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Bei der Entscheidung über den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei ist die Meinung der Bürger kaum gefragt. Alexander Maier sagt dazu seine Meinung.

EsslingenInfoveranstaltungen sind eigentlich dazu da, Fragen zu beantworten und Zweifel zu beseitigen. Mit ihrem Abend zur „Bibliothek des 21. Jahrhunderts“ ist es dem Esslinger Rathaus nur gelungen, die Zweifel zu mehren – und klarer denn je zu zeigen, weshalb die Diskussion über den künftigen Standort der Stadtbücherei total verkorkst ist. Die Stadtverwaltung hatte viel Zeit, um all die offenen Fragen zu beantworten, die sich aufdrängen – wenn man genau hinschaut. Tatsächlich wurde viel Papier produziert, essenzielle Fragen werden indes konsequent ignoriert. Weshalb redet man von „Risikoflächen“ und klärt nicht vorab, was der Denkmalschutz fordern wird? Wie kann es sein, dass die Bauverwaltung viele Jahre lang die Heugasse 11 als selbstverständliche Erweiterungsfläche für den Bebenhäuser Pfleghof benennt, um plötzlich mit vielen Bedenken um die Ecke zu kommen, wenn man in der Küferstraße eine unliebsame Baulücke schließen kann? Weshalb wird der eine Standort konsequent gut- und der andere ebenso hartnäckig schlechtgeredet? Wieso sagt man nicht verbindlich, was aus dem Pfleghof und der Heugasse 11 wird, wenn die Bücherei umziehen sollte? Schließlich muss der Pfleghof in jedem Fall renoviert werden – sofern man ihn nicht verkaufen will. Dessen Renovierung würde nicht den Etat der Bücherei belasten, aber den des „Konzerns Stadt“ insgesamt. Stattdessen droht ausgerechnet der Kulturbürgermeister, bei einem Verbleib im Pfleghof würden der Bücherei wegen der Mehrkosten 200 000 Euro jährlich für ihre inhaltliche Arbeit fehlen.

Immerhin wurde nun versprochen, dass man die Bücherei-Nutzer demnächst intensiv einbeziehen will – wenn erst mal der Standort entschieden ist. Dabei hat die Würzburger Bücherei-Leiterin Anja Flicker doch empfohlen, vor allen anderen Überlegungen die Bürger zu fragen: „Was wollt Ihr für eine Bibliothek?“ Und das fängt beim Standort an. Gemeinderat und Verwaltung sind gut beraten, wenn sie diese Empfehlung ernst nehmen. Die Bürger wollen nicht nur mitreden, ob sie künftig in Designersesseln oder auf Plüschsofas sitzen möchten. Ernstgemeinte Beteiligung fängt beim Standort an – vorausgesetzt, man hat verstanden, was ein „Dritter Ort“ bedeutet. Man hat bisweilen den Eindruck, dass manche im Rathaus noch gar nicht erkannt haben, wie sehr das Vertrauen vieler Bürger gelitten hat. Das betrifft viele Entscheidungen, doch die Bücherei ist mehr als andere ein Identifikationsthema. Die Unzufriedenheit vieler Bürger ist nicht nur in diesem Fall mit Händen zu greifen.

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