Schirin Brendel, Regina Lebherz und Barbara von Münchhausen (von links) lesen im Schwimmbad. Foto: Petra Weber-Obrock - Petra Weber-Obrock

Regen und Gewitter konnten die Dulk-Fans nicht davon abbringen, die Lesung seiner Texte durch drei Schauspielerinnen zu verfolgen. Tiefgehende Fragen blieben dabei jedoch offen.

EsslingenWer auf den Spuren Albert Dulks wandeln will, muss Unbill ertragen. Gelassen reagierten die Macherinnen der Lesung „Drei über Dulk“, als am Freitagabend im Vereinsbad des SSVE Esslingen auf der Neckarinsel ein heftiges Gewitter niederging. Die Schauspielerinnen Schirin Brendel, Regina Lebherz und Barbara von Münchhausen zogen mit ihren Texten und dem gesamten Publikum vom Rand des Schwimmbeckens unters Dach der Vereinsgaststätte um, auf das lautstark der Regen prasselte.

Genauso unbeirrbar hatte einst der Sozialrevolutionär, Dichter und Abenteurer Albert Dulk auf die Irrungen und Hemmnisse reagiert, die ihm auf seinem Lebensweg begegneten. Die Tatsache, dass sich seine Geburt in Königsberg am 17. Juni zum 200. Mal jährte, bot dem Kulturamt der Stadt Esslingen Anlass, eine Veranstaltungsreihe zu organisieren, in deren Rahmen die Lesung „Drei über Dulk“ aus dem Jahr 2015 neu aufgelegt wurde, die in Kooperation mit dem Schwimmverein stattfand. Erfreut begrüßte Organisatorin Sabine Brandes das Publikum, das sich die Lust auf die Lesung auch durch desolate Wetteraussichten nicht nehmen ließ.

Die Lesung macht nicht schlauer

Die Reihen waren gefüllt, im Biergarten der Vereinsgaststätte drängten sich die Leute. Albert Dulks revolutionäre Ideale bestimmten auch seine Ansichten zu Ehe und Familie. Mit seiner Frau Johanna und seinen Lebenspartnerinnen Pauline Butter und Else Bussler sowie sechs Kindern lebte er im Sommer im Esslinger Forsthaus am Rand des Schurwalds, das heute den Namen „Dulkhäusle“ trägt. Was die skandalträchtige Liaison für seine Frauen bedeutet haben mag, weiß man nicht. Die Lesung machte einen in dieser Hinsicht auch nicht schlauer.

Gekleidet in die Badekostüme vergangener Zeiten, schlüpften Schirin Brendel, Barbara von Münchhausen und Regina Lebherz zwar in die Rollen der drei Frauen. Indem sie ausschließlich Originaltexte von Albert Dulk zitierten, bewahrten sie dennoch Distanz, ließen sich nicht auf Spekulationen zu den psychischen Verfasstheiten von Ini, Else und Hannchen ein und versagten sich jeglichem Voyeurismus gegenüber den polygamen Beziehungsstrukturen. Sie lasen mit Ausdruck, Verve und Respekt dem Mann gegenüber, den Esslingen zu gern als Nationalheld für sich beanspruchen würde. Dass sich während der Lesung immer wieder junge Schwimmer elegant in die Wellen warfen, ist ebenfalls nicht so abwegig, wie es zunächst klingen mag, durchschwamm doch Dulk 1865 als Erster den Bodensee an seiner breitesten Stelle.

Fassen lässt sich diese komplexe Persönlichkeit aber nicht so leicht. Er war nicht nur Apotheker, Chemiker, Dichter und Revolutionär, sondern ein nahezu zwei Meter großer Teufelskerl, Freigeist und Weitgereister, den das Scheitern der Märzrevolution nach Ägypten trieb, wo er auf dem Sinai in einer Höhle gelebt haben soll. Zudem war dieses Universalgenie seinen Frauen von Herzen zugetan. Pauline, von ihm liebevoll „Ini“ genannt, sind seine Schilderungen vom Nil und aus der Felsenlandschaft am Sinai ebenso gewidmet, wie seine Reflexionen über fortschrittliche Formen der Liebe.

Dulk nimmt für sich in Anspruch, „Großes gewollt zu haben“. Er widmete seinen geliebten drei Frauen zauberhafte Gedichte, die die Schauspielerinnen voller Genuss am schönen Wort zum Abschluss vortrugen. Trotz literarischer Höhenflüge trieben auch Dulk Gedanken zum Lebensunterhalt um. „Wen hat es satt gemacht?“, stellt er an einer Stelle die Kernfrage, wie seine Großfamilie zu versorgen sei.

Nach einer Reise nach Lappland folgt eine Ausbildung als Schriftsetzer und Korrektor in Stuttgart. Dulks Biographie setzt sich kompromisslos fort.

Bereitwillig geht er für seine Parteinahme für die Sozialdemokratie ins Gefängnis, wobei das Urteil im Esslinger Amtsgericht gefällt wurde. Seine freiheitlichen Ideale hat er sich durch keine Repressionen nehmen lassen. Für ihn waren Frieden, Kultur und Bildung Rechte, die der Allgemeinheit zugutekommen sollten. Man müsse „dem Nächsten tun, wie uns getan werden soll“, sagte er in seiner Festrede zum Gründungsfest der sozialistischen Arbeiterpartei und steht damit auf einer Linie mit einem anderen berühmten Königsberger, dem Philosophen Immanuel Kant.