Die Vogelsangbrücke ist derzeit ein Nadelöhr. Bis Ende 2020 muss jeweils ein Teil des Bauwerks gesperrt und saniert werden. Quelle: Unbekannt

Fast 20 Millionen Euro muss die Stadt Esslingen in die Sanierung der Vogelsangbrücke investieren. Die Bauarbeiten bedeuten für die Fachleute eine technische und logistische Herausforderung.

EsslingenKai Händler ist ein alter Hase in der Baubranche, doch ein Sanierungsprojekt wie die Esslinger Vogelsangbrücke ist auch für den Oberbauleiter der Züblin AG etwas Besonderes: „Da sind ganz viele unterschiedliche Aspekte zu beachten, ein Rädchen muss ins andere greifen. Das ist für alle eine Herausforderung.“ Fast 20 Millionen Euro investiert die Stadt, um das Bauwerk aus den frühen 70er-Jahren bis Ende 2020 wieder fit zu machen. Denn die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke in Mettingen muss weichen, weil sich eine Sanierung ihrer altersschwachen Spannbeton-Konstruktion nicht mehr rechnen würde. Ehe dort jedoch die Abrissbagger anrücken können, muss zunächst die Vogelsangbrücke so weit ertüchtigt werden, dass sie weiterhin nutzbar bleibt und sogar zusätzlichen Verkehr aufnehmen kann, der nach dem Abbruch der Schleyer-Brücke zu erwarten ist.

Mehr als 43 000 Fahrzeuge rollen Tag für Tag über die rund 500 Meter lange Vogelsangbrücke, die zu den wichtigsten Verkehrsachsen gehört. Deshalb hat die Stadt genau hingeschaut, ob sich die Verbindung über Neckarstraße, Bahnlinie, Neckar und Bundesstraße 10 halten ließe. „Das ist eine Frage der Machbarkeit, der Wirtschaftlichkeit und des Aufwands“, erklärt Regine Zunker, Abteilungsleiterin für Ingenieurbauwerke im Tiefbauamt. Anders als bei der Schleyer-Brücke kam man bei der Vogelsangbrücke zu dem Schluss, dass sie nach einer umfassenden Sanierung weitere 20 Jahre halten würde. „Vielleicht sogar noch länger“, hofft Projektleiter Sufian Kurdi. Deshalb gibt es fast sechs Millionen Euro Zuschuss aus dem Brückensanierungsfonds des Landes, dessen Gelder heiß begehrt sind: Spannbetonbrücken aus den 70er-Jahren bereiten der öffentlichen Hand vielerorts Sorgen, weil der damals verwendete Stahl korrodiert und im schlimmsten Fall sogar reißen kann. Damit man bei der Vogelsangbrücke auf der sicheren Seite bleibt, wird das Bauwerk nach der Sanierung engmaschig überwacht – 140 Sensoren sollen kleinste Veränderungen registrieren.

Notfalls wird auch nachts gearbeitet

Doch zunächst sind die Baufirmen am Zug. Unter der Regie einer Arbeitsgemeinschaft der Unternehmen Züblin und Leonhard Weiss sind ständig bis zu 25 Arbeiter im Einsatz – notfalls auch mitten in der Nacht, wenn zum Beispiel Arbeiten anstehen, die den tagsüber starken Bahnverkehr unterhalb der Brücke stören. Mit noch mehr Personal zu arbeiten, fände Soufian Kurdi nicht sinnvoll: „Wir können nicht alles gleichzeitig machen – ein Arbeitsschritt muss dem nächsten folgen. Und es bringt auch nichts, wenn sich zu viele Leute gegenseitig im Weg stehen.“ Das sieht auch Tiefbauamts-Chef Uwe Heinemann so: „Wir tun alles, um so effektiv und wirtschaftlich wie nur möglich vorzugehen.“

Vor allem in der ersten Zeit, als bereits eine Spur der Vogelsangbrücke stadtauswärts gesperrt war, jedoch nur wenige Arbeiter zu sehen waren, wurden das Tiefbauamt häufig gefragt, weshalb es nicht schneller vorwärtsgehe. „Wir mussten zunächst die Baustelle aufwendig durch Gerüste und Absperrungen sichern, damit weder die vorbeifahrenden Fahrzeuge noch der Verkehr unter der Brücke durch herabfallende Gegenstände beeinträchtigt werden“, erklärt Heinemann. „Da haben unsere Leute vor allem unter der Brücke gearbeitet.“ Nicht zuletzt wegen der immer strengeren Vorschriften wird die Baustellensicherung immer aufwendiger – mehr als drei Millionen Euro werden allein dafür fällig.

Neue Materialien sind "widerstandfähiger"

Das Esslinger Tiefbauamt lässt die Vogelsangbrücke nun von Grund auf sanieren: Erst wurde der alte Straßenbelag abgefräst, dann wurden die so genannten Kappen am rechten Rand der stadtauswärtigen Fahrbahnseite komplett abgetragen. Nun ist die Abdichtung zwischen Fahrbahnbelag und dem eigentlichen Brückenkörper an der Reihe. An Stellen, an denen die Korrosion den Beton bereits so weit geschädigt hat, dass er nicht mehr die nötige Stabilität besitzt, kommt ein Strahlroboter zum Zug, der das marode Material mit mehr als 2500 bar Wasserdruck entfernt – ein Autoreifen wird mit etwa 3,7 bar Druck aufgepumpt.

Sobald die Fachleute in allen Bereichen der Vogelsangbrücke wieder für eine solide Grundsubstanz gesorgt haben, wird der Fahrbahnbelag ganz neu aufgebaut. „Die Materialien, die heute zum Einsatz kommen, sind viel dauerhafter und auch widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse als die, die in den 70er-Jahren verwendet wurden“, weiß Oberbauleiter Kai Händler. Zum Sanierungskonzept gehört außerdem die Verlegung sämtlicher Versorgungsleitungen, die bislang durch die Brücke führten und künftig außen am Brückenkörper angebracht werden. Einige der schweren Brückenlager müssen ersetzt werden. Und überall dort, wo es sinnvoll und möglich ist, wird das Bauwerk zusätzlich verstärkt, um künftig auch die höhere Verkehrsbelastung durch deutlich mehr und schwerere Fahrzeuge bewältigen zu können. „Wenn wir fertig sind, wird die Brücke wieder in einem Zustand sein, der den heutigen Anforderungen entspricht“, verspricht Tiefbauamts-Chef Heinemann.