Wirtschaftsjournalist Norbert Häring. Foto: oh - oh

Bargeldlos zu bezahlen, ist in vielen Situationen geschickt. Wirtschaftsjournalist Norbert Häring gibt aber zu bedenken, dass uns das in Krisen anfällig macht.

EsslingenDer Wirtschaftsjournalist und promovierte Volkswirt Norbert Häring schreibt für das Handelsblatt. 2016 erschien sein Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“, 2018 folgte „Schönes neues Geld“. Im Internet betreibt Häring den Blog „Geld und mehr“ (http://norberthaering.de).

Wer hat am meisten Interesse an der Abschaffung des Bargeldes und warum?
Die wichtigsten Akteure in der weltweiten Kampagne gegen das Bargeld sind in der „Better Than Cash Alliance“ (Besser-als-Bargeld-Allianz) versammelt. Das sind die großen IT-Konzerne, Visa und Mastercard, Banken und die US-Regierung. Die IT-Konzerne verdienen generell an jeder Digitalisierung. Sie wollen unsere Finanzdaten und mittelfristig selbst den Zahlungsverkehr dominieren. Bei Visa, Mastercard und Banken ist die Interessenlage ziemlich klar. An Bargeld verdienen sie nichts, Bargeld ist Konkurrent. Die US-Regierung will Daten und Kontrolle, weltweit. Andere Regierungen machen mit. Sie haben eine ähnliche Interessenlage.

Welche positiven Aspekte hat die bargeldlose Zahlung für den Verbraucher?
Sie ist oft – aber bei Weitem nicht immer – praktischer und bequemer als Barzahlen. Deshalb sollte es dauerhaft beides geben. So wie es unsinnig wäre, zu sagen, wir brauchen keine Fahrräder mehr, Autos sind viel schneller und bequemer. Das hat man in den 1970er-Jahren gedacht. Das Ergebnis war nicht gut.

Wo sehen Sie Gefahren?
Die Gewinne, die sich IT-Konzerne und Finanzdienstleister durch Bargeldbeseitigung versprechen, zahlen Konsumenten und Händler in Form von Gebühren und Daten. Hinzu kommt, dass die Banken noch ungenierter mit unserem Geld spekulieren können. Denn ohne Bargeld kann es nicht mehr aus dem Bankensystem abgezogen werden. Wenn es Probleme gibt, wird dann einfach der Einleger teilenteignet. Das heißt „Gläubigerbeteiligung“. Wir werden immer mehr gezwungen, unser Geld bei Banken zu halten, und wenn die es verzocken, heißt es: „Ihr Gläubiger hättet besser aufpassen müssen, jetzt seid Ihr dran.“

Aber die weitaus größte Gefahr ist für mich, dass wir völlig gläsern werden. Alle digitalen Finanztransaktionen werden dauerhaft aufgezeichnet, überwacht und analysiert. Das gibt denen, die auf alle diese Daten zugreifen können, eine unheimliche Macht. Ohne Bargeld haben wir keine Möglichkeit mehr, wenigstens einen Teilbereich unseres finanziellen Lebens der Überwachung zu entziehen.

Die Fragen stellte Peter Dietrich.

Die Meinung des Experten von der Esslinger Kreissparkasse erfahren Sie hier.