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Die Aktion „Bücherbus plus“ der Esslinger Stadtbücherei führte Viertklässler der Herderschule in die Weinberge. Dort lernten sie, wie die Wengerter die Steilhänge bearbeiten.

ES-Mettingen„Nicht nach unten gucken“, warnten die Viertklässler der Esslinger Herderschule, als einer nach dem anderen am Schenkenberg die steilen Weinberg-Stufen erkletterte, sich durch schmale Engstellen zwängte und sich auf einer schrägen Steintreppe einer Mauer entlang wagte. Oben angekommen gab’s ein dickes Lob von Claus Hägele: „Ihr seid jetzt echte Staffelsteiger“, belohnte der stellvertretende Vorsitzende des gleichnamigen Vereins die Schülerinnen und Schüler mit grünen Luftballons, blauen Trollinger- und weißen Riesling-Trauben. Mit der Aktion „Bücherbus plus“ der Stadtbücherei waren die Jungs und Mädchen auf den Spuren des Esslinger Weinbaus zwischen den Reben und in der Mettinger Kelter unterwegs.

Esslingen zählt zu den ältesten Weinorten Deutschlands. Vor etwa 1000 Jahren mussten die Reben aus dem Stadtgebiet weichen, weil Flächen für Weiden und Getreideanbau gebraucht wurden. Für die damaligen Weingärtner bedeutete dieser Umzug in die Steilhänge jede Menge Arbeit, denn sie mussten Schenkenberg und Neckarhalde mit großen Sandsteinquadern sichern und terrassieren – und das ganz ohne Mörtel und Beton. Schon eine kleine Version dieser Mauersteine konnten die stärksten Viertklässler bei einem Versuch kaum heben, geschweige denn den Hang hinaufschleppen. Das nötigte ihnen dann auch gewaltigen Respekt vor der Arbeitsleistung der Weingärtner früher und heute ab.

Diese Trockenmauern, die zwischen einem und vier Meter hoch sind, müssen nicht nur den Druck des Hanges stützend abfangen, sondern auch das Regenwasser die Staffeln hinunter ableiten. „Deshalb nennen wir die Treppen auch ‚Wasserfälle‘“, erzählte Hägele. Die harte Arbeit der damaligen Wengerter wurde aber auch belohnt, denn der Wein aus den Reben in Hanglage wurde besser als der von der ebenen Fläche: „Hier oben gibt es mehr Sonne, mehr Luft und Belüftung. Und außerdem erwärmt die Sonne tagsüber die Sandsteine. Die speichern die Wärme und geben sie nachts wieder ab, was die Trauben lieben“, erklärte Hägele den begierig zuhörenden Schülern.

Nach dem anstrengenden Gekraxel ging es über den Weinerlebnisweg weiter. Bei einer Vesper- und Verschnaufpause am Staffelsteiger-Plätzle mitten in den Weinbergen verblüffte Claus Hägele, selbst Weingärtner, die Schüler mit der Information, dass man aus den blauen Beeren roten und weißen Wein gewinnen kann: „Wenn man eine dunkelblaue Beere zerdrückt, tropft heller Saft heraus“, demonstrierte er. „Wenn man den ganz schnell abpresst, dann gibt es tatsächlich Weißwein. Wenn man die Beeren aber zerdrückt und ein bisschen gären lässt, dann nimmt der weiße Saft die Farbe von den blauen Traubenschalen an, und dann wird’s Rotwein.“

Hägele hatte auf jede Frage der interessierten Kinder eine Antwort, erklärte, dass man an der Dicke des Stammes erkennen kann, wie alt ein Weinstock ist: „Die ältesten hier oben sind über 70 Jahre alt, die jüngsten wurden erst in diesem Jahr gepflanzt.“ Er machte die Schüler auf die Höhlen in den Weinbergmauern aufmerksam, in denen die Weingärtner früher vesperten, bei Regen Unterschlupf suchten und manchmal sogar übernachteten. Die Jungen und Mädchen durften eine – leere – Kinderbutte, mit der die geernteten Trauben nach unten transportiert werden, auf dem Rücken tragen, und erfuhren, dass sich Vögel, Schnecken, Ringelnattern, Eidechsen, Hasen, eine Fuchs-Familie und sogar Rehe in den Weinbergen wohl fühlen.

Weiter ging es auf einem gemütlichen Spazierweg die felsigen Steilhänge am Schenkenberg entlang, vorbei an einem extra schmalen Traktor im Einsatz zwischen den Rebstock-Reihen bis zur Kelter der Weingärtner in Mettingen, wo rund 100 Mitglieder der Genossenschaft ihre Trauben zur Weiterverarbeitung anliefern. Dort durften die Kinder nach staunenden Blicken in die Abbeermaschine und beeindruckt von den riesigen, bis zu 16 000 Liter fassenden Tanks einen frisch gepressten Traubensaft probieren: „Damit aus diesem Saft Wein wird, brauchen wir viele Millionen Helferlein: Hefe-Bakterien“, führte Jochen Clauß von den Weingärtnern aus. Und mit großer Begeisterung beobachteten die Schüler, dass zum Säubern der Schläuche ein Schaumstoffball mit Wasser und ganz viel Druck durch sie hindurch geschossen wird. Tina Maurer, Klassenlehrerin der 4a, lobte die „Bücherbus plus“-Aktion: „Das ist Lernen mit allen Sinnen. Die Kinder sind an der frischen Luft. Sie steigen die steilen Treppen selber hoch und erfahren, wie schwer die Arbeit im Weinberg ist. Sie sehen, wie die Trauben wachsen und wie sie weiterverarbeitet werden, und sie dürfen Trauben und Saft probieren. Und dann später im Bücherbus können sie nachlesen, nachfragen, das Gehörte vertiefen und in einem Fragebogen nochmals wiederholen.“ Auch Jeannine Aspacher von der Fahrbücherei, die diese Aktion mit ihren Kolleginnen ermöglicht hat, freute sich: „Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel die Kids behalten, obwohl sie zwischendurch ja auch herumtoben und Spaß haben. Wir wollen das ‚Bücherbus plus‘-Programm auch im kommenden Jahr fortführen.“