Viel Grün ist schön, doch es muss auch im Zaum gehalten werden: Grundstückseigentümer sind zur Pflege verpflichtet. Foto: apcefoto/fotolia.com Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Otto Eisenhardt ist sauer. Der 86-Jährige hat eine Streuobstwiese im Esslinger Norden, in die er und seine Familie viel Arbeit stecken. Auf dem Nachbargrundstück hingegen passiert gar nichts: Seit Jahren werde dies nicht gepflegt, beschwert sich Eisenhardt. Tatsächlich ist die Fläche komplett überwuchert, inzwischen hat die Stadt die Besitzer schon zu einer besseren Pflege aufgefordert - bislang ohne Erfolg. Das ist kein Einzelfall. Pro Jahr muss die Verwaltung bei 250 bis 300 verwilderten Grundstücken aktiv werden.

Allerdings darf sich die Stadt nur einschalten, wenn eine öffentliche Fläche von dem Wildwuchs betroffen ist. Das ist beim Nachbargrundstück von Eisenhardt der Fall: Zwischen seiner Wiese und der überwucherten Fläche gehört ein etwa ein Meter breiter Streifen der Stadt. Hier befindet sich ein Wasserlauf, über den die weiter oben liegenden Flächen entwässert werden. Doch wegen der mangelnden Pflege des angrenzenden Grundstücks müssten die Mitarbeiter der Stadt alle paar Wochen Pflanzen zurückschneiden, um den Wasserlauf frei zu halten: „Das bedeutet für uns einen deutlich höheren Aufwand“, sagt der Stadtsprecher Roland Karpentier - und damit natürlich auch höhere Kosten.

Nachbargrundstück ist tabu

Zumal die Stadt auch nicht radikal zurückschneiden darf, um erst einmal Ruhe zu haben: „Wir dürfen nur bis zur Grundstücksgrenze schneiden“, sagt Karpentier. Die Nachbarfläche dürfe noch nicht einmal betreten werden. Es sei denn, es sei Gefahr im Verzug, also wenn dort zum Beispiel Fässer mit Öl lägen oder entsorgte Elektrogeräte.

Das Prozedere bei verwilderten Grundstücken ist laut Karpentier klar geregelt: Wenn die Stadt von einem Areal erfahre, von dem Pflanzen auf öffentliche Flächen herüberwuchern, werde der Eigentümer zunächst in einem Schreiben darauf hingewiesen und aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Passiere dann immer noch nichts, gebe es ein zweites Schreiben. In diesem weise die Stadt dann auf die Möglichkeit hin, ein Zwangsgeld gegen den Grundstücksbesitzer zu verhängen, das üblicherweise mehrere hundert Euro betrage.

Das zeige oft Wirkung: „In den meisten Fällen reicht die Androhung eines Zwangsgeldes aus, damit die Leute das Grundstück pflegen“, sagt Karpentier. Wenn nicht, könne die Verwaltung als letztes Mittel eine sogenannte Ersatzvornahme veranlassen, also eine Firma damit beauftragen, die Pflanzen zurückzuschneiden und das dem Grundstücksbesitzer in Rechnung stellen. Schließlich müsse die Kommune für die Verkehrssicherheit sorgen. „Das ist aber die absolute Ausnahme“, betont Karpentier. In der Tat: In den vergangenen Jahren habe es überhaupt keine Ersatzvornahme in Esslingen gegeben, heißt es aus dem Ordnungsamt. Insgesamt sei das Thema im Vergleich zu anderen Kommunen auch kein übermäßiges Problem. „Aber es sorgt für Unmut, Ärger und Belästigung“, sagt Karpentier.

Bei rein privaten Grundstücken gestaltet sich die Sache noch etwas schwieriger. Wenn jemand sich durch die mangelnde Pflege eines Nachbargrundstücks gestört fühlt, muss er laut dem Nachbarschaftsgesetz selbst Kontakt mit dem Besitzer aufnehmen - die Stadtverwaltung habe da keine Handhabe, erklärt Karpentier. Generell sei jeder Eigentümer verpflichtet, sein Grundstück zu pflegen, allerdings könne die Definition von Pflege sehr variieren. Was der eine als naturnah ansehe, sei für den anderen schon verwildert.

Apropos Pflege: Wer plant, auf seinem Grund und Boden größere Rückschnitte vorzunehmen oder Bäume zu fällen, sollte sich sputen. Denn das ist nur während der Vegetationsruhe erlaubt, die Anfang November beginnt und noch bis Ende Februar dauert. Ab März könnten nämlich im Zweifelsfall brütende Vögel durch solche Arbeiten gestört werden, erklärt Stadtsprecher Karpentier.

Pflicht zur Pflege

Zuständigkeit: In der Stadtverwaltung sind beim Thema überwucherte Grundstücke verschiedene Anlaufstellen verantwortlich. So ist das Grünflächenamt zwar generell für den Unterhalt der Grünflächen zuständig, die Pflege entlang von Bachläufen hingegen obliegt dem Tiefbauamt. Wenn es allerdings darum geht, einen Bürger zur Pflege seines Grundstücks aufzufordern, kommt wieder ein anderes Amt ins Spiel: Dafür ist nämlich das Baurechtsamt zuständig.

Pflege: Zwar gibt es laut dem städtischen Pressesprecher Roland Karpentier keine festgelegten Kriterien dafür, ab wann ein Grundstück als ausreichend gepflegt gilt. Doch laut Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz gilt zumindest für landwirtschaftliche Flächen immerhin Folgendes: Besitzer landwirtschaftlicher Flächen müssen ihre Grundstücke bewirtschaften oder so pflegen, dass sie entweder ordnungsgemäß beweidet sind oder aber mindestens einmal im Jahr gemäht werden. Zudem muss laut dem Gesetz gewährleistet sein, dass die Nutzung benachbarter Grundstücke nicht unzumutbar erschwert wird - vor allem nicht durch schädlichen Samenflug.

Konsequenzen: Das Gesetz sieht zudem die Möglichkeit vor, Grundstücksbesitzer mit einer Geldbuße zu belegen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nachkommen. Allerdings heißt es aus dem Ordnungsamt, dass die Stadt nicht die rechtliche Möglichkeit habe, eine Pflege des jeweiligen Grundstücks zu erzwingen - zumal das Amtsgericht Esslingen in solchen Fällen keinen Handlungsbedarf sehe. Deshalb müssten Betroffene im Zweifelsfall zivilrechtliche Schritte in Betracht ziehen und ihre Ansprüche gegebenenfalls auf privatrechtlichem Wege geltend machen.