Vor allem das sogenannte Sheddach der Schelztorsporthalle gilt als ungewöhnlich – und als einzigartig im Umkreis von Esslingen. Foto: Archivfoto: Bulgrin - Archivfoto: Bulgrin

Die Stadt lässt untersuchen, ob eine Sanierung oder Abriss und Neubau der maroden Schelztorhalle sinnvoller wäre. Architekten und Historiker fordern den Erhalt.

EsslingenSie sind absolute Fans. Wenn Clarissa de Ponte, Raymon Beiermeister und Dirk Zimmermann von der Schelztorsporthalle sprechen, hört es sich an wie eine Liebeserklärung. Sie schwärmen von der kühnen Konstruktion, vom tollen Dach und von der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit, die sich in dem Bau aus den 50-er Jahren widerspiegele. Für die zwei Architekten und den Kunsthistoriker ist klar: Diese Halle ist einzigartig – und muss unbedingt erhalten werden. Doch im Rathaus könnte man auch zu einem anderen Schluss kommen.

Denn jüngst ist die Diskussion über die Zukunft des Bauwerks wieder in den Fokus gerückt. Der Betriebsausschuss der SGE (Städtische Gebäude Esslingen) hat beschlossen, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. In dieser soll untersucht werden, ob eine Sanierung sinnvoller ist oder aber Abriss und Neubau. Denn dass die Halle marode ist und dringend fit gemacht werden muss, steht außer Frage. Klar ist allerdings auch, dass man eigentlich mehr Platz benötigt. Deshalb wird bei einer Sanierung auch ein Um- oder Anbau anvisiert, bei einem Neubau favorisiert man ein mehrstöckiges Gebäude.

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Die Architekten Beiermeister und de Ponte und der Kunsthistoriker Zimmermann hingegen können sich eigentlich gar keine Veränderung an dem Gebäude vorstellen – außer eine äußerst behutsame Sanierung. Und sie sind nicht allein: Beiermeister und de Ponte sind Sprecher des Esslinger Planungsbeirats und wissen die Mehrheit des rund 15-köpfigen Gremiums in dieser Sache hinter sich – ebenso wie die Esslinger Gruppe der Architektenkammer. Dirk Zimmermann spricht ebenfalls nicht nur für sich, sondern auch im Namen des Bürgerausschusses Innenstadt sowie des Esslinger Geschichts- und Altertumsvereins. Sie alle fordern den Erhalt der Schelztorhalle.

Dieser Bau sei ein architektonisches Juwel, sind sich die drei Experten einig. „Das ist eine sehr kühne Konstruktion, die auch damals schon etwas Besonderes war“, betont Dirk Zimmermann. So sehr, dass man zunächst gar nicht sicher gewesen sei, ob die Pläne des Architekten Richard Baumann, der damals beim städtischen Hochbauamt tätig war, überhaupt realisierbar sind. Ungewöhnlich sei vor allem das gewölbte, freitragende Sheddach (Sägezahndach). Aber auch die vielen Fenster und seine Leichtigkeit zeichneten den Bau aus. Zudem seien die drei Reliefs des Bildhauers Wolfgang Klein darin mit die ersten Exemplare von Kunst am Bau im Land gewesen. Darüber hinaus passe die Halle trotz ihrer Besonderheiten geradezu perfekt in ihr Umfeld – und das, obwohl sie sich an einem sehr sensiblen Standort befinde, nämlich am Übergang von der historischen Altstadt zur damals noch industriegeprägten Weststadt.

Aber es gehe nicht nur um die Architektur an sich, sondern auch darum, was sie darstelle: „Man sieht den Aufbruchsgeist der 50-er Jahre und die große Bedeutung des Sports in der Zeit“, sagt Zimmermann. Denn damals sei es durchaus ungewöhnlich gewesen, eine reine Sporthalle zu bauen. Auch die vielen Fenster, das Licht und die Transparenz hätten für eine neue Ära gestanden nach den düsteren Jahren der Nazizeit. Hinzu komme die emotionale Komponente: Die Schelztorhalle habe stets identitätsstiftend und verbindend gewirkt – auch durch die Erinnerungen, die viele Esslinger mit ihr verbänden.

Clarissa de Ponte wird geradezu emotional, wenn sie über die Schelztorhalle spricht. „Diese Halle ist bescheiden, sie hat nichts Protziges. Aber es steckt viel Geist darin“, schwärmt sie. Der leichte und unbeschwerte Bau verkörpere auch ein gewisses Selbstbewusstsein und eine Haltung: „Das war etwas Neues nach der bis dahin oft üblichen neugotischen Industriearchitektur. Und das in dieser Stadt, die sich immer darauf beruft, was sie schon hat“, lobt de Ponte. Begeistert ist sie auch von der nächtlichen Strahlkraft der beleuchteten Halle: „Die Bögen des Dachs leuchten wie Monde in den Weinbergen.“ Solch ein Juwel könne man nicht einfach abreißen.

Zumal sich das Bauwerk noch weitgehend im Originalzustand befinde, gibt Raymon Beiermeister zu bedenken. „Und in der Innenstadt ist ja eigentlich die Maßgabe ,Erhalten und Bewahren’ Konsens.“ Gleichwohl wisse man, dass eine denkmalgerechte Sanierung finanziell eine sehr große Herausforderung wäre – technisch aber sei sie machbar, sind die drei Fachleute überzeugt. Und sie sei definitiv wünschenswert.

Zukunftsszenarien

Pläne: Im Falle einer Sanierung der Schelztorhalle visiert die Stadt eine Erweiterung an, etwa ein zweites Geschoss auf Teilen des jetzigen Funktionsbereichs. In diesem könnten Gymnastik- oder Gruppenräume entstehen. Im Erdgeschoss stellt man sich eine moderne Dreifeldhalle vor. Bei einem Neubau geht man davon aus, dass die Grundfläche verkleinert werden müsste. Denn das Wasserrecht sieht offenbar vor, dass in diesem Fall der Katzenneckar freigelegt werden müsste.

Denkmalschutz: Das Landesamt für Denkmalschutz untersucht derzeit, ob die Schelztorhalle unter Denkmalschutz fällt – und damit erhalten werden muss.