Im Speisesaal geht es freitags rund, wenn Gardemädchen der Karnevalsfreunde und Behinderte gemeinsam trainieren. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Sabine Försterling

Die kleine Gruppe aus dem Wohnheim für Behinderte wartet gespannt auf das Eintreffen der Tanzpartnerinnen. Es ist Freitag am Spätnachmittag, und das 14-tägige Training steht auf dem Programm. Rassin Loos sowie fünf weitere Gardemädchen der Karnevalsfreunde Esslingen werden überschwänglich mit Umarmungen begrüßt. Bevor es los geht, räumt man gemeinsam die Tische und Stühle im Speisesaale zur Seite.

Für die jungen Frauen ist es einfacher, sich auf den Weg nach Oberboihingen zur Behinderten Förderung Linsenhofen zu machen, als umgekehrt. Die Übungsräume in Esslingen sind das ganze Jahr über von den Tanzgruppen des Vereins belegt, angefangen bei den Kleinsten, den „Sternchen“. Die Idee für das Inklusions-Projekt ist vor mehr als drei Jahren entstanden. Rassin Loos hat während ihres freiwilligen sozialen Jahres bemerkt, dass die geistig Behinderten viel Spaß am Tanzen haben und ihre damalige Trainerin der Stadtgarde, Beate Nasser, sofort überzeugt. Unterstützung erhielt die 24-Jährige auch vom Vorstand, darunter Mutter Yvonne Loos.

„Ich habe eher zwei linke Beine, springe aber immer wieder als Notnagel ein“, bemerkt die ehemalige Kassiererin mit einem Augenzwinkern. Die Behinderten hätten so viel Freude, und diese komme auch zurück. „Neckar-Hupf-Dohlen“ nennen sich die vier Männer und drei Frauen mit Handicap im Alter von 22 bis 62 Jahren nebst ihren karnevalistischen Tanzpartnerinnen. Das sei einfach eine tolle Sache, erzählt Melanie Schönpflug. Derweil verteilt Vereinskollegin Julia Müller die blauen und orangefarbenen T-Shirts mit der Aufschrift „Tanzen verbindet“. Das Training sei augenscheinlich ein Höhepunkt im Alltag des Wohnheims. Gegen die Aufregung, besonders wenn ein Auftritt anstehe, helfe viel Lob, weiß das ehemalige Gardemädchen. Diese nehmen die Behinderten oftmals buchstäblich an die Hand, es wird an diesem Abend viel gelacht oder unter anderem mit den Armen „Wolle in der Luft gewickelt“.

„Mambo No. 5“ schallt aus dem Kassettenrekorder: „Schön federn, und drückt mit den Händen den Ball herunter“, fordert die Trainerin die Gruppe auf. Spaß haben stehe im Vordergrund, alles andere sei nicht wichtig, bemerkt Beate Nasser. Die Behinderten hätten eben auf ihre Art und Weise ein Rhythmusgefühl. Übung macht den Meister. „La Macarena“ steht auf dem Programm: „Arm, Arm, drehen, drehen, Schulter, Schulter, Kopf, Kopf, Bauch, Bauch und noch einmal“, lauten die Anweisungen. Anschließend wird der bereits einstudierte Auftritt von der vergangenen Prunksitzung der Karnevalsfreunde wieder aufgefrischt.

Die inklusive Tanzgruppe sorgt auch außerhalb der Fasnet für Begeisterung, zum Beispiel beim Stadtfest in Wendlingen. Sie hat den bronzenen Stern des Württembergischen Sportbundes erhalten. Da stecken viel Herzblut und ehrenamtliches Engagement drin. Rassin Loos hat jeden Mittwoch Basistraining mit der Stadtgarde, donnerstags wird der Schautanz geübt sowie die Jugendgarde betreut, und jeden zweiten Freitag im Monat geht es nach Oberboihingen. „Der Erwerb von sozialer Kompetenz ist für uns genauso wichtig wie das vielfältige Angebot an tänzerischer Ausdrucksmöglichkeit“, sagt Yvonne Loos und hofft, dass der Verein mehr Nachwuchs bekommt.