Foto: Hauenschild

100 bis 150 Schüler und Studenten sind zu der Veranstaltung gekommen. Drei Stunden lang zogen sie durch die Innenstadt und forderten Gesellschaft und Politik zu mehr Klimaschutz auf.

Esslingen Zum ersten Mal hat die "Fridays-for-Future"-Demo diese Woche in Esslingen stattgefunden. Zwischen 100 und 150 Schüler sind laut Organisator dabei durch die Innenstadt gezogen, mit dem Ziel, die Bevölkerung wachzurütteln. Die im Pariser Übereinkommen vereinbarten Klimaschutzziele einzuhalten, ist das große Ziel der Bewegung.

Fotos und Videos zur Veranstaltung finden Sie in einem Live-Blog am Ende des Artikels.

Initiatoren

Die Initiative zu dem Esslinger Schülerstreik ging vom Georgii-Gymnasium aus. Mehrere Schülerinnen und Schüler waren schon in Stuttgart zur Freitagsdemo gewesen. „Wir fanden, in Esslingen sollten wir das auch machen“, sagt Lukas Gauch, 17 Jahre alt, 11. Klasse. Gesagt, getan. Es fand sich eine Organisation-Gruppe, die sich um Demo-Anmeldung, Transparente, Technik kümmerte und den Aufruf verbreitete. Werbemittel Nummer Eins sind die sozialen Medien, so zählt die eigens eingerichtete Whats-App-Gruppe für die Demo über 180 Mitglieder.

Auftakt

Tatsächlich zur Demo kamen gestern etwas mehr als 100 Jugendliche. Gestartet wurde um 10.30 Uhr auf dem Marktplatz mit einer Kundgebung. Wer reden wollte, durfte reden, musste sich allerdings vorher angemeldet haben und auch vorab klären, was gesagt werden soll. „Damit da nicht irgendein Unsinn kommt.“ Den Auftakt machte Matthias Dinkela, 16 Jahre alt, 11. Klassenstufe. Er holte weit aus: Immer wieder hätten die Menschen die Wahl gehabt. Die Wahl zwischen Krieg und Frieden zum Beispiel und oft hätten sie falsch gewählt. Heute aber hätte die Menschheit nicht die Wahl. Denn wenn jetzt nicht endlich entschieden gegen den Klimawandel angekämpft werde, werde „ein schrecklicher Preis gezahlt werden“, unter dem „unsere Kinder und Enkelkinder leiden werden. Wir haben keine zweite Chance. Wir haben die Pflicht, das Klima zu schützen“, rief Matthias und erntete großen Applaus.

Tipps

Ayla Klein, 17 Jahre alt, ebenfalls vom Georgii-Gymnasium, ging es auch darum, was jede und jeder fürs Klima tun kann. „Ich gebe ein paar Tipps“, sagte sie und zählte Konkretes auf: Bambuszahnbürsten verwenden, bei Klamotten darüber nachdenken, ob man sie braucht und wie sie hergestellt werden, weniger Fleisch essen, Früchte von hier, keine Mama-Taxis, mehr Bus und Bahn und Fahrrad fahren. Ähnliche Anliegen hatten Eftalia Calik und Zoal Amiri, beide 7. Klasse vom Georgii. Sie appellierten unter anderem an ihre Mitschüler, weniger Plastik zu verwenden, denn das vermülle die Meere.Luca Diehl, 16 Jahre alt, aus der 9. Klasse der Riegelholz-Realschule Nellingen befand: „Es ist bislang scheiße gelaufen.“ Eben deshalb seien jetzt die jungen Leute gefragt. „Ich will zu meinen Kindern sagen: Ich habe was getan und es hat was gebracht.“ Und wenn jemand zum ersten Mal nur um zu Schwänzen zur Demo gehe, sei das nicht schlimm. „Denn dann merken sie, wie gut und richtig das ist und das ist doch megakorrekt.“

Meinungsfreiheit

Dass Luca bei Rebell mitmacht, der Jugendorganisation der Splitterpartei MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland), hatte er zu Beginn seiner Rede gesagt. Begleitet wurde er von der üblichen Handvoll hiesiger MLPD-Leute, die aktuell gerne unter dem Label „Umweltpartei“ auftreten und auf dem Marktplatz Flugblätter verteilten – was auf „Friday-for-Future“-Demos generell untersagt ist. „Wir wollen keine Bühne für Parteipolitik sein“, sagt Lukas Gauch. Sämtliche auf dieses Thema angesprochenen Jugendlichen wussten um die MPLDler, fanden sie aber nicht weiter bemerkenswert. Auch Lukas zuckt mit den Schultern „Das gibt sich. Umso mehr Leute wir sind, umso weniger fallen die auf.“ Vereinnehmen lasse man sich nicht. Außerdem seien auch christliche Pfadfinder da und Vertreter anderer Gruppen mit dabei. „Wir haben Meinungsfreiheit.“

Slogans

Die Reden sind vorbei, nun soll die Demo starten. „Wer von euch ist denn zum ersten Mal auf einer Demo?“ ruft Kolja von der Organisationsgruppe. Ein paar Dutzend Hände strecken sich in die Luft. „Kennt ihr die Slogans oder wollen wir noch mal üben?“ „Üben!“ „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle! Hej, hej!“ „Was wollen wir?“ Alle: „Klimaschutz!“ „Wann wollen wir´s?“ Alle: „Jetzt!“ „Hoch mit dem Klimaschutz! Runter mit der Kohle!“ Auch Träger für das Start-Transparent „Unsere Zukunft – unsere Entscheidung – Fridays for Future“ sind gefunden – es kann losgehen. Moritz, David und Carl, alle 7. Klasse am Georgii-Gymnasium, versammeln sich unter dem selbstgemalten Schild „We don´t want your hope, we want your Panic“ – ein Zitat der Schwedin Greta Thunberg, die die Freitags-Demos letztlich initiiert hat. Die drei finden es „echt wichtig, was zu tun“. David: „Wenn man sich mal anschaut, was passiert, wenn die Temperatur um drei oder vier Grad steigt …“ Moritz: „Wenn die Pole schmelzen, dann können die Reichen auch nicht mehr jedes Jahr Urlaub in der Karibik machen, die gibt es dann nämlich nicht mehr.“ Dass Freitagvormittag demonstriert beziehungsweise gestreikt wird, halten die drei für richtig. „Samstags kann ja jeder“, sagt Moritz. „Dann würden die Leute nicht so auf uns achten“, ist David sicher.

Motor aus

Beim Marsch über den Innenstadtring müssen Autos warten. „Motor aus, Fahrer raus!“, rufen die Schüler. Ein Fahrer schaut wohlwollend aus dem heruntergekurbelten Fenster seines schwarzen SUV. Was hält er von diesen Schülerdemos? „Worum geht´s da?“ „Um Klimaschutz.“ „Das finde ich gut.“ Jonas, 16 Jahre alt vom Georgii, schiebt die Schubkarre mit der solarbetriebenen Musikanlage. Er hätte heute eigentlich Englisch. Aber die fünfte und sechste Stunde falle heute am Georgii sowieso aus wegen einem Lehrerausflug. Der geht auf die schwäbische Alb, sagt Martin Schalhorn. Er ist Lehrer am Georgii, steht vor der Schule, als die Demo vorbei zieht. „Ich finde es wichtig, dass die Jugendlichen sich engagieren. Wir haben ja lange darüber geklagt, dass die Jugend unpolitisch ist.“ Spricht´s und muss los zum Ausflug.

Sprechchöre

Der Demo-Zug ist am Mörike-Gymnasium in der Neckarstraße angekommen und stoppt. Sprechchöre erschallen: „Rauskommen!“ Schüler stehen an den Fenstern, plötzlich öffnet sich die Tür, eine gute Handvoll Schüler tritt auf die Straße. Großer Jubel. Allerdings belassen es die Mörike-Schüler dabei, ein paar Handyfotos zu machen und gehen wieder rein.

Umweltschutz

Rebecca, Melinda und Sophie sind 12 und 13 Jahre alt, gehen in die siebte Klasse auf dem Georgii. Sie haben Deutsch und Englisch ausfallen lassen für ihre erste Demo. Wie fühlt sich das an? Die drei strahlen. „Gut! Anfangs war es komisch, da haben wir uns noch nicht getraut, die Slogans zu rufen. Aber dann schon.“ Dass an diesem Tag Schülerinnen und Schüler in – laut der Webseite von „Fridays for Future“ - 65 deutschen Städten auf die Straße gehen, „sei schon cool“. Sie selbst achten auch im Alltag darauf, die Umwelt zu schonen: Keine Plastikflaschen, in die Schule laufen oder den Bus nehmen – für die drei alles Selbstverständlichkeiten.

Beifall

Aus vielen Geschäften wird den Schülern zu zugewunken, vor der Sparkasse steht Christa Müller, SPD-Stadträtin. „Finde ich gut, dass die Schüler sich engagieren.“ Sie glaubt, dass der Druck das Bewusstsein der politisch Verantwortlichen ändern wird. Aus Plochingen ist der Grüne Gemeinderat Stefan Kirchner gekommen. „Ich bin begeistert, wie viel die Kids wissen über den Klimawandel.“ Er hofft auf eine baldige Reaktion der Politik. „Zum Beispiel die CO2-Steuer, die könnte man gleich einführen.“ Weniger positiv sieht ein älterer Herr mit grauem Bart das Engagement. „Früher haben wir heimlich geschwänzt“, grummelt er. Damit steht er offenbar auf der Seite derer, die vor allem auf diversen Facebook-Seiten auf die demonstrierenden Jugendlichen schimpfen, ihnen Dummheit unterstellen und den Unterrichtsausfall vorwerfen.

Schulstunden

Darüber können die Organisatoren des Esslinger Schülerstreiks nur müde lächeln. Unterricht könne man nachholen und ansonsten fielen auch ohne Protestzüge oft genug Schulstunden aus. Den Schülerstreik an diesem Freitag habe man in der Schulkonferenz besprochen. „Unser Rektor hat gesagt, dass die Fehlstunden eingetragen werden. Aber ansonsten ist mir nichts bekannt“, sagt Moritz Friedrich von der Schülervertretung. Matthias Dinkela ergänzt: „Viele Lehrer haben uns signalisiert, dass sie uns unterstützen.“ Das schlage sich auch im Unterricht nieder. „In vielen Fächern wird das Thema Klimaschutz behandelt. In Englisch haben wir sogar eine Klassenarbeit darüber geschrieben.“

Pläne

Wie es in Esslingen weiter geht mit den Friday-for-Future-Demos ist unklar. „Das müssen wir diskutieren“, sagt Lukas Gauch. Nächste Woche werde sicherlich nicht gestreikt. „Aber vielleicht so einmal im Monat.“ Zufrieden sei man jedenfalls mit dem Auftakt. „Über 100 Leute! Grandios! Deutlich mehr als bei der ersten Demo in Stuttgart. Da waren es zwölf.“