Foto: Stadtplanungsamt Esslingen - Stadtplanungsamt Esslingen

Schon seit Jahren mahnt der Gemeinderat mehr Barrierefreiheit in der Esslinger Altstadt an, doch es geht nur langsam voran. Nun nimmt die Stadt einen neuen Anlauf zur Verbesserung.

Esslingen So holprig wie das Kopfsteinpflaster in der Esslinger Altstadt ist auch der Weg hin zu mehr Barrierefreiheit in der City. Denn auf der einen Seite sind die engen, verwinkelten Gassen das Aushängeschild der Mittelalterstadt, auf der anderen Seite ist es gerade das unebene Pflaster, das Menschen zu schaffen macht, die nicht so gut zu Fuß sind. Schon seit Jahren steht das Thema auf der Agenda, doch die Sache ist zäh. Immer wieder hat der Gemeinderat in der Vergangenheit mehr Barrierefreiheit angemahnt – auf einen Antrag der SPD hinnimmt die Stadt nun einen neuen Anlauf zur Verbesserung.

So hat sie in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt den aktuellen Stand der Barrierefreiheit in der historischen Altstadt dargestellt. Demnach sind rund 11 000 Quadratmeter Fläche bereits barrierefrei oder zumindest barrierearm – etwa 5000 Quadratmeter hingegen nicht. Das reicht den Stadträten nicht. „Das ist nicht befriedigend, da muss jetzt mal ein großer Wurf passieren“, kritisierte etwa der Grünen-Rat Helmut Müller-Werner – und erinnerte an einen Antrag seiner Fraktion zu dem Thema im Jahr 2009. Eberhard Scharpf (Freie Wähler) betonte: „Es ist wichtig, dass wir jetzt Schritt für Schritt anfangen, Barrierefreiheit umzusetzen.“ Die SPD-Rätin Yvonne Tröger betonte gar: „Kein Weg in der Altstadt darf mehr ohne barrierefreien Streifen gedacht werden.“

Doch das dürfte nicht ganz einfach werden. Im Rathaus ist es zwar Konsens, dass man bei zukünftigen Planungen, bei Sanierungen und Umbauten – sei es im öffentlichen Raum, in öffentlichen Gebäuden oder auch im Verkehr – Barrierefreiheit umsetzen will. So steht es im Übrigen auch im Aktionsplan „Auf dem Weg zu einem inklusiven Esslingen“, der im Sommer 2015 vom Gemeinderat verabschiedet wurde. Eine komplett hindernisfreie City hält man im Rathaus aus finanziellen und technischen Gründen allerdings für schwer realisierbar.

Klar sei zudem, dass Barrierefreiheit nur nach und nach umzusetzen sei – und dass dieses Ziel stets gegen andere Belange wie etwa Topografie, Brandschutz oder Denkmalschutz abgewogen werden müsse. Dabei kann die Barrierefreiheit auch ins Hintertreffen geraten, wie das Beispiel von Allmandgasse und Krämerstraße im vergangenen Jahr gezeigt hat. Dort hatten zahlreiche Anwohner – die meisten von ihnen im Seniorenalter – dagegen protestiert, dass die Straßen vor ihren Türen, die seit mehr als 15 Jahren asphaltiert waren, im Zuge einer Sanierung mit Kopfsteinpflaster versehen werden – vergebens. Aus gestalterischen Gründen hielt die Stadt die Pflasterung für notwendig.

Im Übrigen war das, was die Stadt jüngst im Ausschuss präsentierte, nicht ganz das, was die SPD gefordert hatte. Sie wollte ein Umsetzungskonzept für eine barrierearme Altstadt. Doch eine solche Gesamtkonzeption sieht man im Rathaus skeptisch: Dazu bedürfe es einer sehr umfassenden und kostenintensiven Studie, da in der Altstadt verschiedene Belange in Einklang zu bringen und in vielen Fällen individuelle Lösungen notwendig seien. Eine solche Studie lehnt man als „zu starres Instrument der Planung“ ab. Vielmehr empfiehlt die Verwaltung, bei allen zukünftigen Neubau-, Umbau- und Ausbauprojekten Vertreter von Menschen mit Behinderung als Experten in eigener Sache frühzeitig einzubinden. Auch, weil Menschen mit verschiedenen Einschränkungen unterschiedliche Bedürfnisse hätten – Rollstuhlfahrer etwa andere als Blinde. Erst im September wurde die Stelle der Inklusionsbeauftragten neu besetzt, zudem soll voraussichtlich im Februar ein Inklusionsbeirat gegründet werden. Damit habe man dann direkte Ansprechpartner.

Auch die von der SPD favorisierten barrierearmen Gehstreifen in Bereichen mit Kopfsteinpflaster, die es an einigen Stellen in der Altstadt bereits gibt, hält die Stadt für oft nicht umsetzbar. Sie schlägt stattdessen vor, die vorhandenen Pflastersteine nach dem Vorbild von Konstanz zu glätten und neu zu verfugen, um so behindertengerechte Wege einzurichten. Laut Stadtverwaltung ist dieses Verfahren günstiger als der Einbau von Granitplatten und das Ergebnis füge sich besser in die historische Altstadt ein. Würde man die gesamte Straßenfläche, die noch nicht barrierearm ausgebaut wurde, auf die Art bearbeiten, so sei mit Kosten in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro netto zu rechnen, schätzt man im Rathaus.

Ganz zufrieden zeigte sich das Gremium nicht mit den Vorschlägen. „Wir haben hier eigentlich keinen neuen Sachverhalt. Die Verwaltung hat ja immer schon zugesichert, dass sie die Barrierefreiheit Stück für Stück verbessern will“, merkte der FDP-Rat Ulrich Fehrlen an. Und während sich der CDU-Rat Edward-Errol Jaffke freute, dass mit dem Abschleifen der Pflastersteine ein Vorschlag seiner Fraktion von 2016 aufgegriffen werde, forderte der SPD-Fraktionschef Andreas Koch: „Lassen Sie uns doch miteinander aus Worten Taten machen.“ Die Stadt solle die Kosten der einzelnen Vorhaben beziffern und dann eine Prioritätenliste vorstellen. Das sagte Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht zu.