Lothar Meckert, Fred Coschurba, Dieter Bohnet und Wolfgang Drexler (von links) tüfteln Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Der Esslinger Norden bietet gute Einkaufsmöglichkeiten, doch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist es oft schwer, sie zu nutzen. Deshalb möchte der Förderverein Nord nun einen Bürgerbus etablieren. Zunächst ist eine halbjährige Probephase geplant.

EsslingenDer Norden zählt zu den attraktiven Wohnlagen in Esslingen. Wer mobil ist, findet im näheren Umfeld wichtige Einkaufsmöglichkeiten, die Anbindung an das Stadtzentrum ist gut. Schwieriger wird es oft für ältere und gehbehinderte Menschen. Zwar führen mehrere Buslinien durch den Stadtteil, doch die sind auf den Hauptverkehrsachsen unterwegs – der Weg zu den Haltestellen ist für viele weit. Deshalb denkt man im Stadtteil schon länger über einen zusätzlichen Binnenverkehr nach. Der Bürgerausschuss und die Werbegemeinschaft Vielfalt in Hohenkreuz hatten diesen Gedanken vor Jahren schon verfolgt – nun hat sich der Förderverein Nord der Sache angenommen. Und er ist schon ziemlich weit gekommen: Die Experten des Landesverbands Pro Bürgerbus haben die Situation vor Ort untersucht und sehen klaren Bedarf für einen Bürgerbus im Esslinger Norden. Nun will der Förderverein mit der Realisierung Ernst machen. Zunächst ist ein halbjähriger Probebetrieb im Gespräch.

Der Weg zur Haltestelle ist oft weit

„Wenn man sich die aktuellen Buslinien anschaut, sind weite Teile von Serach, Hohenkreuz und den Bärenwiesen durch den öffentlichen Nahverkehr nicht richtig erschlossen“, moniert Wolfgang Drexler, der Vorsitzende des Fördervereins Nord. „Es gibt viele Menschen, die nicht mehr Auto fahren können oder wollen. Was nützt die beste Infrastruktur, wenn man sie wegen der Entfernung zur Haltestelle und der erheblichen Höhenunterschiede nicht nutzen kann?“ Und Drexlers Vorstandskollege Fred Coschurba ergänzt: „Gerade in Hohenkreuz sind die Einkaufsmöglichkeiten sehr gut. Man muss die gefüllte Tasche aber nach Hause tragen können. Für viele ist der Weg zum Einkaufen, zum Arzt, in die Kirche oder auf den Friedhof schlichtweg zu weit.“ Deshalb hat der Förderverein Nord wie vor ihm der Bürgerausschuss im Rathaus angeklopft und gefragt, ob der Städtische Verkehrsbetrieb sein Angebot erweitern könnte. „Doch dort hat man abgewunken, weil die Busse für kleinere Straßen zu groß sind“, erzählt Coschurba. Und Drexler sagt: „Die Stadt hat auf uns verwiesen – so sind wir zu diesem Thema gekommen. Und der Bürgerausschuss hat auch nichts dagegen, wenn wir uns darum kümmern.“

Mit einer Umfrage wollten Wolfgang Drexler und seine Mitstreiter zunächst den konkreten Bedarf erkunden. Dass sich bereits mehr als 40 Interessenten gemeldet haben, ist für den Förderverein ein erstes Signal. „Demnächst wollen wir zu einer Infoveranstaltung einladen und konkreter nachfragen“, verspricht der Vorsitzende. Coschurba hat die Adressen der bisherigen Interessenten schon mal auf einem Stadtplan eingetragen und festgestellt: „Bedarf gibt es quer durch den Stadtteil.“ Der nächste Schritt ist für Wolfgang Drexler klar: „Zunächst planen wir einen halbjährigen Versuch mit einem Bürgerbus an zwei Tagen in der Woche. Danach werden wir konkret wissen, wie groß das Interesse wirklich ist.“ Geplant ist eine Route mit 13 Haltestellen – eine Tour soll etwa 45 Minuten dauern.

Dass ein Bürgerbus funktionieren kann, zeigen die Beispiele anderer Kommunen wie Aichwald, Denkendorf, Köngen oder Wendlingen, wo es solche Angebote schon länger gibt. „Aber wir brauchen Leute, die ehrenamtlich fahren wollen“, sagt Drexler. Einige haben sich schon gemeldet – insgesamt 15 Fahrer sollen es werden, damit der Einzelne nicht allzu häufig ans Steuer muss und damit im Krankheitsfall Ersatz bereitsteht. Ein Fahrzeug für die Testphase hat der Förderverein bereits im Blick. „Die Aichwalder wollen sich demnächst einen neuen Bürgerbus anschaffen“, weiß Wolfgang Drexler. „Vielleicht können wir den bisherigen Bus für die halbjährige Testphase bekommen. Über die Konditionen müssen wir reden.“

Klar ist für den Vorsitzenden des Fördervereins allerdings auch, dass es ohne Partner nicht gelingen wird, einen Bürgerbus im Esslinger Norden dauerhaft zu etablieren. Deshalb will Drexler das Gespräch mit der Werbegemeinschaft und der Stadt suchen – immerhin rechnet er für die Anschaffung eines neuen Bürgerbusses mit Kosten von mehr als 200 000 Euro: „Das können wir alleine natürlich nicht schultern.“ Dass man auch im Rathaus ein lebhaftes Interesse an einem solchen Angebot haben sollte, ist für Drexler keine Frage: „Die Verkehrssituation ist gerade in der Wäldenbronner Straße so angespannt, dass wir froh sein müssen über jedes Fahrzeug, das dort nicht mehr fährt. Jeder, der sein Auto zuhause lassen und mit dem Bürgerbus zum Einkaufen oder zum Arzt fahren würde, wäre ein Gewinn.“

Wer sich für einen Bürgerbus im Esslinger Norden engagieren will, meldet sich beim Förderverein unter dieter@bohnet-es.de oder telefonisch unter 0172/711 89 99. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.foerderverein-nord.de

Bürgerbusse und der Bedarf im Esslinger Norden

Idee: Das Erfolgsrezept der Bürgerbusse heißt „Bürger fahren ehrenamtlich für Bürger“. Nach Einschätzung des Landesverbands Pro Bürgerbus sind sie jedoch viel mehr: „Altenhilfe, Kommunikationsplattform, Identifikationsquelle – und fast nebenbei ein verlässliches und günstiges Mobilitätsangebot dort, wo andere nicht fahren können oder wollen.“ Aktuell gibt es im Land rund 40 Bürgerbusmodelle, die mit etwa 800 Fahrerinnen und Fahrern jährlich rund 250 000 Fahrgäste befördern. Durch den demografischen Wandel dürfte sich dieser Trend sogar noch verstärken.

Geschichte: Das Konzept der Bürgerbusse wurde vermutlich in England geboren. Weil dort nach Privatisierungen in weiten Bereichen nur noch rentable Linien von den Busunternehmen betrieben wurden, taten sich Bürger zusammen, um gemeinsam Mobilität zu schaffen. Der erste deutsche Bürgerbus wurde 1985 in Nordrhein-Westfalen eingeweiht. Im Land war Salach die erste Kommune mit einem Bürgerbus.

Analyse: Für den Esslinger Norden sieht Pro Bürgerbus klaren Bedarf – vor allem für ältere und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen, für die der Weg zur nächsten regulären Bushaltestelle oft zu weit und zu beschwerlich ist. Deren Bedürfnisse und die Situation vor Ort lassen laut Landesverband einen ehrenamtlich betriebenen Bürgerbus sinnvoll erscheinen: „Das Betrachtungsgebiet, in dem circa 5500 Menschen wohnen, davon etwa 25 Prozent über 65-Jährige, ist topografisch anspruchsvoll. Zwischen den oberen Wohnlagen im Norden und dem Hauptversorgungsbereich um die Kreuzung Wäldenbronn liegen über 100 Höhenmeter auf einer Luftlinie von circa einem Kilometer.“