Außer Gefecht gesetzt: Der Aufzug zur Bahnhofsunterführung sorgt immer wieder für Ärger bei den Fahrgästen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Christian Dörmann

Die Mitteilung, wie sie heute am späten Nachmittag von der Bahn verbreitet wurde, liest sich wie eine amtliche Bekanntmachung: „Esslinger Weihnachts- und Mittelaltermarkt: Erreichbarkeit für mobilitätseingeschränkte Personen.“ Es geht natürlich um den Aufzug an der Esslinger Bahnhofsunterführung, welcher bekanntlich während der Zeit des Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarktes nicht funktionieren wird.

Und es geht um einen Ausweg aus dem Dilemma – zumindest aus Sicht der Bahn. Wer gehbehindert ist, im Rollstuhl sitzt der mit dem Kinderwagen unterwegs ist, muss an den Bahnhöfen Obertürkheim oder Esslingen-Zell auf Busse umsteigen, um barrierefrei in die Esslinger Innenstadt zu gelangen. Und: Zusätzliches Personal soll die Reisenden vor allem nachmittags und in den Abendstunden am Esslinger Bahnhof unterstützen.

„Bedürfnisse ignoriert“

Der Druck auf die Deusche Bahn wegen des Aufzugs zur Unterführung am Bahnhof, der während des Mittelalter-und Weihnachtsmarktes mit rund einer Million Besuchern nicht zur Verfügung stehen wird, hat in den vergangenen Tagen stetig zugenommen. Am Dienstag hatte sich Oberbürgermeister Jürgen Zieger mit einem geharnischten Brief an Bahnchef Richard Lutz gewandt und seinem Unmut deutlich Luft gemacht (die EZ berichtete). Heute hat nun der Esslinger CDU-Bundestagsabgeordnete Markus Grübel bei demjenigen vorgesprochen, der für die Bauarbeiten am Esslinger Bahnhof verantwortlich zeichnet. „Es kann nicht angehen, dass die Bahn die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Personen derartig ignoriert und vernachlässigt“, hat Grübel dem Leiter des Regionalbereichs Südwest der DB Station&Service AG, Michael Groh, vorgehalten. Besonders ärgerlich findet der Abgeordnete die Art und Weise, wie die Bahn das Thema in der Öffentlichkeit behandelt: „In einer solchen absoluten Krisensituation muss die Bahn proaktiv und nicht ausschließlich reaktiv kommunizieren. Hier muss die Bahn dringend ihr Verhalten ändern. Die gefühlt unendliche Geschichte von den dauerdefekten Aufzügen ist wirklich schon schlimm genug, da sollte man nicht durch schlechte Kommunikation einen draufsetzen.“

Was jetzt als Lösung des Problems von der Bahn angeboten wird, ist der Verweis auf die Bahnhöfe Obertürkheim und Zell mit Umsteigemöglichkeiten in Busse. Nur so können mobilitätseingeschränkte Personen die Esslinger Innenstadt und den Weihnachtsmarkt barrierefrei erreichen. Die genauen Verbindungen zwischen Bahnen und Bussen finden sich unter dem am Ende des Beitrags angegebenen Internet-Adresse. An den Bahnhöfen Obertürkheim und Zell werden Schilder auf die Busse hinweisen. Der zweite Teil des Angebots umfasst zusätzliches Personal, das vom 27. November an am Esslinger Bahnhof zur Verfügung stehen soll, um Reisenden mit schwerem Gepäck oder beim Bezwingen der Treppen zu helfen.

„Diese Unterstützungsdienste lösen das Problem der nicht barrierefreien Überwindung der Bahnunterführung allerdings nur bedingt“, äußerte sich Oberbürgermeister Jürgen Zieger gegenüber der EZ . „Wir gingen bei den Planungen des Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarktes mit rund einer Million Gästen fest davon aus, dass der Umstieg von Bahn auf Bus am Hauptbahnhof ab der Vorweihnachtszeit wieder barrierefrei funktioniert. Ich vertraue jedoch in die Deutsche Bahn, dass sie ihren Ansprüchen gerecht wird“, so die Erwartungen des OB.

Auch Markus Grübel setzt sich für eine „echte“ Barrierefreiheit am Esslinger Bahnhof ein und kündigt an, das Projekt noch enger als bisher zu begleiten. Regelmäßig will sich der Abgeordnete von den Verantwortlichen der Bahn über Baufortschritt, Zeitplan, eventuell auftretende Probleme und deren Lösung informieren lassen.

Übrigens: Am Adventswochenende vom 2. bis zum 3. Dezember wird sich die Situation auf der S-Bahnlinie S1 noch verschärfen. Denn wegen Arbeiten an den Signalanlagen werden unter anderem die Stationen Obertürkheim und Mettingen nicht bedient und es gibt einen Ersatzverkehr mit Bussen.

Mehr Informationen zu den Bus- und Bahnverbindungen gibt es hier.

Kommentar

Nichts gelernt

Von Christian Dörmann

Heute wird ja gern aus jeder Mücke ein Elefant gemacht und schnell ist man mit dem Wort Skandal zur Stelle. Im Fall des Aufzugs am Esslinger Bahnhof ist der Begriff sehr wohl angebracht. Keineswegs nur, weil die Anlage ständig defekt ist und längst ein Dauerärgernis darstellt. Auch deswegen nicht ausschließlich, weil der Fahrstuhl während des Mittelalter- und Weihnachtsmarktes nicht zur Verfügung stehen wird. Sondern vor allem aus dem Grund, wie die Deutsche Bahn mit dem Problem in der Öffentlichkeit umgeht. Wer weiß, wie lange man das Thema noch unter der Decke gehalten hätte, wäre nicht die Zeitung dahinter gekommen.

Aus Fehlern lernt man - sollte man glauben. Doch was gestern die Redaktion in Form einer Pressemitteilung von der Bahn erreichte, ließ kaum den Einruck großer Lernbereitschaft aufkommen: Einige lapidare Sätze, kühl und sachlich, und mit Lösungsvorschlägen, die nun wirklich kein überbordendes Engagement in einer Notsituation erkennen lassen. Keine Entschuldigung, keine Bitte um Verständnis, kein bisschen Mitgefühl für die Sorgen und Nöte derjenigen, die am Esslinger Bahnhof nicht mehr weiter können.

Die Bahn hat etwas „gemacht“, weil der Druck in den vergangenen Tagen enorm zugenommen hat. Mehr aber auch nicht. Ob sie tatsächlich auch dahinter steht, was sie tut, ist nicht erkennbar. Die Menschen überzeugt man nicht mit ein paar Sätzen, die wie ein behördliches Schreiben anmuten, sondern doch wohl eher mit Herzblut und Engagement.

Losgelöst vom aktuellen Fall braucht Esslingen schnellstens und endlich eine Lösung, die Menschen mit Mobilitätseinschränkungen dauerhaft gerecht wird. Wir reden gern und viel über Inklusion, also über die gerechte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben. Und häufig scheitern wir schon in den Ansätzen. Zum Beispiel dann, wenn behinderte Menschen den Esslinger Weihnachts- und Mittelaltermarkt nur auf Umwegen und mit Strapazen erreichen können.