Auf dem ehemaligen Danfoss-Areal möchte Daimler eine doppelstöckige Halle errichten lassen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Dass die Stadtverwaltung auf dem Danfoss-Areal Neubauten genehmigen will, bevor das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen ist, befremdet den Bürgerausschuss Pliensauvorstadt.

ES-Pliensauvorstadt Wer ein Haus bauen will, kann es nicht einfach irgendwo auf die grüne Wiese setzen. „Es braucht einen Bebauungsplan, und man braucht alle Genehmigungen – und zwar, bevor man anfängt zu bauen“, sagt Helga Renner, eine der beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Bürgerausschusses (BA) Pliensauvorstadt. Umso erstaunter sind die Mitglieder des Bürgerausschusses, dass die Uhren auf dem Danfoss-Areal anders ticken sollen. Dort will der Investor Greenfield Development für die Daimler AG eine doppelstöckige Halle sowie ein Bürogebäude und ein Parkhaus mit rund 250 Stellplätzen bauen. „Die Stadt hält das für genehmigungsfähig, obwohl das Bebauungsplanverfahren noch überhaupt nicht abgeschlossen ist“, sagt der stellvertretende BA-Vorsitzende Frank Limberger.

Für das Gewerbegebiet am Rand der Pliensauvorstadt existiert zwar ein Bebauungsplan-Vorentwurf, der 2017 vom Ausschuss für Technik und Umwelt (ATU) abgesegnet worden ist. Da die Produktionshalle die darin festgelegte Höhe überschreitet und die Gebäude nicht ins vorgegebene Baufenster passen, „gibt es einen neuen Bebauungsplan-Entwurf“, bestätigt Esslingens Erster Bürgermeister Wilfried Wallbrecht.

Vollendete Tatsachen?

Dieser Entwurf soll Ende März im ATU und Anfang April im Gemeinderat beschlossen werden, hat der Bürgerausschuss von der Stadtverwaltung erfahren. „Zu diesem Zeitpunkt sind auf dem Danfoss-Areal aber aller Voraussicht nach schon vollendete Tatsachen geschaffen worden“, erklärt Frank Limberger. „Denn wir wissen aus sicherer Quelle, dass man Anfang März mit dem Daimler-Bau beginnen will.“ Dass der Gemeinderat „im Hau-Ruck-Verfahren“ ein Projekt beschließen soll, „bevor es von allem Seiten geprüft worden ist, ist für uns absolut unverständlich“. Besonders befremdet haben ihn und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter, dass die Verwaltung den neuen Bebauungsplan erst Ende April oder Anfang Mai öffentlich auslegen will. „Ich halte es für mehr als grenzwertig, dass die Verwaltung die Bevölkerung erst einbeziehen will, wenn die Neubauten bereits stehen“, sagt BA-Mitglied Matthias Hendel. „Mit einem offenen Verfahren und Transparenz hat diese Vorgehensweise überhaupt nichts zu tun“, unterstreicht Frank Limberger. „Und auch das Prinzip des Mitredens und -denkens, auf dem die Esslinger Bürgerausschüsse basieren, wird hier von Verwaltung ausgehebelt.“

Zudem geht es nicht nur um die Gebäude auf dem Danfoss-Areal. „Der neue Betrieb bringt jede Menge zusätzlichen Verkehr in unseren Stadtteil“, sagt BA-Mitglied Pete Röttgen. Denn zum einen müssen die rund 330 Daimler-Mitarbeiter, die im Zwei- beziehungsweise Drei-Schicht-Betrieb in der Montagehalle Werkzeuge herstellen sowie in der IT-Abteilung arbeiten, zu ihrem Arbeitsplatz kommen. Zum anderen muss der Werkzeugbau beliefert werden. Die Stadtverwaltung hat dem BA mitgeteilt, dass täglich mit zwei bis drei 40-Tonnen-Lastern, zehn Zwölftonnern sowie rund 25 Sprintern zu rechnen sei. Damit der Schwerlastverkehr ungestreift durchkommt, sollen die Parkplätze an der Eberhard-Bauer-Straße wegfallen. Die Stuttgarter Straße will die Verkehrsbehörde für Laster sperren. „Aber das soll erst ab zwölf Tonnen gelten“, sagt Pete Röttgen. „Die Bürger in der Pliensauvorstadt befürchten, dass unsere eh schon vollen Straßen durch den Lieferverkehr noch voller werden“, berichtet Frank Limberger, der nicht grundsätzlich gegen die Wiederbelebung des Danfoss-Areals ist. „Aber hier stimmt einfach die Reihenfolge nicht. Zuerst muss es einen Plan für den Verkehr geben, erst dann kann gebaut werden.“ Dass die Stadt sich die Option offen hält, den Verkehr eines Tages über eine Stichstraße durch die Felder aufs Danfoss-Areal zu leiten, ist für den Bürgerausschuss keine Lösung. „Diese Straße würde die landwirtschaftlichen Flächen zerschneiden. Und die sind viel zu wertvoll“, erklärt Matthias Hendel.

Da das Gewerbegebiet an der B 10 liegt, gibt es für den Bürgerausschuss nur eine Lösung: „Das Danfoss-Areal muss direkt an die Bundesstraße angeschlossen werden, und zwar so, dass man sowohl ausfahren, als auch wieder auf die B 10 auffahren kann“, erläutert Pete Röttgen, der sich intensiv mit dieser Möglichkeit beschäftigt hat. „Vom Platz her wäre das machbar, und eine derartige Lösung kann man sich auch anschauen, wenn man auf der B 10 Richtung Stuttgart fährt.“ Dass das Regierungspräsidium – wie von der Verwaltung gegenüber dem Bürgerausschuss immer wieder angeführt wird – einer neuen Ausfahrt nichts abgewinnen kann, ficht die BA-Mitglieder nicht an. Dank intensiver Recherche weiß man inzwischen, „dass das Regierungspräsidium gar nicht die genehmigende Behörde ist“, sagt Frank Limberger „Die Stadt hat uns gegenüber die Fakten verzerrt. Die Verlegung der bisherigen Ausfahrt Pliensauvorstadt wäre schon jetzt genehmigungsfähig. Das könnte der Gemeinderat beschließen.“ Deshalb fordern die Stadtteilvertreter die Verwaltung auf, in Sachen B-10-Anschluss nochmals aktiv zu werden. Allzu viel Zeit dürfe man sich im Technischen Rathaus aber nicht lassen. „Man kriegt die Kuh nur vom Eis, so lange das Autohaus Hahn, das ja ebenfalls aufs Danfoss-Areal ziehen will, noch nicht angefangen hat zu bauen.“

Es Kommentiert: Dagmar Weinberg

Um eines gleich vorweg zu sagen: Gegen weitere Arbeitsplätze auf dem Danfoss-Areal hat der Bürgerausschuss ebenso wenig einzuwenden, wie gegen die seit einigen Jahren laufende Wiederbelebung des Gewerbegebiets – auch wenn sich die Stadtteilvertreter von Anfang an gewünscht haben, dass örtliche Kleinbetriebe dort ebenfalls zum Zug kommen. Neues Gewerbe und neue Arbeitsplätze generieren aber mehr Verkehr. Dazu ist von der Stadtverwaltung bisher jedoch nicht allzu viel zu hören. So warten die Bewohner der Pliensauvorstadt seit sechs Jahren darauf, dass das Tempo-30-Versprechen für die Stuttgarter Straße eingelöst wird.

Auch auf die Frage, wie das Danfoss-Areal besser an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden und so zumindest der Berufsverkehr reduziert werden kann, gibt es keine Antwort. Statt Entlastung droht dem Stadtteil durch das neue Daimler-Werk sogar zusätzlicher Schwer- und Lieferverkehr. Da hilft es denn wenig, wenn Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht darauf verweist, dass andere Straßen in Esslingen noch stärker belastet sind. Der Ruf des Bürgerausschusses nach einem Verkehrskonzept, bei dem auch die Option einer direkten Anbindung des Gewerbegebiets an die B 10 noch einmal geprüft wird, darf nicht verhallen.
Erst recht dürfen Stadtverwaltung und Gemeinderat aber nicht die Ohren verschließen, wenn es um die Kritik des Bürgerausschusses am Bebauungsplanverfahren geht. Dass man unter Zeitdruck steht, darf nicht dazu verleiten, die Öffentlichkeit erst einmal außen vorzulassen und sie unter Umständen gar vor vollendete Tatsachen zu stellen. Selbst wenn die Bauverwaltung eine „legale und sattelfeste“ Lösung findet, um einen schnellen Baubeginn zu ermöglichen, gehört es zur politischen Hygiene, den im Baugesetzbuch vorgegeben Pfad nicht zu verlassen. So viel Zeit muss sein.
Zwar wird die Verwaltung auch in der Pliensauvorstadt nicht sämtliche Bedenken ausräumen und jeden Wunsch erfüllen können. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Interessen des Investors vor die der Bürgerinnen und Bürger zu stellen, ist sie aber gut beraten, die demokratischen Spielregeln einzuhalten.