Erstmals außerhalb der VHS im Einsatz: Im Lichthof der Villa Merkel zeigen Johannes Kaufmann, Julia Brielmann, Katarina Strasser und Mareike Fröhlich (von links) den von Kulturschaffenden selbst gebauten Tisch. Foto: Weiß Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Er ist nur ein Tisch, und doch bietet er so unendlich viele Möglichkeiten: Der Fachbereich „Kultur und Gestalten“ der Volkshochschule (VHS) hat einen großen, mit vereinten Kräften selbst gebauten Tisch zum Mittelpunkt seines Projekts „Kultur an einem Tisch“ gemacht. Das massive Möbelstück soll auf unterschiedlichste Art und Weise als Arbeitsplatz, als Präsentationsfläche, als Podium für Diskussionen sowie als Ort der Begegnung dienen, um offene Räume im Bereich der kulturellen Bildung zu schaffen.

Als die Volkshochschule jüngst unter dem Motto „Europa jetzt erst recht“ zum Europatag einlud, wollten die Mitarbeiterinnen des Fachbereichs „Kultur und Gestalten“ auch etwas beitragen. „Als wir überlegt haben, was Menschen verbinden kann, fiel uns sofort der Tisch ein: Von klein auf sitzt man am Tisch, man isst, spielt und unterhält sich am Tisch, man lernt das Teilen, das Diskutieren und soziale Etikette am Tisch“, erzählt vhs-Fachbereichsleiterin Katarina Strasser. Ihre Kollegin Julia Brielmann ergänzt: „Der Tisch steht für etwas Gemeinschaftliches: Es gibt Stammtische, man verabredet sich zum Essen, man führt am Tisch Gespräche, von trivialem Smalltalk bis hin zu hitzigen politischen Diskussionen, und es gibt Runde Tische, an denen unterschiedliche Positionen ausgetauscht werden.“

Schnell war den Initiatorinnen klar, dass sie ihren Tisch mit vereinten Kräften auch selbst bauen wollen. Mit Unterstützung durch das Berufliche Ausbildungszentrum BAZ wurde ein Workshop verabredet: „Es war ein toller Tag. Ganz unterschiedliche Esslinger Kulturschaffende waren am Sägen, Hobeln und Schleifen“, erzählt Johannes Kaufmann, Volontär in der Städtischen Galerie Villa Merkel, vom gemeinsamen Tun. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Inspiriert durch das Konzept des Berliner Architekten Van Bo Le-Mentzel, der unter dem Motto „Konstruieren statt konsumieren“ eine Philosophie preiswerter und stilistisch am Bauhaus orientierter Möbel entwickelt hat, entstand ein stabiler großer Tisch. Thomas Riemann, Schreiner und Ausbilder beim BAZ, hat das Knowhow für das gute Stück geliefert, das massiv und trotzdem variabel ist: Werden die Beine gedreht, wird ein niedriger Couchtisch daraus, an dem auch Kinder bequem werkeln können. Und er lässt sich auseinanderbauen und transportieren, denn die Einsatzmöglichkeiten des Tisches sollen nicht auf die vhs beschränkt bleiben, erläutert Julia Brielmann: „Da die vhs in der Weststadt nicht ganz zentral ist, ist es unser Wunsch, dass wir uns als Fachbereich ‚Kultur und Gestalten‘ auch weiterentwickeln und mit anderen Kultureinrichtungen und -institutionen in Esslingen vernetzen. Wir möchten über den Tisch neue offene Räume schaffen.“

Bei einem Workshop in der Villa Merkel wurde der Tisch bei einem ersten Außeneinsatz eingeweiht: Mareike Fröhlich, vhs-Dozentin für kreatives Schreiben, versammelte die Teilnehmer ihrer Schreibwerkstatt nach einem Rundgang durch die aktuelle Kunst-Ausstellung um den im Lichthof aufgestellten Tisch. Gemeinsam ließ man die Gedanken fliegen und sammelte Assoziationen und Stichworte, aus denen Geschichten entstehen sollten. „Dann sind alle ausgeschwärmt in den Park, in den Wintergarten und ins Gärtnerhaus und haben erste Entwürfe für Geschichten und Gedichte oder Ideen, aus denen sich ein Roman entwickeln könnte, zu Papier gebracht, die sie am Tisch dann später den anderen vorstellten“, berichtet die Kursleiterin.

Dabei ist den Initiatorinnen wichtig, dass der neu gebaute vhs-Tisch als Gemeinschaftsprojekt gesehen wird: „Wir haben zwar den Impuls für den Tisch gegeben, aber es darf und soll jeder mitmachen“, betonen Katarina Strasser und Julia Brielmann: „Durch Partizipation wird der Tisch ein soziales und kulturelles Objekt. Er ist ein Ort der Begegnung und ein Ort der kulturellen Bildung.“

Am Mittwoch, 24. Mai, wird der vhs-Tisch zum Workshop mit dem Esslinger Beatboxer Robeat im Jugendhaus Komma vor Ort sein, im Oktober wird er im Mittelpunkt einer Weinlese mit den Esslinger Weingärtnern stehen, und im Herbstsemester wird eine Ausstellung im VHS-Haus in der Mettinger Straße die erste Phase des Tisch-Projekts in Fotos dokumentieren.