Willfried Wallbrecht Foto: Bulgrin - Bulgrin

Esslingen - Die Sperrung des Neckaruferwegs für Radfahrer hat für große Empörung gesorgt. Viele Radler sehen den Schritt als ein Symptom des mangelnden Interesses der Stadt am Radverkehr. Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht betont jedoch, die Stadt wolle den Radverkehr stärken – aber vieles gehe nicht so schnell, wie man es sich wünsche.


Herr Wallbrecht, Sie sind selbst Radfahrer. Können Sie den Unmut über die Sperrung des Neckaruferwegs für Radler verstehen?

Den Unmut kann ich natürlich nachvollziehen. Allerdings habe ich in dem Fall nicht die Rolle des Radfahrers, sondern die Rolle des Verantwortlichen für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu tragen. Da sieht die Welt dann manchmal etwas komplizierter aus.

Es wird nicht nur kritisiert, dass die Alternativstrecke durch die Stadt und den neuen Radtunnel länger dauert, sondern auch, dass sie gefährlicher und schlecht markiert sei. Was sagen Sie dazu? Wird man da nachbessern?

Wir wissen, dass diese Strecke umständlicher ist, dass sie länger ist und dass sie selbstverständlich auch ihre Nachteile hat. Aber es geht ja um die Frage, ob es Alternativen gibt. Wir mussten den Weg am Neckarufer sperren, weil die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist. Der Zustand des Weges hat sich verschlechtert – und wenn etwas passiert wäre, hätten wir zur Verantwortung gezogen werden können. Jetzt gibt es eine Alternative zu dem Weg – mit allen Nachteilen, die diese hat. Deshalb haben wir uns zu der Sperrung entschlossen. Das ist keine bequeme Lösung, das wissen wir und das bekommen wir auch zu spüren. Aber auf den zweiten Blick sind die Dinge immer komplizierter als es zunächst erscheinen mag. Die Richtlinien erfordern eben mindestens eine Breite von 2,50 Meter für eine kombinierte Nutzung von Fußgängern und Radfahrern.

Die Radler fordern, dass der Neckaruferweg für sie wieder geöffnet oder aber eine attraktive Alternativstrecke geschaffen werden soll. Immer wieder wird hier von der Stadt die Reaktivierung des Bahndamms ins Spiel gebracht. Wie realistisch ist es, dass das Projekt bald umgesetzt wird?

Für uns ist das sehr realistisch. Wir beschäftigen uns schon seit dem Jahr 2013 mit diesem Projekt. Wir haben eine fertige Planung und wir haben das Geld dafür im Doppelhaushalt 2018/19 vorgesehen. Allein: Es fehlt das Grundstück. Die Verhandlungen mit der Bahn laufen, aber sie sind zäh. Trotzdem sind wir zuversichtlich, dass wir uns in diesem Jahr einigen können – und dann könnte der Weg nächstes Jahr gebaut werden.

Wie lange würde es dauern, den Weg auf dem Bahndamm für den Radverkehr zu richten?

Das würde vermutlich einige Monate dauern. Aber wir wissen nicht genau, welche Flächen wir von der Bahn bekommen. Sie prüft immer noch, auf welchen Teilen des Grundstücks sich Anlagen befinden, die sie noch für den Betrieb braucht. Das ist ein komplizierter Vorgang. Die Grundbereitschaft, zu verkaufen, wurde uns aber signalisiert. Ich hoffe, dass wir dort dann einen Weg von etwa drei Metern Breite hinbekommen. Das wird aber kein Hightech-Weg, sondern nur eine Übergangslösung für zehn bis 15 Jahre. Denn langfristig wollen wir dort ja den Neckaruferpark realisieren.

Gäbe es abgesehen davon denn eine andere Alternative für die Strecke am Neckarufer?

Nein, ich sehe keine Alternativstrecke – und wir beschäftigen uns ja schon seit Jahren mit dem Thema. Die Strecke durch die Stadt ist nicht ideal für Berufspendler und wir sehen die Notwendigkeit einer Alternative gerade für diese Gruppe. Das ist nie strittig gewesen. Deshalb haben wir seit vier Jahren den Plan, die Strecke auf dem Bahndamm zu reaktivieren.

Die Stadt hat bei der Diskussion um den Neckaruferweg immer wieder behauptet, Sanierung und Ausbau seien schwierig, weil der Weg nicht der Stadt, sondern dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Stuttgart gehöre. Der EZ gegenüber hat man dort aber gesagt, man hätte nichts gegen einen Ausbau. Wie passt das zusammen?

Wir haben dort gar nicht nachgefragt. Für uns ist klar, dass der Weg nicht so ausbaubar ist, wie es rechtlich erforderlich wäre, weil es dort nicht breit genug ist. Das geht gar nicht – außer natürlich mit gigantischen Baumaßnahmen. Das würde Millionen kosten, das ist völlig illusorisch. Zumal die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung dort langfristig Renaturierungen plant. Das wissen wir seit Langem.

Es kam schlecht an, dass keine Vertreter der Radverbände zur Eröffnung des neuen Radtunnels eingeladen waren. Wollte die Stadt die Radler, also die Hauptnutzer, nicht dabei haben?

Vielleicht war das ein bisschen unbedacht. Es war keine Absicht, sondern einfach Routine. Wenn wir eine Straße eröffnen, laden wir ja auch keine Vertreter der Autolobby ein. Aber man hätte das vielleicht aus atmosphärischen Gründen in diesem Fall machen sollen.

Auch einige Stadträte hätten sich eine Einladung gewünscht. Zudem wird moniert, dass die Sperrung des Uferwegs nicht im Gemeinderat angesprochen worden sei. Warum nicht?

Die Sperrung ist angekündigt worden, und zwar in der Verkehrskommission am 6. April und am 5. Mai.

Die Verkehrssituation in der Stadt wird angesichts der Brückensanierungen und anderer Straßenbauarbeiten – etwa an der Geiselbachstraße – in den nächsten Jahren sicher nicht besser. Für viele liegt eine Lösung in der Stärkung des Radverkehrs. Wie sehen Sie das?

Die Stärkung des Radverkehrs ist natürlich auch unser Ziel. Wir waren da aus meiner Sicht auch lange auf einem guten Weg. Aber angesichts von Personalproblemen sind wir nicht so weit, wie wir gerne wären. Wir haben 2013 im Gemeinderat ein Radkonzept vorgestellt und damals die Zustimmung des Gemeinderats bekommen, dass wir jedes Jahr 100 000 Euro im Jahr für dieses Thema ausgeben können. Einige Projekte sind wegen personeller Probleme aber auf der Strecke geblieben, das muss ich zugeben. Wir versuchen jetzt, das Thema wieder aufzunehmen.

Wie soll das aussehen?

Es wird im Herbst eine umfangreiche Vorlage im Gemeinderat zu dem Thema geben. Der Gemeinderat hat auch die Zusage gegeben, dass das Geld, das im vergangenen Jahr nicht genutzt wurde, im kommenden Jahr dann zusätzlich eingesetzt werden kann. So haben wir dann gute Chancen, ein Stück weit aufzuholen. Ich denke auch, dass die Treffen der AG Rad ab Herbst wieder regelmäßig stattfinden.

Was sind denn die nächsten Projekte, die anstehen?

Da gibt es vor allem drei große Projekte. Wir würden gern die Sicherheit und den Komfort in der Fahrradstraße (Hindenburgstraße) erhöhen. Wir rechnen auch damit, dass das Geländer in der Wehrneckarstraße 2018 erhöht werden kann. Die Arbeiten mussten ja neu ausgeschrieben werden, weil die Angebote zu teuer waren. Außerdem wollen wir weitere Sicherheitsstreifen für Radler einrichten.

Vor allem viele Radpendler hoffen nun auf den vom Land angekündigten Radschnellweg von Plochingen über Esslingen nach Stuttgart. Aber man fragt sich, wo dieser verlaufen soll: Etwa am Neckarufer?

Das Land hat die Bauträgerschaft für den Radweg übernommen. Das freut mich, weil ich keine Idee habe, wo dieser verlaufen könnte. Angesichts der Anforderungen – er soll kreuzungsfrei und vier Meter breit sein – bin ich sehr neugierig, was die Planer machen werden. Wir werden das Projekt aber natürlich konstruktiv begleiten.

Das Gespräch führte Melanie Braun.

Zur Person:

Wilfried Wallbrecht ist Erster Bürgermeister und Technischer Beigeordneter der Stadt Esslingen und als solcher unter anderem auch für das Thema Radverkehr zuständig. Wallbrecht ist seit 1998 in Esslingen tätig, seit 2003 als Erster Bürgermeister. Jüngst hat der 67-Jährige verkündet, dass er für eine weitere Amtszeit kandidieren will.