Die Terroristen Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) Foto: Entertainment One - Entertainment One

Ein Terrorkommando, dem auch zwei Deutsche angehörten, hat 1976 eine Air-France-Maschine gekapert, um palästinensische Gefangene freizupressen. Der brasilianische Regisseur José Padilha erinnert daran in seinem Kinodrama „7 Tage in Entebbe“, das am 3. Mai in die deutschen Kinos kommt. Daniel Brühl und das einstige Bond-Girl Rosamund Pike spielen die beiden deutschen Terroristen. Im Gespräch mit Alexander Maier geben Pike und Brühl Einblick in ihre Arbeit an diesem Projekt.

EsslingenDie terroristischen Aktionen der deutschen RAF sind vielen ein Begriff – dass zwei Deutsche 1976 an der Entführung einer Air-France-Maschine nach Uganda beteiligt waren, ist weithin in Vergessenheit geraten. Der brasilianische Regisseur José Padilha, der sich mit Filmen wie „Tropa de Elite“ profiliert hat, erinnert in seinem eindrucksvollen neuen Film „7 Tage in Entebbe“ an die damaligen Ereignisse. In den Rollen der deutschen Flugzeugentführer Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann brillieren Daniel Brühl und das Ex-Bond-Girl Rosamund Pike. Im Gespräch mit unserer Zeitung geben die beiden Einblick in ihre Arbeit.

José Padilha hat mir verraten, dass er durch „Good bye, Lenin!“ auf Sie aufmerksam wurde. Was hat Sie an seinem neuen Film interessiert?
Brühl: Ich kannte seine „Tropa de Elite“-Filme und mag die Fernsehserie „Narcos“. Deshalb wusste ich, dass er der Richtige ist, um einen Film über das Geiseldrama von Entebbe zu drehen. Ich habe gespürt, dass da Menschen am Werk waren, die keine oberflächliche Action-Version drehen, sondern sich dieser Geschichte sehr ernsthaft nähern wollten. Da geht es um Fragen von zeitloser Aktualität.

Kannten Sie die wahre Geschichte?
Brühl: Dass es diese Flugzeugentführung gab, war mir bewusst, die Details kannte ich nicht. Wir hatten das Glück, dass uns der Drehbuchautor Gregory Burke und die Produzentin Kate Solomon mit ganz viel Hintergrundmaterial versorgt haben – auch solches, das nicht so einfach zugänglich ist. So konnten wir uns ein gutes Bild von den damaligen Ereignissen machen. Haben Sie ein Faible für historische Stoffe?
Brühl: Tolstois „Krieg und Frieden“ hat mir gezeigt, wie man Geschichte zu verstehen hat. Nur wenn man alle Perspektiven betrachtet, kann man historische Ereignisse wirklich erfassen. Die Geschichte kennt nicht nur Gut und Böse. Das sieht man auch hier – selbst wenn man wie ich in keinster Weise radikal ist und Terrorismus ablehnt. Wenn man versteht, wie die Akteure damals gedacht und aus welcher Motivation heraus sie gehandelt haben, versteht man unsere heutige Welt besser.

Rosamund Pike ist Britin, spricht die Rolle der deutschen Terroristin aber auf Deutsch. Dafür hat sie die Sprache zumindest phonetisch gelernt. War das hilfreich?
Brühl: Das war für mich etwas völlig Neues. Normalerweise müssen wir deutschen Schauspieler immer Englisch sprechen, damit man uns versteht. Ich fand es toll, dass Rosamund diesen Mut hatte. Und es war auch wichtig, weil jede Sprache ihren eigenen Duktus hat, der etwas mit den Menschen macht. Das hat viel zur authentischen Wirkung ihrer Figur beigetragen. Ich durfte übrigens ihr Sprach-Coach sein. Hoffentlich klingt sie nicht zu sehr kölsch. Rosamund, hatten Sie keine Bedenken, Ihre Rolle in deutscher Sprache zu spielen?
Pike: Es ist schon eine Herausforderung, so zu tun, als wäre man eine Deutsche. Aber ich war mir mit José Padilha einig, dass sich dieses Wagnis lohnen könnte. So habe ich eine viel engere Bindung an meine Rolle bekommen. Es schafft eine gewisse Distanz zur eigenen Figur, wenn man eine Deutsche spielt und Englisch spricht.

Sie mussten in eine Figur eintauchen, über die man nicht mehr allzu viel weiß …
Pike: Es gibt nicht viel Material über Brigitte Kuhlmann. Jahrzehnte später hat ein ehemaliger Freund ein Bild von ihr im Netz gepostet, das sie als freundliche, brave und unscheinbare Person zeigt. Von den Geiseln wissen wir dagegen, dass sie während der Entführung eiskalt und unbarmherzig war und dass sie mit Böse in sehr hartem Ton gesprochen hat. Innerhalb der Revolutionären Zellen war sie eine Randfigur. Sie hatte das Gefühl, für die Verhaftung von Ulrike Meinhof verantwortlich zu sein, weil die in einer konspirativen Wohnung gefasst wurde, die Brigitte Kuhlmann besorgt hatte. Nun sah sie die Chance, sich mit dieser Aktion zu rehabilitieren. Wenn man das weiß, kann man vielleicht ein wenig besser verstehen, wie aus der braven jungen Frau eine gewalttätige Terroristin werden konnte.

Sympathisch ist Brigitte Kuhlmann nicht – allenfalls gibt es Momente, in denen sie einem in ihrer latenten Zerrissenheit leidtun kann. Was hat Sie an der Rolle gereizt?
Pike: Ich fand den Film reizvoll, weil José Padilha kein Regisseur ist, der nur in Schwarz und Weiß zeichnet. Er liebt es, auch die Graubereiche auszuleuchten, die es im Leben eben auch gibt und ohne deren Kenntnis man vieles nicht versteht.

War es nicht emotional sehr belastend, solch eine intensive Rolle zu spielen?
Pike: Es war nicht einfach, aber genau das fand ich so spannend. José wollte die Situation aller Beteiligten zeigen. Und ich wollte spürbar machen, wie sich Brigitte gefühlt haben muss. Das war für alle eine extreme Situation, zumal die Terroristen anfangs dachten, dass sie sehr viel schneller zum Ziel kommen würden. Dann zog sich das immer länger, sie hatten kaum Schlaf und die Ungewissheit wurde immer stärker. Mich interessierte die Unsicherheit auf allen Seiten. Es gibt im Film eine Diskussion über Moral. Was ist das Richtige? Brigitte fand, dass ihre Sache moralisch richtig ist. Ihr ging es nicht darum, andere zu töten. Ich denke, das macht die Angelegenheit richtig interessant.

Das Interview führte Alexander Maier.

Der Film und seine Hauptdarsteller

„7 Tage in Entebbe“ erzählt von einer der spektakulärsten Flugzeugentführungen aller Zeiten: Vier Terroristen kaperten am 27. Juni 1976 eine Maschine der Air France und erzwangen eine Landung im ugandischen Entebbe. Unter den Luftpiraten waren die Deutschen Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike). Das Ziel der Terroristen war ein Austausch der israelischen Geiseln gegen palästinensische Gefangene. Unter großem Zeitdruck musste die israelische Regierungentscheiden, ob sie bei ihrem Grundsatz bleibt, mit Terroristen nicht zu verhandeln, auch wenn das vielen Geiseln das Leben kosten würde. Erschwert wurden die Verhandlungen durch die offensichtliche Rivalität von Premierminister Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi) und Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) – und durch die dubiose Rolle des ugandischen Diktators Idi Amin (Nonso Anozie). Trotzdem starteten die Israelis ein gewagtes Kommandounternehmen.

Daniel Brühl zählt zu den profiliertesten deutschen Schauspielern. Mit Filmen wie „Good bye, Lenin“ hat er sich hierzulande einen Namen gemacht, international gelang ihm der Durchbruch mit Produktionen wie „Inglorious Basterds“ und „Rush“.

Rosamund Pike ist Britin und auf der Bühne ebenso erfolgreich wie vor der Kamera. Sie wurde als Bond-Girl bekannt und erhielt eine Oscar-Nominierung für ihre Rolle in David Finchers „Gone Girl“.