Mohamad Salem Ibrahim lernt Industrieelektriker. Quelle: Unbekannt

Von den Flüchtlingen, die vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, sprechen zunehmend mehr so gut Deutsch, dass sie eine Ausbildung machen können. Gesa von Leesen hat einige von diesen jungen Männern getroffen.

Mohamad Salem Ibrahim, 20, aus Afghanistan ist im Februar 2016 in Deutschland angekommen -„weil in Afghanistan Krieg ist. Ich konnte nicht in die Schule gehen, es gab viele Probleme mit den Taliban. Die wollten, dass ich ihnen helfe. Aber das wollte ich nicht.“ In Deutschland kam er von München über Sigmaringen nach Esslingen-Zell, jetzt lebt er im Containercamp in der Esslinger Weststadt. In Afghanistan sei er zehn Jahre zur Schule gegangen, in Deutschland hat er sofort angefangen, Deutsch zu lernen. Das durchzuhalten sei schwer, wenn man nicht wisse, ob man bleiben darf.

Ibrahims Asylantrag wurde abgelehnt, sein Anwalt klagt dagegen, das Verfahren ist also noch nicht abgeschlossen - und so hat Ibrahim eine Aufenthaltsgestattung. Mit diesem Status kann er eine Ausbildung machen, und das tut er: Seit 1. September lernt Ibrahim bei der Ludwigsburger Firma Omexom Industrieelektriker. War es schwer, die Ausbildung zu bekommen? „Nein, das ging schnell. Ich habe nur zwei oder drei Wochen gesucht. Die AWO hat sehr geholfen.“ Omexom ist ein international tätiges Unternehmen, das auf Großbaustellen Energieleitungen und alles, was dazu gehört, baut. In der Niederlassung Ludwigsburg ist man froh über Ibrahim und zwei weitere junge Afghanen, die nun die Lehre begonnen haben. Ralf Langer, Projekt- und Ausbildungsleiter: „Es wird immer schwieriger, Azubis zu bekommen. Leitungsbau findet draußen statt - das wollen viele nicht machen. Außerdem sind die schulischen Anforderungen recht hoch, da kann man nicht jeden nehmen. Also haben wir gesagt, nun probieren wir es mal mit Flüchtlingen.“ Der Kontakt kam über Mitarbeiter zustande, man habe viele Gespräche - auch mit Behörden geführt - und dann klappte alles. Nach so wenigen Wochen könne er noch nicht viel sagen, so Langer. „Aber alle drei machen einen sehr motivierten Eindruck.“ Ibrahim ist fest entschlossen, die Ausbildung zu schaffen: „Ich mag Elektrik. Das ist ein guter Beruf.“

Bismella Tajik, 24, aus Afghanistan, aufgewachsen im Iran: Bismella hat am 1. September seine Ausbildung zum Augenoptiker begonnen und zwar bei „Sichtbar“ in Stuttgart. Seit Oktober 2015 ist er in Deutschland, lebt jetzt in einer Gemeinschaftsunterkunft in Ostfildern. Auch sein Asylantrag ist erstmalig abgelehnt, das Verfahren läuft weiter und so hat Ibrahim den Status „Gestattung“. In Afghanistan wollte er nicht leben, im Iran auch nicht. „Dort haben afghanische Leute nicht dieselben Rechte wie Iraner. Für Schule muss man bezahlen, man darf kein Geschäft aufmachen, Afghanen bekommen nur die schlechten Jobs, die kein Iraner machen will.“

In Deutsch hat er das Sprachlevel B2 erreicht und erfüllt damit eine der Bedingungen für eine Ausbildung. Für den Beruf Optiker hat er sich gezielt entschieden. „Ich wollte etwas Handwerkliches machen, mit Leuten zu tun haben, und das Auge finde ich sehr interessant.“ Mit Hilfe eines Caritas-Betreuers kam er zu „Sichtbar“. „Wir hatten schon aufgegeben, einen Azubi für dieses Jahr zu finden“, erzählt Angela Schneider, gemeinsam mit ihrem Mann Hans Inhaber von „Sichtbar“. Da habe sich Bismella im Mai beworben, absolvierte ein einwöchiges Praktikum und kam bei allen im zwölfköpfigen Team gut an. „Handwerklich ist er sehr gut“, sagt Ausbilderin Anika Ratschan.

Bedenken gab es wegen der Sprache, denn: „Wir haben viele Fachausdrücke, die auch Muttersprachlern schwer fallen.“ Doch die Berufsschule habe zugesagt, Bismella und weitere Geflüchtete besonders zu unterstützen. Dass Bismella während der Ausbildung nicht abgeschoben wird, ließen sich die Schneiders von der Handwerkskammer erläutern. „Da gibt es einen speziellen Berater und er erklärte uns, dass in Baden-Württemberg diese 3+2 Regelung gilt, was bedeutet: Während der Ausbildung wird in der Regel nicht abgeschoben und wenn jemand danach noch zwei Jahre beschäftigt ist, hat er gute Chancen, hier zu bleiben.“ Bismella ist zuversichtlich. „Am Anfang in Deutschland dachte ich, das schaffe ich nicht. Deutsch ist so schwer, aber der Schlüssel für alles. Dann habe ich andere Ausländer gesehen, die seit zehn Jahren hier sind, arbeiten und ein gutes Leben in Sicherheit haben. Und jetzt merke ich, mein Leben wird immer besser. Unsere Kulturen sind sehr verschieden, aber ich versuche, beides zu mischen.“ Nun verdient er sein eigenes Geld und hat vor allem einen Wunsch: „Ich suche dringend eine Wohnung oder ein Zimmer für mich alleine. Ich lebe mit vier Männern in einem Raum, das ist nicht gut. Ich brauche Ruhe und muss lernen.“ Den Kreis Esslingen darf Bismella nicht verlassen. Schneider bedauert das: „Hier in Stuttgart könnten wir ihm besser bei der Wohnungssuche helfen.“

Nazim Sarvari, 20, aus Afghanistan ist verunsichert. Seit 1. September lernt er in den Zieglerschen Anstalten Altenpfleger. Die Ausbildung sei gut, aber er weiß nicht, ob er in Deutschland bleiben darf. Denn Nazims Asylantrag wurde abgelehnt, endgültig, wie er sagt. Das hieße, er könnte abgeschoben werden. Allerdings steht in seinem Ausweis: „Die Beschäftigung im Rahmen der Ausbildung zum Altenpflegehelfer und Altenpfleger bei der Firma Die Zieglersche bis zum 31.03.2021 ist gestattet.“ Was denn nun?

Vom Regierungspräsidium, das nach abgelehntem rechtskräftigen Asylbescheid für ihn zuständig ist, habe er die Aufforderung bekommen, einen Nationalpass zu besorgen, damit er seine Ausbildung fortführen kann, erzählt Nazim. Einen Pass hat er - wie nahezu alle Afghanen - nicht. Er hat die übliche „Taskira“, den afghanischen Ausweis. Für den Pass ist er zum afghanischen Konsulat nach München gefahren, dort habe man ihm gesagt, er müsse seine Taskira ans Außenministerium in Kabul schicken, das wiederum prüfe, mache einen Stempel drauf, schicke sie zurück und damit könnte Nazim dann zum Konsulat nach München und dort einen Pass bekommen. „Wissen Sie, man kann nicht einfach nach Kabul etwas mit der Post schicken“, erklärt Nazim. Das käme nie an. Er habe einen privaten Versand beauftragt, Kosten: 150 Euro. „Aber ob ich wirklich einen Pass bekomme?“

Seine Ausbildung mache ihm Freude, sagt Nazim. Am liebsten würde er danach noch Krankenpfleger lernen. „Ich habe so viel gemacht, ich hatte kaum Deutschunterricht, das Handy war mein Deutschlehrer. Ich spiele hier in Baltmannsweiler zwei Mal in der Woche im Verein Volleyball, ich habe deutsche Freunde. Ich möchte hier bleiben, hier arbeiten, eine Familie gründen. Und ich möchte noch sagen: Religion spielt für mich keine Rolle.“

Was sagt das Regierungspräsidium zu Nazims Status? Dazu kommen auf Anfrage zwei unterschiedliche Aussagen. Er könne sich den Pass über das Konsulat besorgen oder Verwandte von Nazim könnten in Afghanistan einen Pass beantragen. Das deutet auf das rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren hin. Auf weitere Nachfrage wird allerdings erklärt: „Der Mann ist bei uns in der Gestattung.“ Das hieße aber, Nazims Asylverfahren liefe noch. Rätselhaft.

Unter Ehrenamtlichen allerdings ist ein derartiger Behördenwirrwarr durchaus bekannt. Für Vera Kohlmeyer-Kaiser, Rechtsanwältin und im Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg, ist schon die Organisation in der Spitze, also im Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF), „entsetzlich schlecht“. Auf der Veranstaltung „Ausbildung statt Abschiebung“ in Esslingen befand sie zudem: „Die Ausländerbehörden sind schlecht ausgestattet, zu wenig Leute, zu wenig Wissen.“

Dass das RP Karlsruhe von rechtskräftig abgelehnten Asylbewerbern in Ausbildung einen Pass fordert, damit diese weiterlernen können, kennt Kohlmeyer-Kaiser. Sie ist überzeugt: „Das ist eine politische Entscheidung, die kommt vom BAMF.“