Von Peter Stotz

Der Esslinger Einzelhandel muss sich für die Zukunft rüsten. Angesichts großer Konkurrenz durch das Internet und und die Angebote in den Nachbarkommunen sind Perspektiven gefragt. Bei einer Podiumsdiskussion der Freien Wähler beleuchteten Experten mögliche Krisenherde für den Handel und zeigten Wege in die Zukunft.

Auf den ersten Blick scheint die Welt im Esslinger Einzelhandel in Ordnung zu sein. Bei einer Kaufkraft von fast 7300 Euro pro Kopf und Jahr sorgt jeder Esslinger statistisch für einen Umsatz von 6840 Euro in den Geschäften der Stadt. Damit liegt Esslingen 17 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Doch in den Fußgängerzonen Küferstraße und Pliensaustraße fallen die vielen Leerstände ins Auge, die Konkurrenz in Stuttgart schläft nicht. Zudem verzeichnet der Online-Handel satte Zuwächse.

Die Freien Wähler Esslingen sehen darin Hinweise auf einen Strukturwandel und haben am Donnerstag zu einer von Wilfried Wallbrecht - „ausdrücklich nicht als Bürgermeister, sondern als Vorstandsmitglied der Freien Wähler“ - moderierten Podiumsdiskussion ins Alte Rathaus eingeladen. Alexander Kögel, Vorsitzender der City-Initiative Esslingen, der Geschäftsführer des Handelsverbands Württemberg Marius Haubrich, der Geschäftsführer der Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen der IHK-Region Stuttgart Christoph Nold und der Marktforscher Andreas Hirsch zeigten mögliche Strategien für den Umgang mit dem Wandel im Einzelhandel.

Hirsch stellte fest, dass in Esslingen nicht bei Null begonnen werden müsse. „Investoren und Stadtverwaltung haben schon viel Geld in die Hand genommen, die Weststadt entwickelt sich sehr gut und mit dem Neubau auf dem Karstadt-Areal erwarte ich eine Scharnierfunktion hin zur Pliensaustraße. Da stecken viele Chancen drin.“ Dies sah auch Kögel so. „Es wird Händler geben, die davon betroffen sind. Aber die Mehrzahl der City-Mitglieder sieht das Projekt positiv. Es werden neue Sortimente kommen, wir können uns gegenüber anderen Kommunen profilieren und neue Kunden in die Stadt holen.“

Neue Zugänge zum Kunden

Unstrittig war, dass das Internet Kaufkraft abziehen wird, wenn sich der Einzelhandel keine neuen Zugänge zu den Kunden erarbeitet. Hirsch und Haubrich rechneten vor, dass der Online-Handel derzeit zehn Prozent des Umsatzes in Deutschland verzeichne und der Anteil bis in wenigen Jahren auf bis zu 20 Prozent steigen könnte. „Das bedeutet aber auch, dass mindestens 80 Prozent im stationären Handel bleiben. Darum müssen wir uns kümmern“, sagte Haubrich.

Auch Kögel und Nold sahen keinen Anlass, in Angststarre zu verfallen. „Shoppen ist nach wie vor eine wichtige Freizeitbeschäftigung“, sagte Kögel. Nold legte dem Einzelhandel nahe, seinen Frieden mit dem Online-Handel zu machen und sich damit zu beschäftigen, den spezifischen emotionalen Mehrwert des Einkaufs im Geschäft herauszuarbeiten. Stichworte seien der soziale Aspekt des direkten Kontakts des Kunden mit dem Händler, die Möglichkeit, Waren direkt zu berühren, Service und Beratung. „Einkaufen muss ein Erlebnis sein“, betonte Nold.

Die „Wohlfühl-Atmosphäre“ beim Einkauf allerdings ein Nachdenken über die künftige Gestalt der Innenstadt, warf Hirsch ein. „Dafür benötigt man Kreativität, aber ich sehe in Esslingen schon einige auffällige und interessante Konzepte“, sagte Hirsch. Zukunftsträchtig seien etwa Einzelhandelsgeschäfte auf Zeit, mit denen Leerstände überbrückt werden und die zusätzliche Attraktivität in die Stadt bringen. Auch Konzepte, die Handel, Gastronomie und kulturelle Angebote in sich vereinen, seien spannend. Insgesamt sei bei allen Überlegungen auch die Stadtverwaltung mit ins Boot zu nehmen. „Die Kommunen müssen sich Gedanken darüber machen, wie die Innenstädte künftig aussehen sollen. Ich vermute stark, dass die Innenstadt auch in Esslingen künftig multifunktional sein wird, ein Ort für Handel, Wohnen, Kultur und Arbeiten“, sagte Hirsch.