen einen leider zunehmenden Trend. Foto: DLRG - DLRG

DLRG meldet erschreckende Zahlen: 59 Prozent der Schüler, die die vierte Klasse verlassen, sind keine sicheren Schwimmer.

Esslingen Luft anhalten! Anlauf nehmen! Absprung! Und hinein ins kühle Nass! Vom Sprungbrett ab ins Wasser. Macht riesigen Spaß. Sollte man meinen. Doch das Schwimmen steht bei Kindern nicht so hoch im Kurs: Viele Grundschüler können sich nicht sicher über Wasser halten. Und die Tendenz ist steigend, erklärt Ursula Jung, Vizepräsidentin des DLRG-Landesverbands Baden-Württemberg auf Anfrage der Eßlinger Zeitung.

Diese Aussage kann die Expertin mit Zahlen belegen. Ihr Verband hat drei Studien in Auftrag gegeben: Eine von Emnid 2005 durchgeführte Untersuchung ergab, dass 33,9 Prozent der Grundschüler, die die vierte Klasse verlassen, keine sicheren Schwimmer sind. 2010 ermittelte Forsa einen Wert von 50 Prozent, 2017 ein Ergebnis von 59 Prozent. Deutliche Zahlen, die die Expertin auf verschiedene Ursachen zurückführt. Einmal auf die Bäderpolitik. Immer mehr Bäder würden geschlossen oder in Spaß- und Freizeitbäder umgewandelt, in denen es nur wenige Flächen zum Schwimmen geben würde: „Hier ist nur noch planschen möglich.“. Außerdem seien in den 70er Jahren im Zuge des „Goldenen Planes“ zur Sportstättenentwicklung viele Hallenbäder mit staatlicher Unterstützung gebaut worden, sodass viele Kommunen ein eigenes Bad erhalten hätten. Diese Einrichtungen kommen nun in die Jahre und sind sanierungsbedürftig – doch diese notwendigen Arbeiten würden viele Kommunen vor eine hohe finanzielle Belastung stellen: „Oft wurden dafür keine Rücklagen gebildet“. Und schließlich, so die Fachfrau, würden gut ausgebildete Fachlehrer für den Schwimmunterricht fehlen.

Erfahrungen, die auch Karin Keim von der Vorstandschaft der DLRG Berkheim bestätigt: „Unsere Schwimmkurse sind berstend voll. Die Nachfrage ist riesengroß.“ Sie führt diesen Umstand auch darauf zurück, dass an den Schulen immer weniger Schwimmunterricht angeboten werde und die Eltern zeitlich so ausgelastet seien, dass für das gemeinsame Badengehen mit den Kindern keine Zeit mehr bliebe. Die DLRG versuche hier durch das Anbieten verschiedener Kurse unterschiedlicher Altersklassen gegenzusteuern: Ihrer Erfahrung nach könnten Kinder mit Vorerfahrung in zehn bis zwölf Schulstunden zu je 45 Minuten das Schwimmen erlernen.

Schwimmen – nein danke! Ein Trend, gegen den sich die DLRG nach Angaben von Ursula Jung mit vielen Gegenmaßnahmen stemmt. Im Großraum Stuttgart werde versucht, Absolventen des Bundesfreiwilligendienstes mit entsprechenden Qualifikationen und Erfahrungen den Lehrern im Schwimmunterricht unterstützend zur Seite zu stellen. Denn das Niveau der Schüler in einer Klasse sei sehr unterschiedlich, sodass die Pädagogen teilweise Unterstützung gebrauchen könnten. Zudem hat die DLRG eine Petition ins Leben gerufen, die unter der Überschrift „Rettet die Bäder“ Unterschriften gegen Schließungen sammelt und einen umfassenden Sanierungsplan anstoßen möchte. Und die DLRG unterstützt laut Ursula Jung das Kulturministerium dabei, dass Lehrkräfte das Rettungsschwimmabzeichen machen und so Unterricht im Schwimmen geben können.

Die Schulen sind indes um Schadensbegrenzung bemüht. Bei der Erstellung der Schwimmpläne für den Unterricht, so erklärt der geschäftsführende Schulleiter der Esslinger Gymnasien, Joachim Scheffzek, würden frei bleibende Bahnen in den Bädern bevorzugt an Grundschüler vergeben. Denn: „Wir haben beobachtet, dass auch an weiterführenden Schulen die Zahl der Nichtschwimmer gestiegen ist.“

Und Christel Binder, geschäftsführende Schulleiterin aller Esslinger Schulen außer der Gymnasien, erklärt, dass vor einigen Jahren im Zuge der neuen Bildungspläne ein neuer Belegungsplan für das Merkel’sche Bad und das Berkheimer Schwimmbad erstellt wurde, der auch von der Schulleiterkonferenz abgesegnet wurde. Alle Esslinger Schulen, so die Leiterin der Grundschule Innenstadt, hätten dabei ihren Bedarf anmelden können, und es sei gelungen, allen ein Schwimmbahnen für den Unterricht zuweisen zu können. Die formalen Voraussetzungen für die Erteilung des Schwimmunterrichts seinen also gegeben. Die weiterführenden Schulen hätten ein großes Interesse daran, dass bereits in der Grundschule wichtige Kenntnisse vermittelt werden.

Das Angebot von Schwimmbahnen im Merkel’schren Bad wird beispielsweise von der Grundschule Mettingen genutzt. Hier wird bevorzugt in der vierten, manchmal auch schon in der dritten Klasse Schwimmunterricht erteilt, erklärt Leiterin Sibylle Schatz: Die Schüler würden in Schwimmer, Halbschwimmer und Nichtschwimmer eingeteilt, wobei die letzten beiden Gruppen etwa die Hälfte ausmachen.

Für Schwimmer sowie Halb- und Nichtschwimmer werde jeweils ein Sportlehrer abgestellt. Der Schwimmunterricht, so die Pädagogin, sei sehr aufwendig. Nicht nur mit Blick auf das Personal, sondern auch bezüglich der Organisation. Die Schüler müssen mit dem Bus zum Bad gebracht und abgeholt werden, sie sollten sich selbstständig umkleiden und die Haare föhnen können. So bleiben bei drei für das Schwimmen eingeplanten Schulstunden oft nur etwa 45 Minuten für den eigentlichen Unterricht. Sie möchte dennoch am Schwimmunterricht festhalten: „Sofern wir es personell leisten können.“