Siegmar Mosdorf hat nach dem Abschied aus der großen Politik sein zweites Glück gefunden. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Es gab eine Zeit, da sahen viele in ihm ein Versprechen auf eine bessere Zukunft der SPD - im Land und auch im Bund. Er war Esslinger Bundestagabgeordneter, wurde Parlamentarischer Staatssekretär in Gerhard Schröders Kabinett und holte 1998 mit 46 Prozent der Erststimmen das Direktmandat im Wahlkreis Esslingen. Und allen war klar, dass Siegmar Mosdorfs politische Karriere ihren Höhepunkt damit noch lange nicht erreicht hatte. Umso überraschender kam 2002 sein Rückzug aus der großen Politik. Mosdorf ging nach München, gründete dort mit zwei Partnern eine Unternehmensberatung, die heute weltweit agiert, und zog fortan im Hintergrund die Fäden. 15 Jahre sind seither vergangen, und er ist überzeugt: „Ich habe alles richtig gemacht.“ Mit seiner zweiten Ehefrau, der Fernsehjournalistin Isolde Krupok, und zwei gemeinsamen Söhnen lebt der 65-Jährige in Potsdam vor den Toren von Berlin, sein Büro hat er im Herzen der Hauptstadt. Doch der Esslinger Region und der Gemeinde Hochdorf, wo er viele Jahre lang gelebt hat, fühlt er sich noch eng verbunden - nicht zuletzt durch die Hochdorfer Bürgerstiftung, die er einst mit seiner ersten Frau Susanne Weber-Mosdorf gegründet hat und mit der die beiden bis heute Kulturprojekte an der örtlichen Grundschule fördern.

Ein Korb für Kanzler Schröder

Politik ist ein schweres Geschäft, auch wenn man wie Siegmar Mosdorf gern mit leichter Hand agiert. Immer wieder kommt man an eine Gabelung, an der man sich für den einen oder den anderen Weg entscheiden muss - und oft genug prägt diese Entscheidung die ganze weitere Karriere. Man könnte sich fragen, wo die Landes-SPD heute stehen würde, wenn die Partei im Jahr 2000 den studierten Verwaltungswissenschaftler in einer Urwahl als Spitzenkandidat zur Landtagswahl nominiert hätte und nicht seine Kontrahentin Ute Vogt, die später vom Wähler gewogen und als zu leicht empfunden wurde. Und man könnte auch darüber sinnieren, wie es gekommen wäre, wenn Mosdorf 2002 dem Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder gefolgt und in der Bundespolitik geblieben wäre.

Mit solchen Gedanken mag sich Siegmar Mosdorf schon lange nicht mehr aufhalten: „Wenn man in der Politik erfolgreich sein möchte, muss man sein Geschäft verstehen, man braucht Beharrlichkeit und auch ein bisschen Glück. Ich habe viel Glück gehabt und bin dankbar für das, was ich erreicht habe.“ Deshalb hat er sich 2002 bewusst dafür entschieden, der Politik den Rücken zu kehren und mit 49 Jahren etwas Neues anzufangen. „Es gibt in vielen Berufen das, was man eine ‚Déformation professionelle’ nennt. In der Politik ist die Gefahr, sich zu verbiegen, groß. Man begegnet ständig denselben Leuten und ist unter sich. Manchen geht so die nötige Bodenhaftung verloren, und sie merken es nicht einmal. Deshalb habe ich mich bewusst entschlossen, einen Schnitt zu machen. Je länger man dabei ist, desto schwieriger wird das. Irgendwann muss man unbedingt wiedergewählt werden, weil die Alternativen fehlen. Ich wollte von der Politik nie abhängig werden. Das nimmt einem die Souveränität, die man braucht, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Für mich war es der richtige Zeitpunkt, neue Wege zu gehen.“

Siegmar Mosdorf hat sich zum Sprung ins kalte Wasser entschlossen. Gemeinsam mit zwei Partnern, die in der Wirtschaft ähnlich gut vernetzt sind, hat er 2002 die internationale Unternehmensberatung CNC - Communications & Network Consulting gegründet: Christoph Walther, damals weltweiter Kommunikationschef von Daimler, und Roland Klein, Kommunikationschef von Ericsson. „Wir hatten keine Garantie, dass das funktionieren wird, aber wir waren überzeugt, dass es bei uns dreien passt und dass wir etwas bieten können“, erinnert sich Mosdorf.

Mit einem achtköpfigen Team ging CNC damals in München und London an den Start - heute zählt das Unternehmen 210 Mitarbeiter mit Standorten in Abu Dhabi, Berlin, Brüssel, Dubai, Frankfurt, London, Mumbai, München, Neu Delhi, Paris, Seoul, Stockholm und Tokio. „Als international tätige strategische Unternehmensberatung mit langjähriger Erfahrung unterstützen wir unsere Kunden bei der Lösung ihrer Probleme durch Kommunikation“, heißt es auf der Webseite von CNC. „Unsere Erfahrung hilft, bei unternehmerischen Entscheidungen und kritischen Situationen wesentliche Aspekte der Reputation mit einzubeziehen.“ Zu den Aufgaben, die Mosdorf und seine Kollegen bevorzugt übernehmen, gehört die kommunikative Begleitung von Börsengängen namhafter Firmen wie des Mode-Versandhändlers Zalando oder des Automobilzulieferers Schaeffler. Und wenn etwa die Deutsche Bahn und ihr französisches Pendant SNCF Klärungsbedarf haben, der auf direktem Weg nicht zu regeln ist, schalten sich Mosdorf & Co. ebenfalls ein, um für reibungslose Kommunikation zu sorgen.

„Wirtschaftspolitik war schon während meiner aktiven Zeit in Bonn und Berlin ein Schwerpunkt meiner Arbeit, und die wirtschaftspolitischen Themen beschäftigen mich auch heute“, erklärt Mosdorf, der in seiner Zeit als Parlamentarier auch Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt und Vorsitzender der Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft war. „Natürlich gibt es immer wieder Überschneidungen zwischen meiner damaligen und meiner heutigen Arbeit“, sagt Mosdorf. Das wichtigste Pfund, mit dem er wuchern kann, sind seine langjährigen Kontakte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Man kennt sich, man vertraut sich und man kann vieles auf direktem Wege klären. Die Initiative Lobbycontrol nennt bei Siegmar Mosdorf zahlreiche weitere Aufgaben: Er ist Vize-Vorsitzender der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen, Chef der Carlo-Schmid-Stiftung, Mitglied im Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung, Mitglied im Kuratorium des ifo Instituts, Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung, Mitglied der Reformkommission Soziale Marktwirtschaft und Vorstandsmitglied der Deutsch-Britischen Gesellschaft. Und er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsholding des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die unter anderem die Frankfurter Buchmesse trägt.

Vom Klein-Klein zum großen Wurf

Wer so lange in der großen Politik zuhause war, verfolgt das politische Geschehen weiterhin mit großem Interesse - besonders mit Blick auf die SPD. „Für die Sozialdemokratie ist es schwieriger geworden als zu meiner Zeit als Abgeordneter“, weiß Mosdorf, der sich den Traditionen eines Carlo Schmid und eines Helmut Schmidt verpflichtet fühlt. „Die Gesellschaft und mit ihr das politische Spektrum sind viel differenzierter und die Bindungen vieler Menschen an eine bestimmte Partei sind geringer geworden. Das ist kein deutsches Phänomen, sondern quer durch Europa zu beobachten.“ Dennoch ist er optimistisch für die Zukunft seiner SPD: „Vielleicht sollten wir einfach beherzigen, was im Grundgesetz steht: Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“

Mosdorf rät den Sozialdemokraten, verstärkt den gesellschaftlichen Diskurs zu initiieren und zu forcieren. Und er greift durchaus auch mal zum Telefonhörer und tauscht sich mit Martin Schulz oder Sigmar Gabriel aus, wenn er das Gefühl hat, dass sein Rat helfen könnte. „Wenn die Menschen den Eindruck haben, dass sie nicht mehr gehört werden und dass ihre Meinung nichts zählt, darf man sich nicht wundern, wenn sie sich von der Politik nicht mehr repräsentiert fühlen. Und zwar auf allen Ebenen“, formuliert der Ex-Abgeordnete eine klare Zeitdiagnose. „Es braucht Kreativität, Kraft, Mut und die richtigen Personen, um einen Dialog zu führen, der sich nicht im Klein-Klein der Tagespolitik verliert, sondern beherzt die großen Themen angeht. Das war immer die Stärke der Sozialdemokratie, und dazu müssen wir zurückfinden.“