Christoph Mack, Andreas Jacobson, Jörg Freitag und Michael Belthle vom Fünfbisneun. Foto: Ambos - Ambos

Von Andrea Ambos

Ein Aufschrei der Empörung geht derzeit durch die sozialen Medien unter den Esslinger Jugendlichen: Das Fünfbisneun auf dem Lorchareal hat seine Pforten geschlossen – ob es je wieder öffnet, ist unklar. Anlass für diesen Schritt ist nach Aussage von Betreiber Michael Belthle ein jahrelanger zermürbender Streit mit dem Manager des benachbarten EcoInn-Hotels, Thomas Puchan.

„Die Beschwerden treten regelmäßig in den Sommermonaten auf“, stellt Michael Belthle fest. „Wenn es den Hotelgästen auf Grund der Hitze zu warm in ihren Zimmern wird und sie ihre Fenster öffnen, fühlen sie sich anscheinend durch unsere Gäste hier im Hof gestört“, erläutert der 34-Jährige. Hotelmanager Puchan beruft sich aber auch auf weiter greifende Beschwerden seiner Gäste: „Manchmal wummert der Bass bei Veranstaltungen anscheinend so laut, dass in einigen Zimmern der Boden vibriert.“ Das hält Belthle für überzogen: „Wir haben in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen zur Schalldämmung getroffen und sogar mit Herrn Puchan gemeinsam eine Höchstgrenze der Dezibelzahl festgelegt, die wir durch die seither eingebauten Limiter auch ganz genau einhalten“, weist Belthle die Vorwürfe zurück.

Dabei ist nicht einmal klar, ob sich die Hotelgäste von Veranstaltungen im Komma oder im Fünfbisneun belästigt fühlen. Die beiden Betriebe teilen sich sozusagen ihr Publikum. Wer das Komma besucht, geht meist auch im Fünfbisneun etwas trinken. Wer sich eine Zigarettenpause gönnt, steht oder sitzt auf den Bänken im Hof des Fünfbisneun, da nach Aussage von Andreas Jacobson vom Kreisjugendring Esslingen der Aufenthalt auf dem Weg entlang des Kanals seit einigen Jahren eingeschränkt ist. „Wenn das Fünfbisneun tatsächlich endgültig schließt, ist der Betrieb der kulturellen Arbeit im Komma unmittelbar in Gefahr“, stellt Jacobson fest.

Stein des jüngsten Anstoßes war das Best Off Festival in Kooperation mit der WLB. An sieben verschiedenen Veranstaltungsorten auf dem Lorchareal und rund um die Landesbühne traten an einem Samstag bis 23 Uhr Kleinkünstler aus der Region auf. Danach gab es eine Abschlussparty im großen Saal des Komma und wenig später massive Beschwerden seitens einiger Hotelgäste bei der Polizei. Auf Anfrage der Eßlinger Zeitung gab der Pressesprecher der Stadtverwaltung, Roland Karpentier, die Auskunft, dass insbesondere nach dieser Veranstaltung „Beschwerden über erhebliche nächtliche Ruhestörungen durch Veranstaltungen im Jugendhaus Komma“ eingegangen seien. Es handelte sich Karpentier zufolge „um Beschwerden von mehreren Übernachtungsgästen des Hotels EcoInn, die die Geschäftsleitung des Hotels an das Ordnungsamt weitergegeben hat. Die im gleichen Gebäude untergebrachte Gaststätte Fünfbisneun wurde im Zusammenhang mit diesen aktuellen Beschwerden nicht genannt, so dass von verschärften Kontrollen beziehungsweise einer Schließung des Lokals keine Rede sein kann.“

Belthle, Jacobson und der im Komma für Veranstaltungen und Projekte verantwortliche Jörg Freitag sagen jedoch: „Uns wurde gesagt, dass wir in Zukunft die polizeilichen Verordnungen zur Einhaltung nächtlicher Ruhe zu hundert Prozent einzuhalten haben und es wurde eine Verschärfung der Kontrollen angekündigt“, beteuern Belthle und Freitag. Jacobson sieht für einen Weiterbetrieb des Fünfbisneun und damit für die Sicherstellung des bisherigen kulturellen Betriebs auf dem Lorchareal verschiedene Lösungsansätze: „Das Ordnungsamt sollte sich wie bisher bei der Einhaltung der Ruhezeiten ab 23 Uhr tolerant zeigen. Eventuell müsste die Stadtverwaltung auch über den Einbau einer Klimaanlage im Hotel nachdenken, damit die Gäste ihre Fenster auch im Sommer geschlossen halten können“, überlegt Jacobson.

Und schließlich stellt er eine Veränderung unter den Hotelgästen fest: „Ursprünglich war das EcoInn als Jugendhotel geplant“, bemerkt Jacobson. Seiner Meinung nach wird es jedoch längst überwiegend von einer älteren Zielgruppe mit unterschiedlichen Interessen frequentiert. „Vielleicht hätten wir weniger Beschwerden wenn sich das Hotel wieder verstärkt um eine jüngere Klientel bemühen würde“, fügen auch Belthle und Freitag hinzu.

Beide betonen vehement die besondere Bedeutung des Fünfbisneun als Anlaufstelle für Jugendliche ohne Konsumzwang, die andernfalls nach Stuttgart abwandern würden und denen ein wichtiger Ort für die Sozialisation abhanden käme, würde das Fünfbisneun geschlossen. „Wo ist denn noch Platz für junge Menschen, wenn sie von den wenigen Einrichtungen wie dem Fünfbisneun vertrieben werden?“, fragt sich auch Christoph Mack von der Projektgruppe Tante Gerda, die der Verdrängung junger Menschen aus dem öffentlichen Raum in Esslingen entgegenwirken will. Während man bei der Stadtverwaltung scheinbar in Unkenntnis der Homepage des Fünfbisneun derzeit davon ausgeht, dass die Kneipe ebenso wie das Komma wegen der Sommerferien traditionell im August geschlossen ist weist Pressesprecher Roland Karpentier andererseits auf eine neue Sachlage hin: „Aufgrund der aktuellen Beschwerden wird es jetzt auf der Ebene der Geschäftsleitung des Hotels ECOINN und der Amtsleitung des Ordnungs- und Standesamtes nach den Sommerferien neue lösungsorientierte Gespräche geben.“ Hotelmanager Puchan zeigt sich weiteren Gesprächen gegenüber weniger aufgeschlossen. Er fühlt sich vom Ordnungsamt und der Verwaltung nicht genügend unterstützt. „Nach sieben Jahren unzähliger Bemühungen und Verhandlungen möchte ich jetzt einfach Taten sehen“, stellt der 55jährige Manager fest. Die Betreiber von Komma und vom Fünfbisneun zeigen ihm zufolge „zu wenig Selbstkritik“.

Reaktionen im Internet

Das Thema treibt die Bürger auch in dem sozialen Netzwerk Facebook um, wo sie sich auf der Seite der Eßlinger Zeitung und der des Fuenf bis Neun äußerten.

Kaddy Lein: Riesen Sauerei! War immer wie heimkommen bei euch, wenn ich in Esslingen bin.

Joerg Freitag: Tatsache ist, dass so ein Haus wie das Komma nicht ohne funktionierende Bar vorstellbar ist. Das fuenfbisneun hat das Komma an 5 Tagen die Woche mit Leben erfüllt. Sowas wie ein Sommerfest auf dem Hof wird nicht mehr möglich sein. Und natürlich gefährdet dieses Hotel auch die Existenz des Kommas.

Thomas Henssler: Das Komma und das fuenfbisneun war und ist sicher immer noch für die Stadtkultur wichtiger als ein Hotel. Da sind einige Generationen groß geworden. Das geht vor.

Mahra Özdogan: Gibt es bereits eine Petition? Ohne das fuenfbisneun ist Esslingen ziemlich scheiße...
Felix Luz: Als ob das Hotel danach mehr Gäste hätte. 1 Mal die Woche bissl Party ist wohl schon zuviel für den braven enthaltsamen Esslinger Spiessbürger. Unfröhlich.

Johannes Debrezion: Wundere dich nicht Esslingen, wenn immer mehr Jugendliche gelangweilt in der Stadt herumlungern und aus Langeweile Straftaten begehen. Wenn man die wenigen Möglichkeiten der Begegnung und Sozialisierung abschafft, wird man irgendwann die Ernte tragen können müssen.