Quelle: Unbekannt

Guillaume Apollinaire strebte eine Verbindung von Poesie und bildender Kunst an. Im Rahmen der Reihe „52 x Esslingen und der Erste Weltkrieg“ widmete sich ein Abend im Kulturzentrum Dieselstrasse dem Dichter.

EsslingenMit dem ambitionierten Langzeitprojekt „52 x Esslingen und der Erste Weltkrieg“ erinnert das Städtische Kulturamt in Zusammenarbeit mit Stadtmuseum und Stadtarchiv seit 2014 an die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. 52 Monate lang wütete von August 1914 bis November 1918 der Krieg, in 52 Veranstaltungen beleuchtet das Projekt mittels Kultur, historischen Phänomenen, heutigen Kunstformen und Fragestellungen das epochale Ereignis. Die Nummer 48 dieser historisch-kulturellen Reihe stand im Kulturzentrum Dieselstraße im Zeichen des in Rom geborenen, in Monaco und Paris aufgewachsenen Dichters, französischen Patrioten und Weltkriegsteilnehmers Guillaume Apollinaire. Er strebte eine Verbindung von Poesie und bildender Kunst an und wurde zum Begründer des Begriffes „Surrealismus“. Sein Credo: Der schöpferische Vorgang muss sich aus der Fantasie ergeben, sich möglichst dem Leben, der Natur annähern. Dabei forderte er wahrhafte Gefühle, spontanen Ausdruck und beständige formale Erneuerung.

Im Zentrum der musikalisch-literarischen Performance standen Figurengedichte, sogenannte Kalligramme, die nicht nur als Text funktionierten, sondern darüber hinaus durch Formung des Textkörpers eine weitere, optische Bedeutungsebene aufbauten. Besonders eindrucksvoll demonstrierten in Apollinaires „Poèmes de la paix et de la guerre“ die Mitglieder von ExVoCo, Christie Finn, Viktoriia Vitrenko und Frank Wörner unterstützt von Felix Behringer an der Technik. Nicht nur stimmlich wurden die im Hintergrund auf eine Leinwand projizierten Kalligramme treffend umgesetzt, auch die schauspielerische Darstellung gelang frappierend – mal witzig, dann wieder, entsprechend dem Textgehalt, mit bitterbösem Ernst realisiert.

Gelächter und exotische Eindrücke

Eine Glanzleistung bot Viktoriia Vitrenko in Cathy Berberians „Stripsody“. Mit virtuosem Körpereinsatz unterstrich sie den Textgehalt, sorgte für Momente der Heiterkeit und setzte mannigfache Alltagsgeräusche mit geläufiger Gurgel um. Im Duett mit Christie Finn ließ sie Rob Zuidams „Il pleut“ nicht nur in kakophonischen Lautmalereien, sondern auch in harmonisch geführten parallelen Stimmlinien aufblühen.

Den flächigen Klangebenen von Matthew Ricketts „Second Ocean“ verliehen Christie Finn, Céline Papion (Violoncello) und die Pianisten Martin Storz und Junko Yamamoto dichte Spannung, grundiert von den ultratiefen Tönen der Kontrabassklarinette Felix Behringers.

Mit mannigfachen körperlichen Verrenkungen sorgte ExVoCo bei der Umsetzung von Apollinaires „Montparnasse“ für Gelächter – ernstere Töne steuerten Céline Papion und die im traditionellen japanischen Kimono auftretende Junko Yamamoto zu Kalligrammen von Ichizu Hashimoto bei. Die dunklen Cellotöne kontrastierten hier mit dem hell flirrenden Tonspektrum des Shos, eines alten japanischen Blasinstrumentes, das den Ruf des Phoenix imitieren soll.

So fügte sich Klangbaustein an Klangbaustein: Japanische Haikus übermittelten exotische Eindrücke, zeitgenössische südamerikanische Musiksplitter brachten Abwechslung, und die Videoeinspielungen von Nicolas Zupfer sorgten für interessante optische Erlebnisse.