Wolfgang Drexler hatte bei seinem Abschied im Gemeindehaus am Blarerplatz einen prominenten Sitznachbarn: Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Weller - Weller

30 Jahre lang saß Wolfgang Drexler für die SPD im Landtag. Nun ist er mit großem Beifall in Esslingen verabschiedet worden - auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

EsslingenWenn „seine“ SPD „ihrem Wolfgang“ ein Abschiedsfest ausrichtet, dann gerät solch eine Veranstaltung zu einer persönlichen Angelegenheit. Kein Wunder, denn auch Wolfgang Drexler hat in den 30 Jahren seiner Abgeordnetentätigkeit im Stuttgarter Landtag vieles persönlich genommen. Nicht im negativen Sinne, sondern weil er die Sorgen und Meinungen der Menschen aufgenommen und sie letztlich zu seiner Sache gemacht hat. Dieser Charakterzug klang am Donnerstagabend immer wieder an im proppenvollen evangelischen Gemeindehaus am Esslinger Blarerplatz, wo sich Drexlers politisches und ehrenamtliches Leben in Reden und Aufführungen widerspiegelte.

Alte und aktuelle Weggefährten, Politiker quer durch das Spektrum der demokratischen Parteien auf allen Ebenen, Vertreter aus sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens und natürlich viele Menschen aus dem großen ehrenamtlichen Umfeld waren gekommen, um das „politische Vorbild“ nach 30 Jahren aus dem Landtag zu verabschieden. So nannte ihn Winfried Kretschmann in seiner sehr persönlich gehaltenen Rede. „Anpacken, Klartext reden, klug und mutig sein und immer nach denen schauen, die er vertritt.“ So hat der grüne Ministerpräsident den Esslinger Abgeordneten erlebt. Nicht immer war man sich grün, doch in solchen Fällen seien die Differenzen „im zivilisierten Streit ausgetragen worden, ohne dass es jemals persönlich wurde“.

Wolfgang Drexler war es selbst, der im Gemeindehaus dazu aufrief, jenseits politischer Dispute unter Demokraten auch Freundschaften über Parteigrenzen hinaus zu pflegen. Das war, bevor kurz darauf ein Überraschungsgast die Bühne betrat: Günther Oettinger, EU-Kommissar und ehemaliger baden-württembergischer Ministerpräsident, von denen Drexler insgesamt fünf erlebte. „Er ist ein Freund, Demokraten sollten sich gegenseitig respektieren“, sagte der CDU-Politiker an Drexler gewandt. Dieser habe ein Lebenswerk geschaffen, das seinesgleichen suche.

„Für Menschen unmittelbare Verbesserungen erreichen.“ Dies war und ist nach den Beobachtungen von Andreas Stoch eine Triebfeder für Drexlers politisches Wirken. Dabei gelinge es ihm, Sachverhalte so zu erklären, dass jeder sie verstehe. Und: „Er verbindet Politik mit Humor, so der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und Landesvorsitzender seiner Partei. Natürlich bedauert auch Andreas Koch den Rückzug Drexlers aus der Landespolitik. Der Vorsitzende der Esslinger SPD-Gemeinderatsfraktion hat allerdings Zweifel daran, ob diese Sicht der Dinge von allen geteilt wird. Oberbürgermeister Jürgen Zieger, so mutmaßte Koch, dürfte den Weggang Drexlers aus Stuttgart durchaus mit gemischten Gefühlen betrachten. „Denn weniger Zeit in Stuttgart bedeutet mehr Zeit für Esslingen“, sagte Koch augenzwinkernd in Anspielung auf Drexlers kommunalpolitisches Engagement. Ob eine zu niedrig geratene Sitzbank an einer Bushaltestelle oder ein Verkehrsproblem, das die Bürger beschäftigt: Drexler pflegt sich einzumischen und nimmt dabei im Sinne der Menschen wenig Rücksicht auf die Verwaltung oder auf den SPD-Oberbürgermeister. Denn, so Andreas Koch, der Wahlkreis habe Drexler, den er als „Menschenfischer“ bezeichnete, immer ganz besonders am Herzen gelegen.

Als dienstältester Landtagsabgeordneter, zusammen mit Winfried Kretschmann, hat Drexler sein Mandat bekanntlich an den ehemaligen Aichwalder Bürgermeister Nicolas Fink übergeben. Als Stadt- und Kreisrat bleibt er der Kommunalpolitik erhalten und dem Ehrenamt unter anderem als Präsident des Schwäbischen Turnerbundes, Vizepräsident des Württembergischen Landessportbundes, Vorsitzender des Fördervereins Esslingen-Nord oder als erster Vorsitzender des FC Esslingen. Der Abschied aus Stuttgart ist Drexler nicht leicht gefallen, auch wenn ihm manche Entwicklung Sorgen bereitet. „Früher wurde im Landtag mehr debattiert und es wurden weniger Reden gehalten“, ist sein Eindruck. Dabei gebe es nun wahrlich genügend Gründe für den kritischen Diskurs. Etwa über das Aufkeimen rechter Gewalt und von Antisemitismus. „Niemand darf Angst haben, in Deutschland zu leben“, betonte der ehemalige Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses. Und er nahm den Faden der Laudatoren auf, indem er für einen respektvollen Umgang zwischen Demokraten warb. Bei Winfried Kretschmann rennt Drexler damit offene Türen ein. Der wünschte seinem ehemaligen Landtagskollegen sogar Glück für das Bürgerbegehren zur Stadtbücherei – wohl wissend, dass die Grünen in Esslingen anders als Drexler auf einen Neubau setzen.

Bleibt noch ein Blick in die Zukunft, die für Drexler zumindest in einem Punkt noch unklar ist. Wie fühlt man sich als Opa? Bald wird er es wissen.