Seit die PiS die absolute Mehrheit gewann, gibt es immer wieder Demonstrationen gegen die Politik der Regierung - wie hier in Warschau. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Moritz Osswald

Wenn es um die Frage geht „Was ist los in Polen?“, können selbst Experten keine eindeutige Antwort geben. Aber sie diskutieren engagiert darüber und kommen zur Erkenntnis, dass die Zukunft Polens ohne EU schwierig und ungewiss wäre. Was ist also los in Polen seit den Parlamentswahlen im Oktober 2015? wollte die Friedrich-Ebert-Stiftung von den Diskutanten auf dem Podium wissen. Allerdings wurde der eigentliche Anlass der Veranstaltung, die umstrittene Justizreform der polnischen Regierung, kaum diskutiert. Die Situation Polens und der EU sowie die Flüchtlingskrise überschatteten alles andere.

Die knapp 90 Besucher im gut gefüllten Saal des Salemer Pfleghofs waren vielfach selbst polnischer Herkunft oder hatten einen persönlichen Bezug zu dem Land. Der einführende Vortrag von Agnes Laba, Historikerin an der Bergischen Universität Wuppertal, ließ die Brisanz erahnen. Nicht erst die Parlamentswahlen, sondern bereits die Präsidentschaftswahl im Mai 2015 stellen ihrer Ansicht nach eine Zäsur in der polnischen Politik dar: „Das war kein Machtwechsel, sondern eher ein Systemwechsel.“ Laba übte harsche Kritik an den Entwicklungen, seit die konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die absolute Mehrheit gewann. Die Partei trage maßgeblich zur Spaltung der polnischen Gesellschaft bei. Daraufhin wurde die Stimmung im Saal emotionaler. Einige Gäste stimmten nickend zu, andere schüttelten den Kopf.

Die Polarisierung der Gesellschaft war ein zentrales Thema der Diskussion. Sowohl auf dem Podium als auch im Publikum war man sich einig, dass diese zugenommen habe und man etwas dagegen tun müsse. „Die politische Temperatur steigt. Es wird immer emotionaler“, meinte Generalkonsul Andrzej Osiak. Nicht nur die Gesellschaft, auch die Medienlandschaft spalte sich zunehmend - das war Konsens in der Runde.

Weniger Einigkeit an anderer Stelle: Osiak kritisierte, dass es in Polen keine staatliche Zeitung gebe. Janusz Witt, Vorsitzender der Bonhoeffer-Gesellschaft in Polen, liest hingegen regierungskritische Zeitungen und hofft, dass es diese auch in Zukunft noch geben werde. Aus dem Publikum dasselbe Bild: Eine emotional aufgewühlte Polin bezeichnete die Abendnachrichten im Fernsehen als „PiS-Nachrichten“. Eine andere Frau nannte eine eher regierungsfreundliche Zeitung „Wahrheitszeitung“.

Auch in der Diskussion um die Flüchtlingsfrage prallten die Meinungen aufeinander. Heide Rühle, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, plädierte für eine komplette Abschaffung des Dublin-Abkommens, das die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der europäischen Staaten regelt. Janusz Witt hob die christlichen Werte des katholischen Polens hervor und zeigte sich fassungslos darüber, dass Polen nicht bereit zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge sei. Generalkonsul Osiak hingegen pochte darauf, ein Land müsse das Recht haben, so etwas freiwillig entscheiden zu dürfen.

Auch das Verhältnis der PiS zur EU war ein Streitpunkt. Osiak behauptete, die Regierungspartei sei nicht europaskeptisch oder gar europafeindlich. Er führte außerdem an, er sehe keine reale Bedrohung der Demokratie in Polen. Daraufhin fragte ihn eine Frau aus dem Publikum, ob er wirklich seine eigene Meinung vertrete, oder einfach Angst habe. Witt hingegen sieht die Demokratie durchaus gefährdet und meinte: „Meine Hoffnung ist der Stimmzettel.“ Die gemeinsame Zukunft Polens und der EU kam auch nicht zu kurz. Rühle konstatierte, dass wachsender Rechtspopulismus nicht nur ein europäisches Phänomen sei und verwies auf die USA und deren Präsidenten Donald Trump. Für Janusz Witt hat die EU eine grundsätzliche Bedeutung für sein Land: „Ohne die EU wird Polen keine Zukunft haben.“ Zur eigenen Meinung stehen, auch wenn diese nicht im Sinne der Regierung ist, dazu rief Frieder Birzele auf. Der ehemalige baden-württembergische Innenminister und Mitglied der Deutsch-Polnischen Gesellschaft hofft für die Zukunft Polens auf eine starke Linke.