Der Aufzug im Bebenhäuser Pfleghof ist merklich in die Jahre gekommen und fällt immer wieder wegen nötiger Reparaturen tagelang aus. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Alexander Maier
Alle Jahre wieder kommen sie so sicher wie Weihnachten und Neujahr: Die Diskussionen über die Zukunft der Esslinger Stadtbücherei. Dass am aktuellen Standort im Bebenhäuser Pfleghof erheblicher Handlungsbedarf besteht, ist seit vielen Jahren ein offenes Geheimnis. Doch zuletzt schob im Gemeinderat einer dem anderen den schwarzen Peter zu: Die einen wollen im Herzen der östlichen Altstadt bleiben, andere bringen immer wieder neue Standortalternativen ins Gespräch, und alle zusammen haben oft und gern betont, dass es schlicht am nötigen Geld für einen großen Wurf fehlt. Doch nicht einmal die kleinen Würfe – sprich: Investitionen in Barrierefreiheit, den maroden Aufzug, die störungsanfällige Brandschutzanlage oder die alles andere als einladenden Toiletten – will die Stadt anpacken, solange nicht klar ist, wo die Zukunft der Bücherei liegt. Nun soll der Kulturausschuss des Gemeinderates die richtigen Weichen stellen: Am Mittwoch wird das Thema in nichtöffentlicher Sitzung diskutiert. Doch die jüngsten Haushaltsberatungen ließen jedoch ahnen, dass manche gerne auch weiterhin das tun würden, was sie seit Jahren virtuos vorexerzieren: auf Zeit spielen.

SPD gibt Gas, CDU bremst

Doch damit soll nun Schluss sein – wenn es nach dem Willen der SPD-Ratsfraktion geht. Die Sozialdemokraten hatten Ende September beantragt, der Gemeinderat möge sich klar und eindeutig auf den aktuellen Standort in der Heugasse festlegen. Außerdem sollen bis März 2017 „mindestens vier Varianten für eine Sanierung und bauliche Erweiterung“ vorgelegt werden, wobei die Bandbreite der Vorschläge von einer Sanierung im Bestand ohne Flächenerweiterung bis zur maximal möglichen Erweiterung inklusive des Nachbargebäudes, das der Stadt schon gehört, reicht. Außerdem erwartet die SPD von der Verwaltung bis Ende März 2017 „ein inhaltliches Konzept für eine zukunftsfähige Stadtbücherei inklusive des vorhandenen dezentralen Angebots in den Stadtteilen Berkheim und Zollberg und dem Bücherbus“.
Die CDU-Ratsfraktion hat die Zukunft der Stadtbücherei während der jüngsten Etatberatungen ebenfalls angesprochen. Doch die Christdemokraten sehen aktuell keine Chance, etwas zu tun. „Wir stehen zu unserer Bücherei, wünschen uns auch eine Modernisierung, doch sehen wir bei der momentanen Finanzlage dazu absolut keine Möglichkeit“, gab Fraktionschef Jörn Lingnau in der Generaldebatte zum städtischen Haushalt zu Protokoll. Bis die Finanzierung geklärt ist, seien sogar vorbereitende Untersuchungen „rausgeworfenes Geld“. Sollte die Stadt in Zukunft doch wieder Geld in die Hand nehmen können, sollen nach dem Willen der CDU-Gemeinderäte auch andere Standorte als der aktuelle in der Heugasse geprüft werden. Woran die CDU dabei denkt, ließ Lingnau bereits anklingen: Für den Bereich Küfer- und Kiesstraße neben dem CVJM-Gebäude in der östlichen Altstadt beantragte Lingnau vorsorglich eine Veränderungssperre. Dass sich die Christdemokraten mittelfristig auch eine Lösung mit einem Investor vorstellen könnten, der ein neues Büchereigebäude errichten und an die Stadt vermieten könnte, hatten sie schon vor einigen Monaten mit Blick auf einen Standort im Bereich des alten ZOB deutlich gemacht.
Während der SPD-Antrag am Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung im Kulturausschuss und dann nochmals Ende Januar ebenfalls hinter verschlossenen Türen im Betriebsausschuss Städtische Gebäude beraten werden soll, kam der CDU-Antrag offenbar zu spät, um noch in dieser Woche diskutiert zu werden. Mit Blick auf den nichtöffentlichen Charakter der Beratungen hält sich Rathaussprecher Roland Karpentier ausdrücklich bedeckt. Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt er immerhin, dass sich die Stadtverwaltung für den bisherigen Standort der Bücherei im Bebenhäuser Pfleghof stark macht. Das ist nicht überraschend, schließlich gehört die Bibliothek mit etwa 1000 Besuchern an jedem Öffnungstag zu den großen Frequenzbringern in der östlichen Altstadt. Kenner der örtlichen Geschäftswelt gehen davon aus, dass das in Zukunft noch wichtiger werden wird, wenn erst die neuen Einkaufsflächen auf dem Karstadt-Areal und dem alten ZOB-Gelände eröffnet sind und zusätzliche Kundenströme dorthin lenken dürften.
Ehe die Verwaltung die nächsten Schritte in Angriff nimmt, müsse geklärt werden, wo der Gemeinderat die Bibliothek auf Dauer verortet. Seit Jahren steht fest, dass es dann zunächst eine statisch-konstruktive und eine denkmalpflegerische Untersuchung für den historischen Bebenhäuser Pfleghof geben muss – Insider kalkulieren dafür rund 150 000 Euro. Karpentier dämpft Hoffnungen, die Stadt könnte vor einem Standortbeschluss und der folgenden Gebäudeuntersuchung in größerem Stil ins aktuelle Bücherei-Gebäude investieren: „Wir werden Verkehrssicherheit und Nutzbarkeit gewährleisten – darüber hinaus sind größere Investitionen erst dann sinnvoll, wenn feststeht, wohin die Reise geht.“

Fakten und Zahlen zur Esslinger Stadtbücherei

Geschichte: Die Anfänge der Esslinger Stadtbücherei reichen ins Jahr 1921 zurück. Seither war sie in wechselnden Gebäuden der Altstadt untergebracht. Seit 1989 residiert die Bibliothek im Bebenhäuser Pfleghof in der Heugasse. Außerdem gibt es im einstigen Rathaus in Berkheim eine Zweigstelle, die in Zusammenarbeit mit ehrenamtlich engagierten Bürgern betrieben wird. Außerdem schickt die Stadtbücherei nach einem festen Fahrplan einen Bücherbus durch die Stadtteile.

Zahlen: Rund 1000 Besucher werden an jedem Öffnungstag allein in der Bücherei-Hauptstelle gezählt. Dort werden jährlich etwa eine Million Bücher, Zeitschriften, CDs und
DVDs verliehen. Aktuell stehen dafür ungefähr 1800 Quadratmeter Publikumsfläche zur Verfügung. Während andere Städte vergleichbarer Größe zuletzt kräftig in ihre Büchereien investiert haben, blieb das Raumangebot in der Esslinger Bibliothek seit 1989 unverändert. Wollte Esslingen im Landesvergleich einen Platz im soliden Mittelfeld erreichen, müsste die Publikumsfläche auf etwa 3200 Quadratmeter wachsen.