Michael Stülpnagel (links) und Johannes Weigle machen jede ihrer Inszenierungen zu einem literarisch-musikalischen Erlebnis. Foto: FMS Photography - FMS Photography

Das Duo Phantasma hat einen ganz eigenen Stil entwickelt, Werke der Weltliteratur zum Klingen zu bringen. Nun präsentieren Michael Stülpnagel und Johannes Weigle in der Scala am Esslinger Charlottenplatz ihre neue Inszenierung des Klassikers „Alexis Sorbas“.

EsslingenGriechenland hat es dem Esslinger Schauspieler Michael Stülpnagel angetan: Das Land, die Menschen, die Sonne und dieser besondere Duft, der überall in der Luft liegt – all das hat er schon als Kind kennen und lieben gelernt. Einen Klassiker, der unter südlicher Sonne spielt, schätzt er besonders: die zeitlos lebenskluge Geschichte „Alexis Sorbas“, die der Autor Nikos Kazantzakis erzählt hat und die mit Anthony Quinn in der Titelrolle zu einem der berührendsten Filme aller Zeiten geworden ist. Michael Stülpnagel hat diesen Film oft angeschaut, und er hat sich in die Romanvorlage vertieft. Nicht nur zum Zeitvertreib, sondern aus künstlerischem Interesse. Denn im Duo Phantasma mit dem Musiker Johannes Weigle hat er schon häufiger große Literatur in der Scala am Charlottenplatz präsentiert. Mit Alessandro Bariccos „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“ brachten die beiden die Sprache zum ersten Mal auf ihre Art Klingen, mit Antonio Skármetas Welterfolg „Mit brennender Geduld“ wurde das „Kino im Kopf“ inspiriert, zuletzt faszinierte das Duo mit Alessandro Bariccos „Seide“. Nun wollen Weigle und Stülpnagel mit „Alexis Sorbas“ erneut zeigen, dass die Esslinger Kultur um eine reizvolle Facette reicher geworden ist.

„Es ist ein alter Traum, diese Geschichte in einer stimmigen Lesefassung auf die Bühne zu bringen“, erzählt Stülpnagel. „In jeder Zeile steckt unglaublich viel Weisheit und Lebensfreude, und der einfache Arbeiter Sorbas bringt mit großer Klarheit auf den Punkt, worum es im Leben wirklich geht.“ Die Geschichte klingt in vielen nach: Im Hafen von Piräus trifft ein Schriftsteller auf den makedonischen Arbeiter Alexis Sorbas. Vom ersten Augenblick an verbindet die beiden eine große Sympathie. Zusammen brechen sie mit dem Schiff nach Kreta auf, um ein aufgelassenes Braunkohlebergwerk zu pachten und den Kohleabbau neu zu beleben. Der Schriftsteller ist des ewigen Ringens nach geistiger Erkenntnis überdrüssig und sehnt sich nach einem ursprünglicheren Leben fernab der „Papiermäuse“. In der Weltabgeschiedenheit eines kretischen Dorfes beziehen sie eine Baracke und beginnen unter Sorbas’ Leitung, ein Unternehmen aufzubauen. Als das Projekt spektakulär scheitert, lehrt Sorbas den Schriftsteller das Tanzen, und die Niederlage löst sich in reine Lebensfreude auf. Der schlichte Arbeiter und Weltenbummler wird zum Lehrmeister des Gelehrten, und er zeigt ihm die Ewigkeit im Augenblick. „Das ist eine wunderbar zeitlose Geschichte, in der ganz viele grundlegende Gedanken über das Leben und die Menschen stecken“, schwärmt Stülpnagel.

Michael Cacoyannis’ Verfilmung von „Alexis Sorbas“ aus den 60er-Jahren kennen viele – Nikos Kazantzakis’ Roman ist weniger bekannt. „Er hat mich auf Anhieb fasziniert“, sagt Stülpnagel. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob sich die Buchvorlage dazu eignet, im ganz eigenen Stil des Duos Phantasma inszeniert zu werden. Denn bislang waren es eher kürzere Texte, die Weigle und Stülpnagel in einer ganz eigenen, poetischen Handschrift auf die Bühne gebracht hatten. Nikos Kazantzakis’ Romanvorlage bringt es dagegen auf stolze 350 Seiten – zuviel, um unbearbeitet und vor allem ungekürzt gespielt zu werden. „Ich habe mir eine Woche Zeit gegeben und bin auf eine einsame Insel gereist, um mir dort klar zu werden, ob sich dieses Projekt wirklich so realisieren lässt, wie wir uns das vorstellen und wie es auch das Publikum der Scala von uns erwartet“, verrät Stülpnagel. „Nach einer Woche unter griechischer Sonne habe ich gespürt, dass dieses Projekt etwas Besonderes werden kann.“

Ist es nicht schwierig, eine Geschichte, die vielen dank der Verfilmung bestens vertraut ist, neu zu inszenieren? Michael Stülpnagel fürchtet nicht, an bekannten Bildern gemessen zu werden: „Erst mal ist das Buch, an das ich mich halte, ein bisschen anders als der Film. Außerdem leben beide ja nicht nur von der Handlung, sondern von vielen ganz besonderen Momenten, von kleinen Episoden, Begegnungen und Dialogen. Die kann ich gar nicht alle auf die Bühne bringen. Und ich werde auch nicht wie Sorbas tanzen. Durch meine subjektive Auswahl entsteht etwas Neues. Natürlich kommt jeder mit gewissen Erwartungen in die Vorstellung, aber der Reiz besteht ja auch darin, dass nicht alle Erwartungen erfüllt werden. So können ganz neue Perspektiven entstehen. Wir haben die Geschichte total respektiert, aber wir wollen sie mit unserer Sprache zum Klingen bringen.“

Dafür sorgt auch die musikalische Begleitung, für die Johannes Weigle verantwortlich zeichnet – ein wunderbarer Musiker, dem es in jeder Inszenierung des Duos Phantasma aufs Neue gelingt, eine ganz eigene und der literarischen Vorlage sehr angemessene musikalische Sprache zu finden. Andere würden sich vielleicht auf einen folkloristisch klingenden Soundtrack für das „Kino im Kopf“ einlassen. Weigle genügen nur ein, zwei griechisch klingende Takte – und schon kann sich jeder seinen eigenen Assoziationen und dem Zauber der Stimme hingeben.

Die Premiere des Hörstücks „Alexis Sorbas“ beginnt am Sonntag, 26. Januar, um 17.30 Uhr in der Scala am Charlottenplatz. Für die erste Aufführung gibt es noch wenige Restkarten an der Abendkasse. Weitere Aufführungstermine gibt es unter www.richtungdichtung.de