Immer mehr Großstädte wie beispielsweise London und Paris wollen nur noch Null-Emissions-Mobile ins Zentrum lassen. Quelle: Unbekannt

Mehr Ladestationen will der Elektromobil-Käufer, mehr Elektromobile der Ladestationen-Betreiber. Ab 2021 müssen die europäischen Autohersteller in Europa strengere Abgas-Emissionsziele erreichen.

Von Dietmar Krepper

Esslingen - Das Elektroauto ist eine Randerscheinung - noch. Es ist aber auch eine Hoffnung für die Umwelt. Auf den weltgrößten Automobilmärkten China, USA und Westeuropa schaffen die Stromer aber nur Marktanteile von zwei Prozent. Die Erklärung: die Elektroautos sind teuer und das Angebot bescheiden, die Reichweite nicht ausreichend, das Netz der Ladestationen zu weitmaschig. Doch die Umwelt macht Druck. Die Abgasbestimmungen werden strenger. Immer mehr Großstädte wie beispielsweise London und Paris wollen nur noch Null-Emissions-Mobile ins Zentrum lassen.

Die Elektroautos könnten das Abgas-Dilemma lösen. Doch dazu müssen es erst einmal mehr werden. Da kommt das nächste Problem: Mehr Ladestationen will der Elektromobil-Käufer, mehr Elektromobile der Ladestationen-Betreiber, um auf seine Kosten zu kommen. Außerdem: Strom laden dauert viel länger als Treibstoff tanken. Rund 14 500 Treibstofftankstellen hat Deutschland zu bieten, da wird in wenigen Minuten vollgetankt. Bei den Elektroladesäulen sind zweistellige Minuten-Ladezeiten angesagt. Doch da könnten sich neue Geschäftschancen auftun. Wer sein E-Auto viele Minuten an die Steckdose der Schnell-Ladestation hängen muss, der könnte in dieser Zeit das Angebot im naheliegenden Supermarkt in Anspruch nehmen.

Reicht der Strom für viele Elektroautos? EnBW-Chef Frank Mastiaux sieht da kein Problem: „Derzeit fahren in Deutschland rund 45 000 Elektrofahrzeuge und selbst wenn es einmal eine Million Autos sind, steigt der Stromverbrauch in Deutschland dadurch nur um rund ein halbes Prozent.“ Strom gibt es an jeder Steckdose - auch in der heimischen Garage. Doch dahin muss der Strom erst in notwendiger Menge kommen. Denn: „Wenn viele Elektroautos gleichzeitig geladen werden, entstehen an lokalen Standorten hohe Spitzenbelastungen und auf diese ist das Netz heute noch nicht ausgelegt - weder bei Privathaushalten noch bei Parkhäusern.“

Auch Esslinger Architekten klagen, dass sie bei Bauprojekten vor dem Problem stehen, dass der Energieversorger den Strom zum gleichzeitigen Aufladen mehrerer Elektromobile nicht liefern kann, es sei denn, die Zuleitungen würden teuer aufgerüstet. Für Porsche-Chef Oliver Blume ist klar: „Eine funktionierende Ladeinfrastruktur ist die Voraussetzung für die Akzeptanz und für die weitere Verbreitung von Elektromobilität.“ Ionity - ein Gemeinschaftsunternehmen von BMW, Daimler, Ford und dem Volkswagenkonzern - will das Ladeproblem lösen und bis 2020 etwa 400 Schnellladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen in Europa errichten und betreiben. Die Ionity-Stationen verfügen über mehrere Ladesäulen mit einer Ladeleistung von bis zu 350 kW, die ermöglicht, das Elektromobil in etwa 15 Minuten vollzuladen.

Ionity hat inzwischen Partner gewonnen. So kündigte Shell an, zunächst an 80 großen Tankstellen in zehn europäischen Ländern Ionity-Ladestationen aufzustellen. Kooperationspartner sind auch der deutsche Autobahntankstellenbetreiber Tank & Rast, der österreichische Ölkonzern ÖMV und die Einzelhandelskette Circle K, die rund 2800 Standorte in Nord- und Osteuropa betreibt. Das Gemeinschaftsunternehmen Ionity plant so an den zentralen Verkehrswegen Europas mindestens alle 120 Kilometer eine Auflademöglichkeiten zu schaffen.

Diese Lade-Initiative der Autoindustrie ist überfällig. Ab 2021 müssen die europäischen Autohersteller in Europa strengere Abgas-Emissionsziele erreichen. Nur mit einem hohen Anteil abgasfreier Elektroautos ist das möglich und die werden nur gekauft, wenn Lademöglichkeiten in ausreichender Zahl bei akzeptablen Ladezeiten verfügbar sind. Die Ionity-Initiative der Autoindustrie soll das schaffen. Zur Ladesäulen-Offensive kommt ein Modell-Feuerwerk, das den Elektroautokäufern die verbreitete Reichweitenangst nehmen soll. Die angekündigten Elektromobile sollen mit einer Batterieladung mindestens 500 Kilometer schaffen. Audi stellt im Spätsommer 2018 den e-tron in die Verkaufsräume, ein Sport-SUV. Ein Jahr später folgt der e-tron Sportback und 2020 eine batterie-elektrische Limousine. Alle drei zielen auf den US-Elektrogegner Tesla. Audi will bis 2025 ein Dutzend reine Elektroautos auf den Markt bringen. BMW kündigte an, bis 2025 zwölf Modelle reinelektrische Modelle anzubieten. Mercedes bringt 2019 das erste Auto der Stromer-Marke EQ auf die Straße. Es wird wohl der EQC sein, ein sportlich gestaltetes SUV-Coupé, das dem GLC ähnelt. Insgesamt will Daimler in den kommenden drei Jahren rund zehn Milliarden Euro in die Entwicklung der Elektroautos investieren. Bis zum Jahr 2022 will der Stuttgarter Autobauer insgesamt zehn EQ-Elektromodelle auf den Markt bringen, die von der kompakten A- bis zur S-Klasse reichen. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat angekündigt, dass ab 2025 die E-Autos mit Stern einen Anteil von 15 bis 25 Prozent haben werden. Für den viertürigen Elektro-Sportwagen Mission E hat Porsche mehr als eine Milliarde Euro investiert, der ab Ende 2019 in Zuffenhausen vom Band rollen soll.

Deutschlands größter Autohersteller hat sich auch am meisten vorgenommen. Ende 2019 startet VW mit dem ersten Modell der elektrischen I.D.-Familie. Ab 2025 will die Marke VW jährlich eine Million batteriegetriebener Fahrzeuge von den Bändern rollen lassen, die vom kompakten Schrägheck im Golf-Format über einige SUV-Varianten bis zum Modell Buzz reichen wird, dem elektrischen Nachfolger des VW-Bus. VW-Markenchef Herbert Diess hat das ehrgeizige Ziel, Volkswagen bis 2025 zum Weltmarktführer in der E-Mobilität zu machen. Die deutschen Hersteller haben allen Grund, ihre Elektroauto-Produktion zu steigern, denn auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt China greift ab 2019 eine Quotenregelung, die nur erfüllt werden kann, wenn rund zehn Prozent der verkauften Autos Elektroantrieb haben. Für die deutschen Autohersteller auf dem chinesischen Markt ist das eine anspruchsvolle Aufgabe.

Eine E-Chance ist an der deutschen High-Tech-Autobranche fast vorbeigefahren. Beim Transporter für den innerstädtischen Verkehr lässt sich der elektrische Antrieb viel kostengünstiger realisieren als für den anspruchsvollen Pkw-Kunden. Denn dessen Anforderungscocktail - große Reichweite, hohe Geschwindigkeiten, Elektrozapfstellen überall und akzeptable Preise - kann nur schwer serviert werden. Professor Achim Kamper von der TU Aachen machte sich an die Arbeit und wurde mit dem Konzept Streetscooter vom Lehrstuhlinhaber zum größten Hersteller von Elektro-Nutzfahrzeugen in Deutschland. Streetscooter ist ein einfach aufgebauter Lieferwagen, der elektrisch zwischen 100 und 200 Kilometer schafft und abgasfrei 85 Stundenkilometer schnell ist. Da die Post ein solches Transportmobil brauchte, es von den traditionellen Herstellern aber nicht angeboten wurde, baute sie sich das Auto selbst und übernahm die Streetscooter-Produktion. Die Post hat jetzt 5000 Streetscooter im Einsatz, freut sich über deutlich geringere Kosten für Wartung und Verschleiß und verkauft den Elektrolaster auch an andere Unternehmen. Die Preise beginnen bei knapp 32 000 Euro.

Der Streetscooter ist maßgeschneidert für die innerstädtischen Transport in Westeuropa. 100 Kilometer Reichweite sind da völlig ausreichend, da reichen kleinere und damit billigere Batterien. Daimler und Volkswagen bauen Transporter, die sich weltweit verkaufen lassen und die deshalb unter allen Klimabedingungen funktionieren müssen. Kamper nennt den Wettbewerbsvorteil seines Konzepts: „Unser Streetscooter fährt erstmal nicht im eiskalten Sibirien, wir exportieren auch nicht in großem Stil, dafür reichen unsere Stückzahlen gar nicht aus.“ All das muss Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans, schaffen.

Die Transporter mit Stern werden weltweit verkauft und müssen mehr erreichen als das Stadtverkehrstempo. Dafür gibt es keine Billiglösung. Mercedes-Benz Vans plant, alle gewerblichen Transporter mit Elektroantrieb anzubieten. Den Anfang macht der eVito, der ab der zweiten Jahreshälfte 2018 lieferbar ist. Der Sprinter wird ab 2019 elektrifiziert. Für Mornhinweg ist klar: „Wir sind von der Notwendigkeit des elektrischen Antriebs in unseren Vans überzeugt, allen voran im innerstädtischen Bereich.“ Der eVito schafft eine Reichweite von 150 Kilometern. Kosten 40 000 Euro plus Mehrwertsteuer. Der Vito 111 CDI mit Dieselmotor und vergleichbarer Ausstattung ist für 10 000 Euro weniger zu haben. Doch nach drei Jahren mit je 25 000 Kilometer Fahrstrecke hat der eVito seinen Anschaffungsnachteil eingefahren, durch weniger Treibstoffkosten und geringeren Wartungs-und Reparaturaufwand.

Vieles spricht dafür: Ab 2020 ist die Elektroauto-Welt in Fahrt. Die Hersteller liefern bezahlbare E-Mobile mit auskömmlicher Reichweite. Die Zahl der Ladestationen nähert sich dem Tankstellennetz. Das wird das Elektromobil attraktiver machen. Bei den Transportern im innerstädtischen Bereich wird es schneller gehen, da sich Elektromobilität besser umsetzen lässt, eher rechnet und Fahrverbote elektrisch gekontert werden können.