Sibylle Hauser, Achim Scheuffelen und Ulrike Gräter (von links) machen sich für den Erhalt des Gemeindehauses am Blarerplatz stark - und sie planen am Sonntag zusammen mit Gleichgesinnten eine Menschenkette. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Die Sorge um die Zukunft des Esslinger Gemeindehauses am Blarerplatz und der Franziskanerkirche treibt viele um. Bis Ende Juni soll die evangelische Gesamtkirchengemeinde erklären, ob sie grundsätzlich bereit wäre, an die Stadt zu verkaufen. Die Kommune kann sich vorstellen, die Stadtbücherei dort anzusiedeln. Doch dagegen regt sich vielstimmiger Widerspruch. Während viele Befürworter einer qualitätvollen Bücherei befürchten, dass sich die Rahmenbedingungen in einem viel zu kleinen Gemeindehaus eher verschlechtern würden, wird in Kirchenkreisen für den Erhalt des Gebäudes als „Esslingens evangelische Mitte“ plädiert. Und schließlich haben sich in der Kulturszene viele zu Wort gemeldet, die fürchten, dass ein unverzichtbarer Veranstaltungsort vor allem für Konzerte verloren gehen würde. Ehe der Gesamtkirchengemeinderat kommende Woche über einen Verkauf diskutiert, rufen die Befürworter eines Erhalts am Sonntagabend zu einer Menschenkette um Gemeindehaus und Franziskanerkirche auf, die sich gegen 21 Uhr am Blarerplatz formieren soll.

Orte der emotionalen Bindung

Sibylle Hauser hat sich 15 Jahre lang im Kirchengemeinderat der Oberesslinger Martinskirche engagiert - und sie fühlt sich dem Blarer-Gemeindehaus eng verbunden. Die Franziskanerkirche hat sie schätzen gelernt, seit sie vor Jahren mit einigen Gleichgesinnten die Freiraum-Gottesdienste organisiert hat, die dort einen einzigartigen Rahmen fanden. Umso überraschter war Hauser, als sie vor Wochen aus der Zeitung erfuhr, dass die Gesamtkirchengemeinde über einen Verkauf von Gemeindehaus und Franziskanerkirche nachdenkt: „Ich konnte gar nicht glauben, dass man das überhaupt in Erwägung zieht. Das würde viele Esslinger empfindlich treffen.“ Sibylle Hauser weiß, dass manche beklagen, die evangelische Kirche erreiche die Menschen nicht mehr. Sie findet: „Die Diskussionen über den Erhalt von Gemeindehaus und Franziskanerkirche haben gezeigt, wie wichtig diese Orte sind. Dort kommen ganz viele Menschen mit der Kirche in Berührung - auch weil das Gemeindehaus nicht nur von der Kirche, sondern ebenso für Kulturveranstaltungen genutzt wird. Wie will man als Kirche glaubwürdig bleiben, wenn man solche Orte aufgibt?“ Sollte die Bücherei dort einziehen, wäre nach Hausers Einschätzung alles noch schlimmer: „Dann ginge mit dem Bebenhäuser Pfleghof ein weiterer emotionaler Ankerplatz der Esslinger verloren. Die Bücherei muss bleiben, wo sie ist. Und das Gemeindehaus und die Franziskanerkirche müssen bleiben, was sie sind.“

Deshalb hat sich Sibylle Hauser entschlossen, am Sonntag zu einer Menschenkette für den Erhalt von Gemeindehaus und Franziskanerkirche aufzurufen. Und sie fand sofort starke Mitstreiter - allen voran Achim Scheuffelen, den Vorsitzenden des Philharmonischen Chors, und Ulrike Gräter, die Vorsitzende des Esslinger Vocalensembles. Beide haben sich mit Vertretern anderer Musikensembles für den Erhalt des Gemeindehauses als Veranstaltungsort eingesetzt. „Wir haben Verständnis für die finanziellen Nöte der Kirche“, sagt Gräter. „Trotzdem bitten wir die Kirchengemeinde, dieses Haus zu bewahren. Man muss sich nur anschauen, wer dort in den vergangenen Wochen zu Gast war. Würde man das Gemeindehaus verkaufen, wäre das so, als würde man ein lebendiges Herz herausreißen. Das kann nicht im Sinne der Kirche sein.“

Dass sie konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten wollen, haben Gräter, Scheuffelen und einige andere Vertreter der Musikszene im Gespräch mit Dekan Bernd Weißenborn und dem Gesamtkirchengemeinderats-Vorsitzenden Siegfried Bessey bereits vor Wochen hinterlegt. „Wir bedauern, dass die versprochene Einladung zu einem weiteren Gespräch über Möglichkeiten, das Gemeindehaus zu halten, bislang ausgeblieben ist“, sagt Scheuffelen. Und er warnt vor übereilten Entscheidungen: „Manche sehen erst jetzt, wie viele Herzen für das Gemeindehaus und die Franziskanerkirche schlagen. Das sollte der Kirche Mut machen, etwas Positives für sich und die ganze Stadt zu entwickeln. Es gibt keinen Grund, sich einem Zeitdruck aussetzen zu lassen. Die Entscheidung über die Zukunft dieser Gebäude ist von so entscheidender Bedeutung für die evangelische Kirche in Esslingen, aber auch für viele Kulturtreibende in Esslingen. Das darf man nicht übers Knie brechen - zumal ich niemanden in der Kultur kenne, der einen Umzug der Bücherei ins Gemeindehaus begrüßen würde.“

Deshalb hat der Philharmonische Chor zugestimmt, dass die Menschenkette im Anschluss an sein Sommerkonzert am Sonntag im Gemeindehaus stattfindet. „Demnächst ist wieder Schwörtag, und die Stadt hat angekündigt, dass sie bei ungünstiger Witterung ins Gemeindehaus umzieht. Eigentlich müsste sogar der OB an der Menschenkette teilnehmen“, meint Ulrike Gräter augenzwinkernd.

Die Menschenkette zum Erhalt des Gemeindehauses am Blarerplatz soll sich am Sonntag, 25. Juni, gegen 21 Uhr am Blarerplatz formieren. Cornelius Hauptmann, der Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes, wird ein Plädoyer zum Erhalt des Gemeindehauses als Veranstaltungsort vortragen.