Bettina Langenheim möchte junge Leute mit den Klasse Lesungen für Literatur begeistern. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Esslingen - Manche fürchten, Bücher könnten im Zeitalter elektronischer Medien mehr und mehr aus der Mode kommen – vor allem beim jüngeren Publikum. Die Klasse Lesungen der Esslinger Stadtbücherei beweisen das Gegenteil. Bettina Langenheim, die Leiterin der Kinder- und Jugendbücherei, die das Festival organisiert, gibt Einblick in ihr Konzept der Kinder- und Jugendbuchwochen.

Veranstaltungen für das junge Publikum haben ihren festen Platz in der Esslinger Stadtbücherei. Welche Rolle spielen die Klasse Lesungen in Ihrem Konzept?
Sie bieten uns die Möglichkeit, auch mal ein bisschen anders mit Literatur und Büchern umzugehen. Natürlich dürfen die klassischen Lesungen im Programm nicht fehlen, doch unser Spektrum reicht weiter: Bilderbücher können wir Kindern im Vorschulalter mit einem Figurentheater näherbringen. Es gibt zwei Schreib-Workshops, die sich auch für Kinder eignen, die mit der deutschen Sprache noch nicht so vertraut sind. Und wir können auch mal etwas ganz Außergewöhnliches machen – so wie unseren „Tafiti für alle Sinne“. Da können Kinder im Central Theater nicht nur die Autorin Julia Boehme und die Illustratorin Julia Ginsbach kennenlernen, sondern auch den Musikproduzenten Dieter Faber und die Musicalsängerin Naima. So zeigt sich das Kinderbuch-Erdmännchen Tafiti von einer neuen Seite.

Nehmen Kinder Literatur anders wahr, wenn sie die Menschen kennengelernt haben, die hinter den Büchern stehen?
Das macht vor allem bei den etwas Älteren sehr wohl etwas aus. Bis zum Schulalter lassen sich Kinder vor allem von den Geschichten selbst faszinieren. Wenn sie erst mal die Schule besuchen, wird die Neugier auf die Hintergründe immer größer. Dann wollen sie erfahren, wie man Autor wird, was man verdient und wie man zu seinen Ideen kommt. Sie fragen, was alles nötig ist, damit aus einer Idee ein gedrucktes Buch wird, und sie sagen durchaus auch mal ihre Meinung. Das ist nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Autoren und für uns sehr spannend, weil uns die Fragen oft ganz neue Perspektiven eröffnen. Und wir beobachten immer wieder: Wenn Kinder einen Autor kennengelernt haben, sind sie viel neugieriger auf seine Bücher.

Manche meinen, dass Bücher im Zeitalter der elektronischen Medien Auslaufmodelle seien. Sie sind nah dran am jungen Publikum: Teilen Sie diesen Eindruck?
Meine Erfahrung spricht vor allem bei Kindern, aber auch bei Jugendlichen klar dagegen. Wir merken das zum Beispiel, wenn junge Leser nach einem Buch fragen und die gedruckte Version ist gerade verliehen. Wenn wir als Alternative das Hörbuch empfehlen, kommt das für die meisten nicht in Frage. Mag sein, dass bei Sachbuchthemen gerne mal eine App genutzt wird – Geschichten werden immer noch am liebsten selbst gelesen, weil man sie beim Selberlesen ganz anders erlebt. Wer gerne liest, ist unter Gleichaltrigen nicht etwa die Lachnummer. Vielmehr ist es eher so, dass mancher in seiner Klasse in Erklärungsnöte kommt, wenn er die angesagten Bücher nicht gelesen hat.

Was muss ein gutes Buch haben, damit es jungen Lesern gefällt?
Wenn ich das wüsste, wäre ich Bestsellerautorin geworden. Generell kann man sagen, dass ein gutes Buch etwas haben muss, das junge Leser in die Geschichte hineinzieht und sie dann auch darin festhält. Das kann Humor ebenso sein wie Spannung. Ideal ist natürlich, wenn beides zusammenkommt – so wie in den Büchern von Andreas Steinhöfel, der beides in seinen Geschichten von Rico und Oskar perfekt verbindet. Die Älteren lesen gerne auch mal etwas kritischere Themen. Allerdings erwarten sie dann auch, dass sich die Figuren schlüssig entwickeln und dass die Geschichte zu einem nachvollziehbaren Ende führt.

Welche Rolle spielt eine Stadtbücherei bei der Literaturvermittlung?
Eine ganz entscheidende. Wir wollen Kindern und Jugendlichen Lust auf Literatur machen und können ihnen – nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten – Wege zur Literatur ebnen. Das gilt ganz besonders bei Kindern aus etwas bildungsferneren Familien. Eine Bibliothek eröffnet nicht nur einen niederschwelligen Zugang zu Büchern – sie kann durch gezielte Angebote auch vermitteln, wie viel Spaß Bücher machen. Es ist kein Zufall, dass viele Büchereien zunehmend Wert auf bibliothekspädagogische Angebote legen. Die Bibliothek ist ein Lernort, der immer wichtiger und beliebter wird, und sie ist ein unverzichtbarer Treffpunkt auch für junge Menschen. Bibliotheken werden in der Zukunft eher noch an Bedeutung gewinnen – das spüren wir in Esslingen sehr deutlich.

Das Gespräch führte Alexander Maier.

Das Programm der Klasse Lesungen im Überblick

Ungeheuerlich: Jochen Till eröffnet die Klasse Lesungen am Dienstag, 27. Februar, ab 14.30 Uhr im Kutschersaal der Stadtbücherei mit seinem Buch „Einfach Ungeheuerlich“ (ab sieben Jahren).

Elefantastisch: Das Theater en miniature zeigt am Dienstag, 6. März, um 10.30 und um 14.30 Uhr sein Stück „Winzig, der kleine Elefant“ nach einem Bilderbuch von Erwin Moser (ab vier Jahren).

Klangvoll: Julia Boehme, Julia Ginsbach, Dieter Faber und Naima sind am Freitag, 9. März, um 10.30 und um 14.30 Uhr mit ihren Liedern und Geschichten vom Erdmännchen Tafiti im Central Theater zu Gast (ab fünf Jahren).

Aufregend: „King kommt noch“ heißt Andrea Karimés Buch für Kinder ab sechs Jahren, das die Autorin am Mittwoch, 14. März, ab 14.30 Uhr im Kutschersaal für Leser ab sechs Jahren vorstellt.

Lesebegeistert: Sechstklässler treten am Samstag, 17. März, ab 14 Uhr beim Bezirksentscheid zum bundesweiten Vorlesewettbewerb im Kutschersaal an.

Alterslos: „Oh, wie schön ist Panama“ heißen die Geschichten von Janosch, die junge und ältere Leser begeistern. Das Tigerenten-Erzähltheater präsentiert diesen Klassiker am Dienstag, 20. März, um 10.30 und um 14.30 Uhr im Kutschersaal für Zuschauer von drei bis sieben.