Heinrich Brinker setzt auf die Zweitstimme für seine Partei und will mit sozialen Inhalten punkten. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

Wer bei Heinrich Brinker vorbeischaut, kann sich auf eine Tasse Schwarztee freuen. „Ich komme ja aus Norddeutschland und bin mit Tee aufgewachsen“, erzählt der 60-Jährige in seinem Wohnzimmer in Kirchheim. Er trinke nur einen Kaffee am Tag, ansonsten gibt es den dampfenden Blätteraufguss aus original ostfriesischem Porzellan. Brinker stammt von einem kleinen Bauernhof in einem niedersächsischen Dorf. Vor etwa zwölf Jahren ist er berufsbedingt nach Kirchheim gezogen. Hier hat er sich mittlerweile so gut eingelebt, dass er Bundestagskandidat der Linken im Wahlkreis Nürtingen/Filder ist.

Berührungsängste mit den Schwaben hat das Nordlicht nicht: Die seien auch nicht mürrischer als andere. Im Wahlkampf setzt dementsprechend auch Brinker auf das direkte Gespräch mit den Leuten. An diesem Tag will er bei Haustürgesprächen für die Ideen seiner Partei werben. „Wenn man klingelt und nicht weiß, was einen erwartet, das ist ein energiefressender Moment“, erzählt er, als es losgeht. Doch dann kann der Mandatsanwärter seine Überzeugungskunst nicht mehr zeigen: Starker Regen macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Da wollen weder Passanten noch die Menschen an der Haustür reden.

Unter dem Vordach einer Bäckereifiliale passt Brinker doch noch eine Frau ab, die sich eh vor dem Wetter schützen muss. Er stellt sich kurz vor und drückt ihr eine Zusammenfassung des Wahl-Programms der Linken in die Hand. „Nett“, finde sie ihn, sagt die Kirchheimerin, die zu Fuß ans andere Ende der Stadt muss. Sie habe ihn noch nicht gekannt, aber das werde sich im Laufe des Wahlkampfes ergeben. Dann muss die Stippvisite wieder in Brinkers Wohnzimmer verlegt werden.

Der zweifache Vater hat seine neue Heimat Kirchheim schätzen gelernt. Als er nach 20 Jahren in Bremen hergezogen sei, habe er gedacht: „Ob das was wird?“ In Kirchheim sei alles viel kleiner, aber auch näher und übersichtlicher, weshalb man mehr mitkriege als in der Großstadt. Seit drei Jahren zeigt der 60-Jährige als Stadtführer den Besuchern nun die schönen Ecken Kirchheims. Dazu zählt für ihn sicher auch der Tanzsaal, in dem er seine zweite Frau Wilma kennen gelernt hat. Vor einem Jahr hat das Paar geheiratet. Und seit Mitte 2016 ist Brinker nun dank Altersteilzeit nicht mehr im Beruf aktiv. Wobei es sich derzeit für ihn nicht so anfühlt bei seinen verschiedenen ehrenamtlichen Engagements und nun im Wahlkampf. „Ich bin leicht zu begeistern, dann füllt sich das schnell.“

Für sich selbst sieht Brinker keine Chance in den Bundestag einzuziehen. Dementsprechend steht auf seinem Wahlplakat der Aufruf: „Die Zweitstimme zählt.“ Er kämpfe für die Inhalte und eine starke Linke in Baden-Württemberg. „Es ist wichtig, dass mehr als fünf Linke im Bundestag sitzen“, findet Brinker. Doch auch er selbst hat viel zu sagen, etwa zur Jugend: „Ich möchte erreichen, dass die junge Generation eine Perspektive hat und mit Zuversicht ihre Zukunft gestaltet.“ Das gehe nicht mit dem Wechsel von einem prekären Arbeitsverhältnis zum anderen. „Als ich studiert habe, war es selbstverständlich, dass ich danach einen Beruf finde. Dieses Grundgefühl ist ganz wichtig“, sagt Brinker, der nach seinem zweiten Staatsexamen wegen des schlechten Stellenangebots für Lehrer eine Umschulung zum EDV-Organisator machte und im IT-Bereich erfolgreich wurde.

Konkret für die Menschen in seinem Wahlkreis wünscht er sich, dass es Mobilität für alle gibt, indem der öffentliche Nahverkehr noch weiter ausgebaut wird und ein Sozialticket eingeführt wird. Brinker selbst fährt schon länger kein Auto mehr. „Wenn ich die Leute sehe, wie sie mit dem SUV durch die Straßen fahren, dann finde ich das so was von aus der Zeit gefallen.“ Was ihn aber am meisten nerve, sei das Hartz IV-System, sagt der Linke. „Das zwingt Leute, Sachen zu machen, die sie nicht tun wollen.“ Man müsse ihnen eine adäquate Arbeit vermitteln und Langzeitarbeitslosigkeit dürfe nicht zur Armut, sondern zur Weiterbildung führen. Brinkers drittes Anliegen liegt in der besseren Finanzierung des Pflegebereichs. Allein in Krankenhäusern fehlten 100 000 Kräfte.

Die Zukunft liegt in Europa

Doch das größte Drama in der Gesellschaft sei, dass angesichts solcher Probleme dennoch alleine dieses Jahr 1,7 Milliarden Euro in Rüstung investiert würden. Eine Zahl, die Brinker in Relation zu 20 Millionen hungernden Menschen im Südsudan setzt, die man mit 4,5 Milliarden Euro ernähren könnte. Um die Krisen der Welt zu lösen, sei es wichtig Ernährungs- und Rohstoffsouveränität auch der armen Länder sicherzustellen. „Niemand kann mir erzählen, dass man mit Waffenexporten etwas erreicht und mit dem Einsatz der Bundeswehr.“

Auch die unfairen Handelsverträge zwischen Europa und Afrika prangert der 60-Jährige an. Das nütze nur den Konzernen. „Ich bin kein Globalisierungsgegner. Aber Globalisierung für wen?“ Dennoch ist Brinker überzeugt, dass die Zukunft in Europa liegt. Er erzählt von der Hochzeit seines älteren Sohnes, der mit einer Französin in London lebt und Gäste aus aller Welt eingeladen hatte. Der Vater findet’s gut: „Für die jungen Leute ist das so selbstverständlich.“

Von Niedersachsen nach Kirchheim

Biografie: Heinrich Brinker ist 1957 in einem niedersächsischen Dorf geboren, hat zwei Söhne, ist zum zweiten Mal verheiratet und lebt in Kirchheim. Nach dem zweiten Staatsexamen an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg fand er keine Stelle als Lehrer. Daraufhin bildete er sich zum EDV-Organisator weiter. Brinker hat viele Jahre im IT-Service Management der Telekom, auch im internationalen Bereich, gearbeitet. Im September 2016 endete seine aktive Berufszeit.

Ehrenamt: Der 60-Jährige ist Mitbegründer der Kirchheimer Linken, Kreisvorstandssprecher der Partei und darüber hinaus in mehreren Initiativen aktiv. Brinker ist bereits bei der Landtagswahl 2016 angetreten. Aktuell engagiert er sich besonders im Bündnis gegen TTIP und bei Attac. Der zweifache Vater setzt sich für gleiche Chancen auf Bildung, Kultur und soziale Sicherheit ein, für Entspannungspolitik statt Aufrüstung. Außerdem ist er auch als Stadtführer in Kirchheim unterwegs.

Hobbys: Viel Sport wie Laufen, Fahrradfahren und Wandern, aber auch der Besuch kultureller Abendveranstaltungen.

Serie: Dies ist der letzte Teil der Serie „Stippvisite“. In den vergangenen Wochen hat die Redaktion die Kandidatinnen und Kandidaten von CDU, SPD, Grünen, FDP, Linke und AfD während ihres Wahlkampfes begleitet und die Bewerber für die Bundestagswahl am 24. September vorgestellt.