Barbara Frey fordert vom Rathaus, die Meinung der Bürger ernstzunehmen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Nach den jüngsten Problemen beim Abriss des Stegs an der Esslinger Frauenkirche mag die Kritik an der Stadtverwaltung nicht verstummen.

EsslingenDie Esslinger Stadtverwaltung hat sich zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Die Hängepartien bei diversen Großprojekten, der Ärger um Straßen- und Brückensanierungen, das fragwürdige Taktieren bei der Entscheidung über den künftigen Standort der Stadtbücherei und zuletzt die Probleme beim Abriss des Fußgängerstegs an der Frauenkirche haben das Rathaus viele Pluspunkte gekostet. Barbara Frey, die Vorsitzende des Bürgerausschusses Innenstadt, rät der Stadt, den Bürgern künftig wieder mehr Gehör zu schenken. Dafür sieht sie viele gute Gründe, die sie im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert.

Jahrelang wurde über den Steg zur Frauenkirche diskutiert – nun ist er weg. Doch es war deutlich aufwendiger, ihn abzureißen, als man im Rathaus vermutet hatte. Waren Sie darüber ebenso überrascht wie die Esslinger Bauverwaltung?
Überhaupt nicht. Wir haben uns als Bürgerausschuss sehr für den Erhalt des Stegs eingesetzt, weil wir überzeugt waren, dass er noch in deutlich besserem Zustand war, als die Stadt immer erklärt hat. Das war auch die Einschätzung des Architekten Hans-Rolf Sommer, der ihn damals gebaut hat und der das Bauwerk viel genauer kannte als wir alle. Wir haben der Stadtverwaltung schon 2012 zu bedenken gegeben, dass man den Steg für etwa 100 000 Euro wieder begehbar machen könnte. Das hat man einfach weggewischt. Jetzt hat es sich gezeigt, dass der Steg so solide war, dass man ihn noch viele Jahre hätte nutzen können. Alle haben das gewusst.

War der Abriss nach Ihrer Einschätzung eher optisch als technisch begründet?
Man kann sich über die Optik streiten. Worüber man ganz bestimmt nicht streiten kann, ist die Funktionalität. Und da wäre dieser Steg für viele Esslinger sehr wichtig gewesen – vor allem dann, wenn man den Leuten nur eine wenig einladende Unterführung anbieten kann, um auf schnellstem Weg die Ringstraße sicher zu überqueren. Keiner hat bestritten, dass man optisch etwas tun könnte. Viele haben sich Gedanken gemacht, wie man den Steg erhalten und optisch aufwerten könnte. Da waren wirklich interessante Überlegungen dabei – es hätte sich gelohnt, wenigstens darüber zu diskutieren. Aber die Stadt hat alles einfach nur weggewischt. Die Quittung hat man jetzt bekommen.

Nun ist der Steg verschwunden. Ist das Thema damit für Sie nun abgehakt?
Nein. Zunächst bin ich gespannt, welche Rechnung das Abbruchunternehmen der Stadt präsentieren wird, nachdem der Abriss deutlich aufwendiger war als vermutet. Da stellt sich die Frage, ob solche Mehrkosten vermeidbar wären – immerhin müssen wir alle dafür aufkommen. Nach solchen Erfahrungen sollten Gemeinderat und Verwaltung nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern überlegen, was man in Zukunft besser machen kann. Viele Bürger interessieren sich sehr für ihre Stadt und wollen sich konstruktiv an ihrer Entwicklung beteiligen. Tatsächlich drängt sich immer häufiger der Eindruck auf, dass man im Rathaus zwar die Bürgerinnen und Bürger mal fragt, aber nicht wirklich auch hört. Es genügt nicht, die Bedeutung der bürgerschaftlichen Beteiligung an allen Orten und bei allen Gelegenheiten hervorzuheben. „Gut, dass wir darüber geredet haben“ ist zu wenig, wenn die Bürger sich ernstgenommen fühlen sollen.

Woran denken Sie dabei konkret?
Es gab in den letzten Jahren viele Themen, bei denen zahlreiche Bürger sehr klare Vorstellungen geäußert und bewiesen haben, dass sie sich konstruktiv mit der Stadt und ihrer Zukunft auseinandersetzen wollen. Und häufig haben sie es vermisst, dass man sich im Rathaus zumindest ernsthaft damit auseinandersetzt. Wenn sich dann zeigt, wie jetzt beim Steg an der Frauenkirche, dass diejenigen, die eine andere Meinung vertreten haben, gar nicht so falsch lagen, geht man einfach darüber hinweg, wie wenn nichts gewesen wäre.

Wo hätten Sie sich mehr Gehör für die Meinung der Bürger gewünscht?
Ich denke zum Beispiel an die Nutzung des alten Busbahnhofs. Da hatten wir als Bürgerausschuss klare Vorstellungen formuliert. Die Chance für eine verbesserte Aufenthaltsqualität mit Auswirkung auf den Bahnhofsplatz wird mit der Art der Bebauung, für die man sich gegen unseren Rat entschieden hat, verpasst. Sowohl der alte ZOB als auch Citizen-Boley zeigen einmal mehr die Schwächen einer kommunalen Stadtplanung, wo vorhabenbezogene Bebauungspläne von Investoren, begleitet durch wenig wirkkräftige städtebauliche Verträge, Normalität sind. Wenn wir uns die Diskussion über die künftige Stadtbücherei anschauen, passiert dasselbe: Da wird ein Standort als höchst problematisch dargestellt, beim Konkurrenten werden die Nachteile ebenso konsequent verniedlicht. Die Bedenken, die in den verschiedenen Veranstaltungen von den Bürgern geäußert wurden, werden aus meiner Wahrnehmung nicht ernst genug genommen. Man wähnt sich im Besitz der besseren Wahrheit – wie beim Steg zur Frauenkirche. Das stärkt das Vertrauen nicht gerade. Ich wünsche mir eine nach beiden Richtungen problemlösende Betrachtungsweise, eine ehrliche Gegenüberstellung der Stärken und Schwächen. Vieles, was in den vergangenen Monaten nicht richtig funktioniert hat, zeigt: Die Stadt muss wieder viel mehr auf ihre Bürger hören.

Das Interview führte Alexander Maier.