Nach der Vorstellung in Esslingen kommen die Einzelteile des Bühnenbilds in den Lastwagen. Am nächsten Morgen geht es auf Tour. Quelle: Unbekannt

„Gut, dass es die Landesbühne gibt. Sonst könnten wir hier keine professionelle Schauspielkunst bieten.“

Das Technik-Team der Württembergischen Landesbühne (WLB) Esslingen steht nach der Vorstellung von Ulrike Grotes „Die Kirche bleibt im Dorf“ schon bereit. Gegen 21.10 Uhr werden Kulissen in den Lastwagen am Bühneneingang gepackt. Das knallgelbe Gerüst für das Gotteshaus kommt ebenso in den Lastwagen wie die ungezählten Requisiten, die in Kisten verpackt werden. Damit bei den Vorstellungen in Stadthallen oder anderen Sälen alles leicht zu finden ist, braucht die Requisite ein perfektes Ordnungssystem.

Am nächsten Morgen starten die Techniker schon um 10.30 Uhr von Esslingen ins 113 Kilometer entfernte Ilshofen. Die Schauspieler, Requisite und die Maske kommen nachmittags mit dem Bus. Vor der Stadthalle beim historischen Stadttor angekommen, gönnen sich Thomas Eisenbeiß und sein Technik-Team nur schnell einen Kaffee. Dann beginnt auch schon der Aufbau der schrägen Bühne. Das ist aufwändig, weil sich die Spieler viel auf der Schräge bewegen.

„Die Halle in Ilshofen hat eine ganz gute Ausstattung“, findet Eisenbeiß. In die aufwändige Hallensanierung waren auch auch Experten der WLB eingebunden. Allerdings reicht für diese Inszenierung die Beleuchtung nicht aus und die Esslinger bringen zusätzliche Scheinwerfer mit. „Wir haben bei all unseren Abstechern die komplette Technik dabei, falls mal etwas ausfällt“, sagt Eisenbeiß. Am nächsten Tag fahren er und sein Team nach Isny im Allgäu, „da sind die Bedingungen schwieriger.“ Das fordert ihn und sein Team noch stärker heraus. Stundenlang schleppen Ralf Beutel, Janos Kincses und Klaus Mohr Kisten, schweißen das Metallgerüst für die Schräge zusammen und bauen das gelbe Gerüst für die Kirche wieder auf. Die soll in Grotes Stück von einem geldgierigen Amerikaner gekauft werden - aber die cleveren Dörfler wissen das zu verhindern. Lässt sich die fantasievolle Technik, die Bühnenbildnerin Judith Philipp ersonnen hat, denn so einfach auf die Stadthallenbühne übertragen? „Nur der Engel schwebt nicht von oben herab“, bedauert Eisenbeiß. Denn dafür fehlt der Ilshofener Bühne Tiefe.

Silvio Urbiks hat im hinteren Teil des Saals eine Tontechnik aufgebaut. „Relativ überschaubar in dieser Produktion“, bemerkt er lächelnd. „Bei einem Musical müsste ich mehr mitnehmen.“ Dennoch stellen die schwäbischen Songs im Stück von Grachmusikoff und die Band um Oliver Krämer den Tontechniker vor Herausforderungen. Später treffen die Schauspieler, das Masken-Team und die Requisite ein. Die Inspizienz und Abendspielleitung übernimmt Regieassistent Kolja Buhlmann. Ruhig geht der Theatermann mit den Teams durch, was noch zu tun ist.

Nach der Ankunft schauen sich die Spieler die Bühne an. „Wie sollen wir da mit unserem Karren fahren“, rätselt Felix Jeiter. Später probiert er mit seiner Kollegin Sabine Bräuning aus, wie man das Gefährt am besten über die Bühne bugsiert, die enger ist als im Schauspielhaus der WLB. Der Praxistest klappt perfekt. „Wir finden immer einen Weg“, sagt Jeiter und lacht.

Weil die Garderoben der Ilshofener Stadthalle für das stattliche Ensemble zu eng sind, weichen die Maskenbildnerinnen auf Abstellräume aus. Zwischen Regalen stehen Perückenköpfe, Spiegel und Schminkutensilien. „Wir haben einen genauen Plan, wer wann in die Maske kommt und was zu tun ist“, erklärt Kerstin Schallenberg. Sie zeigt eine eng beschriebene Liste. Mit ihren Kolleginnen verwandelt sie die Spieler in die Figuren, die sie verkörpern. Der straffe Zeitplan ist für die drei kein Problem, auch wenn die Frisuren sehr aufwändig sind. Das gilt auch für die Kostüme und für die Requisite. Vom rosa Stoffschweinchen über Erdbeermarmelade für das künstliche Blut des Engels bis hin zu Weinflaschen für den versoffenen Dorfgeistlichen steht alles hinter der Bühne bereit.

Ganz unterschiedlich bereiten sich die Spieler auf die Vorstellung vor. Christian A. Koch geht spazieren, Sofie Alice Miller konzentriert sich mit Yoga-Übungen. Reinhold Ohngemach sitzt ruhig im Zuschauerraum. Er wechselt die Perspektive, denkt nach.

Bürgermeister Roland Wurmthaler schenkt im Foyer schon Sekt und andere Getränke aus. Er stellt sich mit seinem Team auch in der Pause an die elegante rote Rundtheke im Foyer. Lässig mixt er Aperol Spritz und gibt im nächsten Moment Wechselgeld heraus. „Die WLB ist unser Theater“, schwärmt der Verwaltungschef von der langen Zusammenarbeit. Wurmthaler ist froh, „dass es die Landesbühnen gibt, denn sonst könnten wir den Menschen hier keine professionelle Schauspielkunst bieten.“

Ilshofen mit seinen weit verzweigten Stadtteilen liegt zwischen Crailsheim und Schwäbisch Hall. Im Winter sorgen kulturtreibende Vereine zwar für ein abwechslungsreiches Programm, aber Schauspielkunst gehört für Wurmthaler einfach zur kulturellen Bildung. Als Vertreter der kleinen Bühnen sitzt er im Vorstand der Württembergischen Landesbühne.

Wie nehmen die Zuschauer das Angebot der Abstecherbühne an? „Abos verkaufen wir nur wenige, aber viele Vorstellungen sind sehr gut besucht.“ Gerade mal zehn von fast 300 Plätzen sind an diesem Abend noch frei. „Wir haben ein konservatives Publikum“, findet Wurmthaler. Aus seiner Sicht meistert Intendant Friedrich Schirmer den Spagat zwischen anspruchsvoller Ästhetik und guter Unterhaltung prima - wie schon seine Vorgänger. Stücke, die als Sternchenthema im Abitur auftauchen, kauft die Stadt Ilshofen ebenso ein wie Musiktheater. „Aber wir wagen auch was.“ Robert Seethalers „Der Trafikant“ war ebenso zu erleben.

Nach der Vorstellung stehen die Spieler mit Zuschauern im Foyer. Peter Kaghanovitch, der den Pfarrer spielt, ist ohne Elvis-Tolle und mit Brille kaum zu erkennen. „Es ist schön, wenn man die Schauspieler in verschiedensten Rollen erlebt“, schwärmt Wurmthaler. Er plaudert noch schnell mit Ensemblemitglied Frank Ehrhardt: „Wann sind Sie denn wieder in Ilshofen?“