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Am Sonntag öffnen in Esslingen 60 Wahllokale für den Bürgerentscheid zur Stadtbücherei. Es geht darum, ob die Bibliothek im Pfleghof bleibt oder in einen Neubau umzieht.

EsslingenEtwa 70 000 stimmberechtigte Esslinger Bürgerinnen und Bürger haben am morgigen Sonntag die Möglichkeit, über die Zukunft ihrer Stadtbücherei abzustimmen. Soll sie am bisherigen Standort im Bebenhäuser Pfleghof zwischen Heu- und Webergasse bleiben, oder soll die Bibliothek, wie von einer knappen Mehrheit des Gemeinderats beschlossen, in einen Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse umziehen? Das ist die Frage, auf die es ankommt. Wer sein Kreuzchen bei „Ja“ setzt, entscheidet sich für den bisherigen Standort im Pfleghof. „Nein“ ist ein Votum für den Neubau.

Um 8 Uhr öffnen morgen die 60 Wahllokale in der Stadt. Dann bleibt bis 18 Uhr Zeit, die Frage auf dem Stimmzettel zu beantworten. Sie lautet: „Sind Sie dafür, dass die Esslinger Stadtbücherei am aktuellen Standort in der Heugasse modernisiert und erweitert wird und der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats für einen Neubau der Stadtbücherei am Standort Küferstraße/Kupfergasse aufgehoben wird?“ Zu vergeben ist nur ein Kreuzchen – entweder im Feld „Ja“ oder „Nein“. Abstimmungsberechtigt sind Deutsche und Unionsbürger, sofern sie das 16. Lebensjahr vollendet haben, mindestens drei Monate mit Hauptwohnsitz in Esslingen gemeldet und nicht von Wahlrecht ausgeschlossen sind. Ob des einfachen Wahlverfahrens wird die Auszählung der Stimmen morgen Abend wohl recht zügig über die Bühne gehen. Eventuell wird schon gegen 18.30 Uhr klar sein, wie die Abstimmung ausgegangen ist. Wer die Entwicklung der Auszählung live miterleben möchte, ist von 18 Uhr an ins evangelische Gemeindehaus am Blarerplatz zur öffentlichen Präsentation eingeladen.

Viele Briefwähler

Um den geltenden Gemeinderatsbeschluss für einen Neubau in der Küferstraße aufzuheben, genügt morgen nicht die einfache Mehrheit. Wenn die Stimmenmehrheit für „Ja“ oder „Nein“ mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten entspricht, ist der Bürgerentscheid im jeweiligen Sinne entschieden. Falls nicht, entscheidet der Gemeinderat erneut. Und bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit „Nein“ beantwortet. Eine hohe Wahlbeteiligung ist also wichtig, damit es am Ende tatsächlich auf eine Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger hinausläuft. Immerhin als ein Signal in diese Richtung darf die Zahl der Briefwähler gelten, die bereits abgestimmt haben: sie liegt deutlich höher als 6000 Stimmen.

Argumente und Emotionen: So lässt sich die Diskussion der vergangenen Monate zusammenfassen, nachdem sich der Esslinger Gemeinderat Mitte Juni vergangenen Jahres mehrheitlich für einen Neubau an der Küferstraße ausgesprochen hatte. Schon am Tag darauf brachte eine Initiative ein Bürgerbegehren auf den Weg, das von 11 187 wahlberechtigten Esslingerinnen und Esslingern per Unterschrift unterstützt wurde. Ein Quorum von 4876 Unterschriften hätte ausgereicht, um den ersten Bürgerentscheid in Esslingen zu erreichen. Das Interesse am Thema „Zukunft der Bücherei“ ist also groß, wie auch das EZ-Forum am vergangenen Montag mit etwa 400 Besucherinnen und Besuchern gezeigt hat.

Dabei wurden noch einmal die wichtigsten Argumente von beiden Seiten ausgetauscht. So verweisen die Neubau-Anhänger CDU, Grüne und FDP auf ein größeres Flächenangebot und mehr Flexibilität, auf Barrierefreiheit, niedrigere Baukosten, weniger Risiken bei fehlendem Denkmalschutz und auf die Chance, mit dem Neubau ein neues Kulturquartier schaffen zu können. Außerdem entfalle beim Neubau ein Ausweichquartier für die Zeit der Sanierung am jetzigen Standort.

Die Initiative für den Bebenhäuser Pfleghof wirbt hingegen mit dem einzigartigen Ambiente, sieht in der Kombination von historischen und neuen Gebäudeteilen ein differenziertes und zukunftssicheres Raumangebot, erkennt keine Probleme im Zusammenhang mit einem behindertengerechten Ausbau, zudem bezweifelt sie die Höhe von Mehrkosten, wie sie von der Stadtverwaltung errechnet worden sind. Und was eine Interimslösung angeht, würden Beispiele in anderen Städten zeigen, „dass solche Probleme mit festem Willen der Stadtverwaltung lösbar sind“. Ein weiteres Argument der Initiative lautet: „Wer sichergehen will, dass der Pfleghof als öffentlicher Ort für alle erhalten bleibt, muss die Stadtbücherei dort belassen.“

Am Abstimmungssonntag findet im evangelischen Gemeindehaus am Blarerplatz, Franziskanergasse 4, eine öffentliche Präsentation der eingehenden Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken statt. Alle Interessierten sind von 18 Uhr an dazu eingeladen.