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Der Esslinger Frank Peter Unterreiner ist Herausgeber des „Immobilienbriefs Stuttgart“. Seit zehn Jahren gibt es den Newsletter.

Esslingen Die Idee entstand aufgrund einiger Klischees. Sie haben Frank Peter Unterreiner genervt. Ziemlich sogar. Die Vorurteile über die Region Stuttgart. „Ihr Schwaben seid Sparfüchse und klappt um 19 Uhr die Bürgersteige hoch“, hieß es da auf Immobilienkongressen im Norden Deutschlands. „So was musste ich mir damals anhören, dabei hat die Region so viel zu bieten“, erzählt Unterreiner über die Entstehungsgeschichte des „Immobilienbriefs Stuttgart“ im Jahr 2008. Die Region habe sich damals vor allem im Immobilienbereich unter Wert verkauft. Zu dieser Zeit arbeitete der gelernte Bankkaufmann als Freier Journalist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, konzipierte und schrieb Beilagen rund ums Wohnen. Die Leidenschaft für die Region ließ ihn aber nicht los. So entwickelte sich aus einer Idee ein Geschäftskonzept: In Zeiten der Medienkrise, als Verlage Stellen reduzierten, gründete Unterreiner 2008 selbst einen Verlag in Esslingen. Der Plan: Ein Online-Newsletter, der über das Immobiliengeschehen in der Metropolregion Stuttgart berichtet. Bruder Stefan, Grafiker, war mit im Boot. Und Unterreiner, nach eigenem Bekunden „bekannt wie ein bunter Hund in der Branche“, machte sich auf die Suche nach Anzeigenkunden. „Die Resonanz war groß“, erzählt der in Esslingen lebende Familienvater. Der Newsletter erscheint seitdem 22 Mal im Jahr. Dieses Jahr wird zehnjähriges Jubiläum gefeiert.

Zielgruppen sind unter anderem Immobilienfirmen, Banken, Investmentgesellschaften und alle Immobilieninteressierten. Bundesweit verteilt. „Es war klar, dass wir aufgrund der Kosten nur ein Online-Produkt anbieten können“, sagt der 53-Jährige. „Und es war auch klar, dass es kostenlos sein soll. So bekommen wir mehr Reichweite.“ Waren es anfangs 10 000 Adressaten, geht der Newsletter heute an 16 500 Mailadressen. Unterreiner ist Herausgeber und Chefredakteur in Personalunion. Auf der Titelseite begrüßt er die Leser in jeder Ausgabe. Sein Credo: „Unsere Leser sollen sich 21 Mal im Jahr über uns freuen und einmal ärgern.“ Nämlich dann, wenn sie selbst im Fokus der Recherche stehen.

An Themen aus der Region fehlt es nicht. Das drängendste Problem: die Wohnungsnot. Mit seiner Meinung hält Unterreiner, der seit 1998 auch als Lehrbeauftragter für den Studiengang Immobilienwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen tätig ist und 2010 zum Ehrensenator der Hochschule ernannt wurde, nicht hinterm Berg: „Wir brauchen mehr politischen Mut in der Stadtentwicklung. Und mehr politischen Mut, sich gegen Widerstände der Bürger durchzusetzen.“ Der Bedarf an Wohnraum steige stetig. „Wenn die Politiker der Nachkriegszeit auch so wenig Hintern in der Hose gehabt hätten, die Menschen damals ebenso Eigennutz über Gemeinnutz gestellt hätten, wäre der Wiederaufbau und die Eingliederung der Ostflüchtlinge nie gelungen“, schreibt der 53-Jährige im aktuellen Immobilienbrief.

Die Politik müsse die übergeordneten Interessen im Auge behalten. „Die Wirtschaft brummt, wir haben einen hohen Fachkräftebedarf. Bis 2030 braucht die Region 150 000 Fachkräfte, die von außerhalb kommen müssen. Diese Personen müssen hier auch wohnen können.“ Als ein negatives Beispiel nennt er den Esslinger Flächennutzungsplan, bei diesem schlussendlich viele Projekte doch wieder gestrichen wurden. „Die Region muss gerade bei Standortfragen noch mehr zusammenwachsen“, sagt Unterreiner. Und: „Den Platz gibt es, man muss einfach mutiger sein. Wir brauchen eine Innenverdichtung. Man muss enger und höher bauen. Warum nicht auch Produktion und Logistik mehrstöckig?“

Dass Höhe allein aber nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist, zeigt ein Projekt in Fellbach. Ein Bauvorhaben, das den Immobilienbrief seit seinen Anfängen beschäftigt: der Gewa-Tower. „Geht das? Im Schwäbischen? Hoffentlich geht das!“, stand im Februar 2008 auf der ersten Seite des Newsletters. Heute ist das Gelingen des Projekts ungewisser denn je. Seit über einem Jahr ist Baustopp am 107 Meter hohen Turm. „Aus dem drittgrößten Wohnhaus Deutschlands wird vielleicht eine Ruine“, sagt Unterreiner. Mark Warbanoff und sein Vater Michael, beide Geschäftsführer der Esslinger Gewa 5 to 1 GmbH, haben den Tower geplant. Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Seit Monaten hofft Fellbach nun auf einen Investor, der das Wohnhaus fertig baut.

Man kennt sich in der Immobilienbranche. Unterreiner war Dozent von Mark Warbanoff. „Ich schätze die Warbanoffs sehr, aber sie haben mit fremden Geld gezockt, das macht man nicht.“ Vor allem für die Menschen, die sich eine Wohnung im Tower gekauft haben, sieht Unterreiner schwarz: „Sie müssen im Zweifel mit dem Schlimmsten rechnen.“ Eventuell gebe es noch eine Lösung für den Weiterbau. „Ich kenne aber auch Stimmen von ernstzunehmenden Marktteilnehmern, die sagen: Den Turm muss man abreißen. Die Gelder sind weg.“ Eine Immobilie als Millionengrab. „Wenn Oberbürgemeister sich ein Denkmal bauen wollen, dann kann das passieren“, sagt er und spielt auf den ehemaligen Fellbacher OB Christoph Palm an.

Seit zehn Jahren gibt es den Immobilienbrief. Was wünscht Unterreiner sich für die nächsten zehn? „Ich wünsche mir, dass der Immobilienbrief in zehn Jahren nicht mehr über Mangel an Wohnraum, Gewerbe- und Logistikflächen schreiben muss. Und dass ich mehr über energieautarke Gebäude schreibe, über Lebensräume, die dem Auto genommen und dem Menschen gegeben wurden, über digitale Fabriken, die sich harmonisch in die Stadträume einfügen und Arbeiten und Wohnen zusammenwachsen lassen .“