Quelle: Unbekannt

Der in Esslingen für den öffentlichen Nahverkehr zuständige Bürgermeister Ingo Rust kündigt Sanktionen bis hin zu Vertragsstrafen für den Fall an, dass die Firma Rexer ihre Probleme nicht in den Griff kriegt. Seit Wochen beschweren sich Fahrgäste vor allem über die Fahrer des Calwer Unternehmens.

EsslingenUnfreundliche und ortsunkundige Busfahrer, die vielfach kaum Deutsch können, und ständige Verspätungen. Beschwerden dieser Art von Fahrgästen prägen nun schon seit Wochen die Diskussion über den Esslinger Busverkehr. Seit das Calwer Busunternehmen Rexer ein Drittel des Busverkehrs in der Stadt übernommen hat, reißen die Klagen über das Unternehmen nicht ab. Bürgermeister Ingo Rust, der für den Verkehrsbetrieb Esslingen (SVE) und damit auch für Subunternehmen verantwortlich ist, die im Auftrag des SVE Verkehrsleistungen erbringen, ist nun mit seiner Geduld am Ende. Im Interview kündigt er Sanktionen bis hin zu Vertragsstrafen für den Fall an, dass sich an den Problemen nicht schnell etwas ändert. Der Konzessionsvertrag mit Rexer gilt zehn Jahre.

Die Stadt hat sich hehre Ziele gesetzt, was die Reduzierung von CO2 in der Stadt angeht. Dennoch duldet sie es, dass die Rexer-Busse jeden Tag leer von Schlierbach aus nach Esslingen und wieder zurück fahren, weil hier offenbar kein Grundstück für einen Betriebshof zu finden ist. Das kann doch nicht wahr sein.
Es ist uns aufgrund des neuen Vergaberechts, das für den Busverkehr gilt, nicht möglich, nur ortsansässige Busunternehmen zuzulassen. Wir sind an dieses Vergaberecht, das europaweit gilt, gebunden. Gleichwohl hatten die ortsansässigen Unternehmen natürlich einen Vorteil, denn sie mussten bei der Preiskalkulation keine langen Anfahrten berücksichtigen. Was den Betriebshof angeht: Der Grundstücksmarkt, sowohl für Wohn-, als auch für Gewerbeflächen, ist in Esslingen mehr als angespannt. Das heißt, es ist momentan nicht möglich, so einfach an Grundstücke zu kommen. Ich weiß, dass die Firma Rexer intensiv gesucht hat, aber sie haben leider kein Grundstück in Esslingen gefunden.

Haben Sie sich als Moderator eingeschaltet, etwa mit Blick auf den Betriebshof Schefenacker?
Ich habe gehört, dass es Gespräche gab, die aber wohl nicht erfolgreich waren. Als Moderator wurde ich aber nicht angefragt.

Verspätungen, ortsunkundige Fahrer und solche, die der deutschen Sprache kaum mächtig sind: Waren diese Probleme im Vorfeld bekannt?
Die Probleme, die Sie ansprechen, sind da. Und das sage ich ganz deutlich. Wir sind als Stadt mit diesem Zustand höchst unzufrieden. Das haben wir auch sehr frühzeitig den Verantwortlichen bei der Firma Rexer gesagt. Wir haben schon nach wenigen Tagen, nachdem die Probleme bekannt wurden, bei Rexer angemahnt, dass wir dies so nicht akzeptieren werden. Eine Einarbeitungszeit hat jeder verdient, aber die hat nun ein Ende.

Warum hat der Verkehrsbetrieb Fahrer, die mit den Fahrgästen deutsch sprechen können, und Rexer nicht? Liegt das auch an der unterschiedlichen Bezahlung?
Der Tarifvertrag für das private Busgewerbe ist in der Tat für die Fahrer schlechter als der für das öffentliche Busgewerbe. Aber ich glaube nicht, dass dies der einzige Grund dafür ist. In der Branche gibt es große Verwerfungen wegen der verbindlichen Vorgaben für die europaweite Ausschreibung, die überall in Deutschland gelten. Dadurch ist der Arbeitsmarkt extrem angespannt, was Fahrerinnen und Fahrer angeht. Aber das kann keine Entschuldigung für die Firma Rexer sein, die Qualität nicht zu bringen, die wir als Stadt einfordern.

Ist Rexer überhaupt in der Lage, die Anforderungen für einen funktionierenden Esslinger Busverkehr zu erfüllen?
Wir haben uns das im Vorfeld angeschaut: Die Firma Rexer ist ein solides, familiengeführtes und mittelständisches Unternehmen, wie dies unsere ortsansässigen Unternehmen auch sind. Rexer hat jahrzehntelange Erfahrungen auf zahlreichen Linien in Städten und Landkreisen. Was die Firma allerdings bisher bei uns an Qualität abliefert, erfüllt nicht annähernd den Anspruch, den wir haben, und den wir auch vertraglich zugesichert bekommen haben.

Was werden Sie tun, damit der Esslinger Busverkehr möglichst schnell wieder reibungslos läuft?
Wir haben wenige Tage nach der Inbetriebnahme, und nachdem sich die Beschwerden gehäuft haben, Gespräche mit den Verantwortlichen aufgenommen. Wir haben sehr zeitnah eingefordert, dass die Probleme abzustellen sind. Und wir stehen permanent in Kontakt, damit diese Dinge ein Ende haben. Die Beschwerden konzentrieren sich vor allem auf Vorfälle mit den Fahrern. Da geht es um die Themen Unfreundlichkeit, Deutschkenntnisse, aber auch um die Ortskenntnis: also den richtigen Linienverlauf fahren, zu wissen, wo die Haltestellen sind, und wo man anhalten muss. Wir nehmen jede Beschwerde ernst und registrieren jede Reaktion, die bei uns ankommt. Darüber wird eine Statistik geführt. Zudem wird für jede Beschwerde eine Stellungnahme des Betreibers eingefordert und es werden Fristen gesetzt. Jeder einzelnen Beschwerde wird auch nachgegangen. Ich habe in diesem Zusammenhang auch die Bitte an unsere Fahrgäste, uns zu informieren, wenn sie Qualitätsmängel feststellen. Am besten schriftlich per E-Mail, per Fax oder per Brief, denn dann haben wir die Vorgänge schwarz auf weiß. (Siehe Adressen am Ende des Interviews.)

Wie reagieren Sie, wenn sich die Situation nicht schnell ändert?
Unser Vertrag mit dem Betreiber hat ganz klare Regelungen. Da haben wir wirklich sehr gute Vorarbeit geleistet. Bei der Ausschreibung haben wir sehr viel Wert auf Qualität gelegt. Das betrifft zum Beispiel auch die Deutschkenntnisse. Festgelegt und klar definiert ist die Stufe B2 des europäischen Referenzrahmens – über sie müssen die Fahrer verfügen. Aber auch die Freundlichkeit, Serviceorientierung, respektvolles Auftreten bei Konfliktsituationen, etwa bei Verspätungen, oder die Kenntnis des Streckennetzes, sind vertraglich klar geregelt. Wenn die Anforderungen nicht erfüllt werden, gibt es Sanktionsmöglichkeiten, bis hin zu Vertragsstrafen. Wie gesagt: Eine Einarbeitungszeit hat jeder verdient, aber die ist jetzt definitiv ausgereizt. Und dann werden wir auch gegebenenfalls auf solche Maßnahmen zurückgreifen.

Der Vorwurf vieler Fahrgäste lautet: Da hat sich die Stadt einen Billiganbieter geholt, und das wird nun auf unserem Rücken ausgetragen. Was sagen Sie dazu?
Das ist definitiv falsch. Und mich ärgern solche alternativen Fakten, die mittlerweile durch die sozialen Netzwerke geistern. Dass diese Aussage falsch ist, lässt sich an zwei unwiderlegbaren Tatsachen beweisen. Erstens sind wir als Stadt gesetzlich verpflichtet, die Leistungen europaweit auszuschreiben. Das haben wir uns nicht ausgesucht. Zweitens spart die Stadt keinen einzigen Cent an dieser Vergabe, etwa indem wir ein günstigeres Angebot annehmen, weil wir einem Kostendruck unterliegen. Seit 1. Juli dieses Jahres zahlt den kompletten Betrieb der privaten Busunternehmen der Landkreis Esslingen und nicht die Stadt.

Die Linie 110 kann nicht mehr auf dem Betriebshof von Schlienz wenden. Das ist nun wahrlich keine Überraschung. Warum ist nicht in Vorfeld geklärt worden, wie eine künftige Lösung aussieht? Wenden am Segelflugplatz kann es ja wohl nicht sein.
Ich kann es menschlich sehr gut nachvollziehen, wenn ein Unternehmer sagt: Meinen Mitbewerber lasse ich nicht auf meinem Betriebshof wenden. Gleichwohl hätte ich mir gewünscht, dass sich die Firmen auf eine pragmatische Lösung einigen. Auch da gab es ja Gespräche. Wir haben alle Bieter vorab darauf hingewiesen, dass die bisherige Wendemöglichkeit wegfällt. Deswegen mussten alle Bewerber, außer den lokalen, dies auch in ihre Angebote einpreisen. Die Bieter waren auch vor Ort und haben sich das angeschaut – sie kannten das Problem also frühzeitig. Die einzige Möglichkeit, dem zu begegnen, wäre ja, die Haltestelle wegfallen zu lassen. Das wollen wir nicht, weil wir die Haltestelle Betriebshof weiterhin für wichtig halten. Deshalb gibt es eben nur die Möglichkeit, an anderer Stelle zu wenden.

Das Interview führte Christian Dörmann.

Die Stadtverwaltung bittet darum, Beschwerden im Zusammenhang mit dem Esslinger Busverkehr, schriftlich an die folgenden Adressen zu richten: Per E-Mail unter service@sve-es.de oder per Post an Städtischer Verkehrsbetrieb Esslingen, Heilbronner Straße 70, 73728 Esslingen.

Ingo Rust

Ingo Rust wurde 1978 in Albstatt bei Heilbronn geboren und machte sein Abitur am Technischen Gymnasium Heilbronn. Er studierte in Stuttgart und Esslingen und machte seinen Abschluss als Diplom-Ingenieur (FH). Danach arbeitete er als Assistent der Forschung und als Lehrbeauftragter an der Hochschule Esslingen. Rust gehört seit 1996 der SPD an, war Mitglied im Gemeinderat von Abstatt und Erster stellvertretender Bürgermeister. 2003 wurde Ingo Rust in den baden-württembergischen Landtag gewählt, er war Vorsitzender des Finanzausschusses und zuletzt Staatssekretär im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft. Im Dezember 2014 wurde Rust vom Esslinger Gemeinderat zum Finanzbürgermeister gewählt, sein Amt trat er am 1. Februar 2015 an. Der Dezernent ist zuständig für die Bereiche Finanzen, Liegenschaften, Krankenhaus, Verkehrsbetrieb und Wirtschaftshilfe.