Meist diskutiert der Gemeinderat nichtöffentlich über die neue Bücherei – Foto: Bulgrin - Bulgrin

Meist diskutieren Stadtverwaltung und Gemeinderat nichtöffentlich über die Zukunft der Esslinger Bücherei – nun luden sie die Bürger zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung ein. Im Alten Rathaus prallten die Meinungen aufeinander.

EsslingenFür den Esslinger Kulturbürgermeister Markus Raab ist es „ein glücklicher Umstand, dass wir nun vor der Entscheidung stehen, wie unsere Bibliothek der Zukunft aussehen soll“. Es gelte, diese Chance unabhängig vom Standort mit Mut und Zuversicht anzupacken. Vor der Sommerpause soll die Entscheidung fallen, wo die Stadt die Zukunft ihrer Bibliothek sieht: am angestammten Standort im Bebenhäuser Pfleghof, der um die Heugasse 11 erweitert werden würde, oder in einem Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse. Um den Bürgern auch einmal die Chance zu geben, sich über den Stand der Dinge zu informieren, lud die Stadtverwaltung zur Informationsveranstaltung ein. Dass in der Schickhardthalle viele Plätze frei blieben, obwohl die Zukunft der Bücherei zu den meistdiskutierten Themen in der Stadt gehört, lag nach Einschätzung vieler Besucher nicht zuletzt an der späten und wenig intensiven Werbung durch das Rathaus.

Markus Raab unterstrich die Bedeutung einer Bibliothek für die Stadtgesellschaft der Zukunft, während Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer die neue Konzeption präsentierte. Für eine zukunftsfähige Bibliothek seien 4000 Quadratmeter Programmfläche nötig, unter 3600 Quadratmetern lasse sich das Konzept nicht umsetzen. Beide sagten zu, nach der Standortentscheidung die Bürger bei der weiteren Planung zu beteiligen. Dabei schwebt ihnen ein so genannter „Design Thinking“-Prozess vor. Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs, die man ebenfalls aufs Podium gesetzt hatte, wurde nicht gefragt. Dafür stellten Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht und Oliver Wannek, der technische Leiter des Eigenbetriebs Städtische Gebäude, ihre planerischen Überlegungen vor. Sie erläuterten mögliche Grundrisse, verglichen Kosten, zeigten drohende Einschränkungen durch den Denkmalschutz auf und stellten die Vorzüge und Nachteile beider Standorte gegenüber. Zumindest die Verwaltung sieht Vorteile für einen Neubau an der Küferstraße, weil dort anders als beim Pfleghof mindestens 3696 Quadratmeter möglich wären. Gleichwohl räumte Wallbrecht im Laufe des Abends ein: „Ich kann mir vorstellen, dass an beiden Standorten eine sehr gute, zukunftsfähige Bibliothek möglich ist. In der Küferstraße ist jedoch eine etwas einfachere Realisierung möglich.“

Anja Flicker, Direktorin der Würzburger Stadtbibliothek, skizzierte die Anforderungen an Büchereien der Zukunft. Sie empfahl den Esslingern, bei allen Überlegungen die Bedürfnisse der Menschen vor Ort in den Mittelpunkt zu stellen und ihnen zuzuhören, damit die Bücherei ein Ort der Identifikation ist. Die Architektur müsse durch das daraus entstehende Konzept bestimmt werden. Es müsse dynamisch bleiben und sich immer weiter entwickeln. Deshalb müsse die Bibliothek der Zukunft räumlich möglichst flexibel sein.

Zukunft des Pfleghofs bleibt offen

In der anschließenden Diskussion gingen die Meinungen der Zuhörer auseinander. Trotz wiederholter Nachfragen machten Raab und Wallbrecht keine Zusagen zur Zukunft des Bebenhäuser Pfleghofs, sollte die Bücherei dort ausziehen. Raabs Antwort: „Wenn die Entscheidung für die Küferstraße fällt, wird der Gemeinderat über den Pfleghof entscheiden.“ Der Musikwissenschaftler Professor Ulrich Prinz hat Zweifel, dass der anvisierte Neubaustandort der Weisheit letzter Schluss ist. Mit Blick auf die nahe Musikschule fürchtet er, dass es nicht nur im geplanten Cafébereich, sondern auch im Büchereigebäude laut werden könnte. Raab sieht das nicht als Problem, weil es auch innerhalb der Bücherei lautere und ruhigere Bereiche geben werde. Außerdem sei es ein Vorteil für die Musikschüler, wenn sie die Wartezeit auf ihren Unterricht in der Bücherei verbringen könnten. Ulrike Gräter, selbst vielfach musikalisch engagiert, sieht in der Büchereientscheidung noch immer „eine Gleichung mit ungeheuer vielen Unbekannten“. Wenn sie die möglichen Grundrisse betrachte, habe sie den Eindruck, dass der modernisierte Pfleghof deutlich mehr Flexibilität bieten werde: Außerdem werde eine Bücherei in der Küferstraße wegen der beengten Baulücke nur auf wenigen Metern wahrnehmbar sein. Dagegen garantiere der Pfleghof in jedem Fall die angenehme Atmosphäre, die die Nutzer erwarten.

Ulrike Ehrmann, Buchhändlerin in der Küferstraße, riet allen Beteiligten, in der Bücherei-Debatte nicht von eigenen Belangen auszugehen, sondern gemeinschaftlich zu denken. Viele Händler in der Küferstraße seien für einen Neubau an dieser Stelle, weil er bessere Möglichkeiten biete. Dagegen fragt sich Roswitha Rostek, ob nach Lage der Dinge der versprochene große Wurf überhaupt möglich sei. Sie empfahl, nochmals grundsätzlich über den Standort nachzudenken. Sollte es keine bessere Alternative geben, bevorzugt sie den Pfleghof wegen seiner geschätzten Atmosphäre. Das sieht auch der profilierte Stadtplaner Frie demann Gschwind so, der nicht versteht, „weshalb man beim Pfleghof „immer nur die Probleme betont und gar nicht die tollen Chancen sieht, dort etwas Besonderes zu schaffen“. Der Pfleghof müsse öffentlich nutzbar bleiben: „Wir sollten die Bibliothek dort lassen und innovativ mit den Möglichkeiten umgehen.“

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