Herausgeberin Christine Bechtle-Kobarg während ihrer Festansprache zum 150-jährigen Bestehen der Eßlinger Zeitung im Neckar Forum. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Eßlinger Zeitung wird 150 Jahre alt. Im Neckarforum hat sie gemeinsam mit 400 Gästen diesen besonderen Tag gefeiert.

EsslingenVon vielen Seiten oft und immer entschiedener aufgefordert und lebhaft durchdrungen von dem Gefühle des notwendigen Bedürfnisses einer Zeitung für unsere Stadt und Umgebung haben wir uns entschlossen, eine solche unter dem Namen ‚Esslinger Zeitung’ herauszugeben“: Mit diesen Worten führte sich die Eßlinger Zeitung am 25. April des Jahres 1868 auf der Titelseite der ersten Ausgabe bei ihren Lesern ein. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Ferdinand Schreiber, der Gründer, und sein Redakteur, ein gewisser Otto Bechtle, hatten den Nerv des Publikums getroffen. Rasch entwickelte sich die EZ zur zentralen Publikation Esslingens und der Umgebung, und sie ist es bis heute geblieben.

Eine Zeitung mit einer so langen Geschichte, das ist auch in der vielfältigen deutschen Presselandschaft nicht alltäglich. Darauf wies Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, gestern Abend beim großen Festakt im Neckar Forum hin. Er hielt ein flammendes Plädoyer für eine starke und freie Presse – und schilderte en passant, wie er als Student einmal versucht habe, der EZ Konkurrenz zu machen. Er habe sich in Esslingen die Beine in den Bauch gestanden, aber das Presseerzeugnis, das er anbot, die Kommunistische Volkszeitung, habe partout keiner haben wollen. Und er schloss daraus: „Die Esslinger legen eben Wert auf Qualität.“

Der Ministerpräsident gehörte zu den etwa 400 Gästen, die den Geburtstag der EZ gebührend feierten, darunter auch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von dem renommierten Münchner Vokalsolisten-Ensemble Singphoniker.

Herausgeberin Christine Bechtle-Kobarg, die Urenkelin jenes Otto Bechtle, der die Zeitung 1868 nur wenige Monate nach ihrer Gründung übernahm, begab sich in ihrem Grußwort auf eine Zeitreise. Für die Zeitung sei es ein „steiniger Weg mit vielen Hindernissen“ gewesen. Das Blatt hatte zwei Weltkriege zu überstehen, die Enteignung der Verlegerfamilie durch das NS-Regime, einen Großbrand im Jahr 1920, und nicht zu vergessen die Tumulte während der Studentenunruhen an Ostern 1968. „Glück auf für eine erfolgreiche Zukunft und für die nächsten 50 Jahre“, mit diesem Wunsch schloss Bechtle-Kobarg ihre Rede.

Richard Rebmann von der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), zu deren Zeitungsverbund die EZ seit Anfang 2017 gehört, zeigte sich bei seiner Ansprache stolz, „unsere Mediengruppe mit dieser starken Zeitungsmarke erweitert zu haben“. Und er versprach, alles dafür zu tun, „die Erfolgsgeschichte der EZ als unabhängige und kritische Stimme dieser Stadt fortzuschreiben“. Der Vorsitzende Geschäftsführer der SWMH zeigte sich zuversichtlich, dass die Medienbranche den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen ist. „Das Internet hat die alte Zeitungswelt, ebenso wie andere Branchen, sehr verändert. Aber ich sehe vor allem die Chancen für unser Geschäft.“

Ein wichtiges Standbein für den Bechtle-Verlag ist die Zusammenarbeit mit Axel Springer SE. Seit über 50 Jahren werden die Südwestausgaben der Bild-Zeitung und der Bild am Sonntag bei Bechtle gedruckt. Als Zeichen der engen und auch freundschaftlichen Verbundenheit waren Mehrheitseigentümerin Friede Springer sowie ihr Vorstandschef Mathias Döpfner zum Festakt nach Esslingen gekommen. Döpfner, der auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger ist, sprach als Festredner über die Zeitung der Zukunft und die Zukunft der Zeitung. Er sehe angesichts des digitalen Wandels nicht schwarz für die Medienbranche. Im Gegenteil, die Verlage hätten eine großartige Zukunft. „Allerdings müssen wir als Verleger dafür einiges richtig machen. Wir müssen den Lesern Angebote machen, die glaubwürdig, authentisch, überzeugend und relevant sind. Und wir müssen selbstkritisch sein und manches besser machen. Es gibt zu viel Mainstream in den Medien, zu viel Herdentrieb, zu viel political correctness und zu wenig Lust, sich auf abweichende Haltungen und Unangepasstheit einzulassen. Wir haben alle Möglichkeiten, wir müssen sie nur nutzen.“

Andreas Heinkel, der Geschäftsführer des Bechtle-Verlags, verwies auf den Dualismus von digitalem Aufbruch und journalistischer Tradition: „Genau diese Herausforderungen der Digitalisierung und der Wahrung des Qualitätsjournalismus sind es, die uns in unserem Medienhaus so begeistern, herausfordern und jeden Tag aufs Neue inspirieren.“ Zu den Gratulanten gehörten auch der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger sowie Landrat Heinz Eininger. Zieger sagte, die EZ sei eine kritische und engagierte Begleiterin des öffentlichen Lebens in Esslingen und habe dadurch viel für die Entwicklung der Stadt getan. Eininger zeigte sich dankbar, dass die Verantwortlichen der Eßlinger Zeitung trotz der veränderten Eigentümerstrukturen die kommunale Berichterstattung nicht einschränken, sondern im Gegenteil ausdehnen wollten. Das sei ein Bekenntnis zur Geschichte des Unternehmens und zur Verantwortung.