Geldsegen für das Jubiläum: Wolfgang Drexler, Elena Braginska, Susanne Jakubowski, Landrat Heinz Eininger und Burkhard Wittmacher von der Kreissparkasse. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Das 200-jährige Jubiläum der Esslinger Synagoge wird in diesem Jahr groß gefeiert. Mit einer Spende über 5.000 Euro unterstützt die Kreissparkasse die jüdische Gemeinde.

EsslingenSie hatten sich zwar über beide Ohren verschuldet – die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die Anfang des Jahres 1819 das ehemalige Zunfthaus der Schneider im Heppächer gekauft und es zur Synagoge umgebaut hatten. Doch liefen sie fortan nicht mehr Gefahr, dass ihnen – wie im Jahr zuvor geschehen – der gemietete Betsaal gekündigt werden konnte. In dem stolzen Fachwerkhaus mitten in der Altstadt feierte die jüdische Gemeinde fast 120 Jahre lang ihre Gottesdienste, bis das Gebäude am frühen Nachmittag des 10. November 1938 von einem aufgeputschten Mob gestürmt wurde. Nach einer von der Esslinger NSDAP auf dem Marktplatz initiierten Kundgebung „gegen die Juden“ waren zahlreiche Männer aus der Stadt und aus Esslinger Betrieben in den Heppächer marschiert. Sie zerstörten die Einrichtung der Synagoge, schleppten Bücher, Dokumente und Kultgegenstände nach draußen und verbrannten sie dort, wo heute der Zwiebelbrunnen steht. „Die Synagoge wurde damals nur deshalb nicht angezündet, weil man Angst um die Esslinger Altstadt hatte“, sagt Wolfgang Drexler, Sprecher des Unterstützerkreises jüdische Kultur Esslingen. Um der jüdischen Gem Wolfgang Drexler, Elena Braginska und Susanne Jakubowski freuen sich über die großzügige Spende, die ihnen Heinz Eininger und Burkhard Wittmacher (von links) zum 200-jährigen Jubiläum der Synagoge überreichen. Bulgrin einde zu einer neuen Thorarolle zu verhelfen, hatten sich im Frühjahr 2015 unter der Ägide des damaligen Landtagsvizepräsidenten Esslinger Vereine, Kultureinrichtungen, Organisationen sowie Kirchen und Moscheevereine zu einem breiten Bürgerbündnis zusammengeschlossen. Am Ende kamen durch den Unterstützerkreis sowie viele Spenden von Privatpersonen aus der Stadt und der Region mehr als 40 000 Euro für die neue Schriftrolle zusammen. Der Unterstützerkreis wird nun wieder aktiv. Denn das 200-jährige Jubiläum der Esslinger Synagoge wird in diesem Jahr groß gefeiert. „Es ist ein sehr seltenes Ereignis, dass eine Synagoge in Deutschland 200 Jahre überdauert hat“, sagt Wolfgang Drexler. Deshalb ist es für ihn und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter selbstverständlich, dass der Unterstützerkreis mit dabei ist, wenn die Esslinger Gemeinde und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) den runden Geburtstag feiern. Auch von der Stadt Esslingen kommt im Jubiläumsjahr Unterstützung.

„Gerade angesichts der auch in Baden-Württemberg zunehmenden antisemitischen Straftaten ist es wichtig zu zeigen, dass unsere jüdischen Mitbürger in unsere Mitte gehören. Wir lassen nichts zwischen uns kommen“, erklärt der frühere SPD-Landtagsabgeordnete. Das sieht man auch bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen so. „Das Judentum und die Esslinger Synagoge sind bis heute ein wichtiger und lebendiger Bestandteil der Esslinger Gesichte“, sagte Landrat Heinz Eininger, als er jetzt in seiner Funktion als Vorsitzender des KSK-Verwaltungsrats gemeinsam mit dem KSK-Vorstandsvorsitzenden Burkhard Wittmacher einen Scheck über 5000 Euro an Wolfgang Drexler sowie Susanne Jakubowski, Vorstandsmitglied der IRGW, und Elena Braginska, Esslinger Mitglied in der Repräsentanz der IRGW, überreichte. Gerade wegen der schrecklichen Ereignisse bei den Novemberpogromen im Jahr 1938 müsse man sich dem Thema Religionsfreiheit und Toleranz stellen, unterstrich der Landrat. „Wir dürfen diese schreckensvolle Vergangenheit nicht verschweigen und müssen mehr denn je daran erinnern. Unsere Spende soll ein Zeichen dafür sein.“ Zudem will die Kreissparkasse mit ihrer Spende das Engagement des Unterstützerkreises würdigen. Dessen Sprecher freut sich über den Geldsegen. „Das ist eine ganz tolle Unterstützung für uns, ohne die ein Programm mit diesem Volumen nicht möglich wäre“, erklärt Wolfgang Drexler. „Und die Spende zeigt, wie offen und der Zukunft zugewandt die Kreissparkasse ist.“

Für das Jubiläumsjahr wurde eigens ein Signet entworfen, auf dem die Synagoge zu sehen ist, die von einem Davidstern in den Esslinger Stadtfarben umrahmt wird. Dieses Logo ziert auch den Veranstaltungskalender. Alleine im ersten Halbjahr stehen 15 Veranstaltungen auf dem Programm, bei denen erneut Esslinger Kultureinrichtungen, Vereine, städtische Einrichtungen, Organisationen und Einzelpersonen aktiv werden. Neben Vorträgen, Lesungen, Theaterstücken, Konzerten und Filmabenden wird es natürlich auch Führungen durch die Synagoge geben (siehe Anhang). Der Höhepunkt des ersten Halbjahres wird freilich die zentrale Festveranstaltung zum 200-jährigen Jubiläum der Synagoge sein. „Es ist toll, was die Beteiligten wieder auf die Beine gestellt haben“, sagt der Sprecher des Unterstützerkreises, der hofft, dass auch in den Esslinger Schulen die jüdische Geschichte der Stadt Thema sein wird. „Es gibt ein Angebot an alle Schulen, dass sie zum Geschichtsunterricht in die Synagoge kommen können.“

Das Festprogramm fürs erste Halbjahr

Das 200-jährige Jubiläum Esslinger Synagoge wird das ganze Jahr über mit verschiedenen Veranstaltungen gefeiert. Für das erste Halbjahr steht das Programm bereits.

Vorträge: Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe hält die Historikerin Gudrun Emberger am Sonntag, 10. Februar, um 15 Uhr im Theodor-Rothschild-Haus einen Vortrag zur Biografie von Jud Süß Oppenheimer. Am Sonntag, 17. März, um 18 Uhr berichtet Martin Ulmer im Theodor-Rothschild-Haus über „Antisemitismus in Stuttgart im Kaiserreich und in der Weimarer Republik“. Das Schicksal der Synagogengebäude und der jüdischen Friedhöfe in der NS-Zeit in Württemberg und Esslingen beleuchten Joachim Hahn und Stadtarchivar Joachim J. Halbekann am Sonntag, 14. April, in einem Vortrag in der Synagoge im Heppächer. Start ist um 18 Uhr.

Führungen: Am Donnerstag, 14. Februar, führt Pfarrer Joachim Hahn unter der Überschrift „Jüdisches Esslingen“ um 18 Uhr durch die Esslinger Synagoge. Am Montag, 29. April, öffnet Binah Rosenkranz um 17.30 Uhr die Tür der Synagoge und gibt Einblicke ins Judentum. Am Sonntag, 2. Juni, führt Gerhard Voß vom Verein Denk-Zeichen durch die Synagoge.

Konzerte: In einem interreligiösen Chorkonzert ist am Sonntag, 17. Februar, um 17 Uhr im Münster St. Paul jüdische und christliche Musik (auch aus Esslingen) zu hören. Zum jüdischen Kulturtag steht am Sonntag, 7. April, um 17 Uhr ein Konzert im CVJM-Lutherbau auf dem Programm.

Filme: Das Kommunale Kino klinkt sich am Sonntag, 3. März, in die Veranstaltungsreihe ein und zeigt um 17 Uhr den Film „Menashe“. Mit „Back to the fatherland“ ist im Kommunalen Kino am Sonntag, 17. März, um 17 Uhr ein Dokumentarfilm zu sehen. Am Sonntag, 31. März, ist im Kommunalen Kino um 17 Uhr der Spielfilm „Ein Tag wie kein anderer“ zu sehen.

Theater: Die Gedichte der jüdischen Schriftstellerin Selma Meerbaum-Eisinger stehen am Sonntag, 24. Februar, um 17.30 Uhr bei einer Lesung mit musikalischer Begleitung im Esslinger Scala auf dem Programm. Die Theater-AG der Stiftung Jugendhilfe aktiv/Theodor-Rothschild-Haus zeigt am Donnerstag, 23. Mai, um 11 Uhr das Stück „Der kleine Prinz“ frei nach Antoine de Saint-Exupéry. Auch die Württembergische Landesbühne beteiligt sich am Festprogramm und wird das Theaterstück „Anne Frank“ zeigen. Der Termin steht zurzeit noch nicht fest.

Festakt: Die zentrale Festveranstaltung zum 200-jährigen Jubiläum der Esslinger Synagoge beginnt am Sonntag, 2. Juni, um 17 Uhr im Gemeindehaus am Blarerplatz. Nach der Begrüßung durch den Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), OB Jürgen Zieger, Rabbiner Yehuda Pushkin und Wolfgang Drexler hält Pfarrer Joachim Hahn einen Vortrag über die Geschichte der Esslinger Synagoge. Die Redebeiträge werden vom Chor „Die Taktlosen“ umrahmt. Anschließend tritt die Gruppe Asamblea Mediterranea auf. Mit Balladen, Liebesliedern und Festtagsgesängen schlägt sie eine musikalische Brücke zwischen der Kultur der Sepharden und der Aschkenazen.