Vom Kursaal geht es über die König-Karl-, Liebenzeller, Wilhelm-, Brunnen-, Marktstraße, Wilhelmsplatz, die Seelberg- und Daimlerstraße zum Wasen. Quelle: Unbekannt

Bad Cannstatt (red) - Der schönste Festzug des Landes, ein prachtvoller, bunter Lindwurm steht in den Startlöchern. Am Sonntag, 24. September, Punkt 11 Uhr beginnt sich der Festzug mit historischen Gruppen, bäuerlichen Darstellungen, historischen Trachten und Uniformen sowie vielen Musikern aus ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus vom Kursaal aus durch die historischen Gassen der Cannstatter Altstadt auf den Wasen zu schlängeln.

Liebevoll gestaltete Festwägen und mehr als 100 Pferde, Ochsen, Kühe, Geißen, schwäbisch-hällische Landschweine und anderes Getier geben diesem Festzug auch in diesem Jahr eine außergewöhnliche Note. Auf den Tag genau jährt sich das Zwei-Kaisertreffen von 1857 am ersten Volksfestsonntag zum 160. Mal. Es dauerte fünf Tage und gilt als der absolute Höhepunkt der gesamten Volksfestgeschichte. König Wilhelm I. von Württemberg lud nach dem Krimkrieg, der im Jahr davor zu Ende gegangen war, die gegnerischen Monarchen Kaiser Napoleon III. und Zar Alexander zu einer Friedenskonferenz ein. So wurde der Cannstatter Wasen zum internationalen politischen Parkett.

„Dass diese Herrscher nicht hierher kamen, um unser Volksfest zu verschönern, weiß die ganze Welt“, heißt es in einer zeitgenössischen Schilderung. Sinn und Zweck des Kaisertreffens war eine Vereinbarung, um die stehenden Heere in Europa zu vermindern: „Möge diese Besprechung bewirken, dass sich darin das Heil Europas begründet habe“. Zar Alexander nahm mit großem Gefolge Quartier in der Villa Berg. Kaiser Napoleon III. wohnte im Neuen Schloss. Der Cannstatter Kursaal, das Neuner‘sche Bad oder die Wilhelma waren Orte der Festlichkeiten.

„Absoluter Höhepunkt aber war des Königs Geburtstag am 27. September“, schrieb das Amts- und Intelligenzblatt für das Oberamt Cannstatt, „50 000 bis 60 000 Menschen harrten auf dem Cannstatter Wasen einem bis dahin noch nie erlebten Schauspiel entgegen. Dann: schmetternde Fanfarenstöße. Langsam im Schritt ritten die Majestäten, König Wilhelm I. in der Mitte, durch die unüberschaubare Menge, gefolgt von den Prinzen und den vielen Generälen, Diplomaten und Offizieren in den mannigfachsten Uniformen. Auf diese folgten die Kaiserin von Russland mit der Kronprinzessin, unsere verehrte Königin Pauline, die Königin von Holland und die anderen Prinzessinnen-Töchter, die Großfürstin und die Königin von Griechenland in einer langen Reihe von Hofwagen.“

Die Hoheiten werden wie damals, begleitet von der Stuttgarter Stadtgarde zu Pferd 1652, im Umzug am Sonntag auf Pferden reiten. König Wilhelm I. selbstverständlich wie damals auf einem Araber aus seiner eigenen Zucht, die in diesem Jahr ihren zweihundertsten Geburtstag feiert.

Charlotte von Württemberg, die spätere russische Großfürstin Helena Pawlowna, König Wilhelms Tochter Sophie von Württemberg, die damalige Königin der Niederlande sowie Amalie von Oldenburg, die damalige Prinzessin von Bayern und Königin von Griechenland, waren ebenfalls beim Cannstatter Kaisertreffen zu Gast und fahren beim Volksfestumzug in einer zehnspännigen Kutsche. Diese ist erstmals in Bad Cannstatt dabei und wird von Andreas Maurus aus Obergünzburg gefahren. Eskortiert werden die Hoheiten von verschiedenen Bürgerwehren und -garden aus Württemberg. So zum Beispiel von den Königsdragonern aus Ochsenhausen. Die haben eine besondere Beziehung zu Cannstatt, denn sie waren im 19. Jahrhundert in der Reiterkaserne auf dem Hallschlag stationiert.

Ein weiteres Highlight des diesjährigen Umzuges sind zehn Hochzeitszüge aus verschiedenen Gegenden und Epochen. Aus dem Nordschwarzwald, von den Härten, aus Leidringen, aus Siebenbürgen, aus dem Banat und aus Slowenien und Slavonien sind Brautpaare, Hochzeitsmusiken und Hochzeitsgäste mit dabei. So auch der Veteranenclub Bretzenacker, der eine Hochzeit aus den 1950er Jahren darstellt. Damals ging die Braut schwarz, lediglich der Schleier war weiß. Dabei hat die Gruppe auch ein Brautfuder, einen Wagen auf dem die Aussteuer der Braut ausgestellt war und vom Elternhaus zum Brauthaus gefahren wurde.

„Alle Teilnehmer kommen auf eigene Kosten nach Bad Cannstatt, weil ihnen die Atmosphäre und die Stimmung, die das Publikum verbreitet, gefällt“, berichtet Wulf Wager, der den Umzug seit 20 Jahren für den Volksfestverein inhaltlich zusammenstellt und organisiert. Eine Maß Volksfestbier und ein Göckele sind nach 4,2 Kilometern Umzugsstrecke der einzige Lohn für das Engagement.

Der Cannstatter Volksfestverein unter der Leitung von Robert Kauderer und dem Sauerwasserschultes Bernd-Marcel Löffler ist seit 1997 Ausrichter und Organisator dieses traditionellen Festzuges. Rund 200 000 Zuschauer werden bei schönem Wetter erwartet. „300 Helfer sind an diesem Tag für den reibungslosen Ablauf des Festzuges im Einsatz“, so Robert Kauderer, Vorsitzender des Volksfestvereins, „viele Mitglieder freuen sich das ganze Jahr auf diesen Höhepunkt der Vereinsarbeit.“ Schultes Löffler ergänzt: „Wir sind stolz auf diese Leistung unseres immer noch expandierenden Vereins. Die Zusammenarbeit mit den Behörden und Helfergruppen wie Feuerwehren, Rotes Kreuz, Polizei und anderen läuft reibungslos. Man kann sich aufeinander verlassen.“

Im Hinblick auf das 200-jährige Jubiläum im kommenden Jahr wurden die Teilnahmebedingungen in diesem Jahr weiter verschärft und motorgetriebene Fahrzeuge mit Ausnahmen von Oldtimer-Schleppern aus dem Umzug verbannt. Damit will der Cannstatter Volksfestverein auch der Aufnahme in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturguts Vortrieb leisten. „Wir haben einen hohen Anspruch“, so Wager. So dürfen nur Musikvereine teilnehmen, die in der Oberstufe spielen, Umzugsteilnehmer müssen historische Kleidung tragen.

Der Volksfestverein baut zum Volksfest-Umzug wieder zwischen Altem Rathaus und Stadtkirche eine Tribüne mit 114 Plätzen auf, für die es noch Karten gibt. Diese sind auf der Geschäftsstelle der Cannstatter Zeitung, Wilhelmstraße 20, in der Weinstube Zaiß in der Erbsenbrunnengasse, in Gabis Teeladen in der Küblergasse und bei Schuhmacher Mayer in der Badergasse zu 25 Euro pro Platz erhältlich. Das Südwestfernsehen überträgt am 24. September von 15.45 bis 17.45 Uhr den größten Teil des Festzuges.