Von Oliver Beckhoff

Berlin - An eine Welt ohne Bundeskanzlerin Angela Merkel können sich viele Erstwähler gar nicht erinnern. Auch Herausforderer Martin Schulz (SPD) und das Spitzenpersonal der übrigen Parteien dürften vielen Deutschen bekannt sein. Dabei stellen sie nur die Speerspitze des Parteiensystems in Deutschland. 42 Parteien treten bei der Bundestagswahl am 24. September an, darunter Kleinparteien mit wenig Chancen auf einen Einzug in den Bundestag, doch umso kurioseren Plänen. Eine Übersicht:

Magdeburger Gartenpartei: Der Name klingt zwar eher provinziell. Doch die Partei steht für gleich zwei gesamtdeutsche Phänomene, die an Gemeindegrenzen nicht halt machen: Kleingärtner und Wutbürger. Entsetzt über Pläne der Stadt, eine Kleingartenanlage einem Bauprojekt zu opfern, wurden die Kleingärtner erst zu Wutbürgern und schließlich zur Partei. Seit 2013 hat der Schutz von Schrebergärten für die Gruppe höchste Priorität und steht im Wahlprogramm an erster Stelle - noch vor Positionen zur Rentenpolitik, Migration oder Energiethemen.

Die Violetten: Die Violetten wünschen sich mehr Spiritualität in der Politik. Zu den zentralen Forderungen der Esoteriker-Partei gehört die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das befreit von Existenzängsten und schafft Zeit und Raum, sich der individuellen spirituellen Entwicklung zu widmen. Daneben wollen die Violetten alternative Energiequellen wie die „Raumenergie“ erschließen, das „Wir-Gefühl stärken“ und aus der Nato austreten. Das Partei-Wappen ist ein lila Schmetterling.

Die V-Partei: Parteien, die Naturschutz oder Tierwohl in den Vordergrund stellen, gibt es viele. Doch die Partei der Vegetarier und Veganer ist die einzige, die vorrangig dafür kämpft, Fleisch aus den Supermarktregalen zu verbannen. Dabei sollen niedrige Steuern für pflanzliche Bio-Lebensmittel helfen.

Die Urbane: Er liebe es, „mit dem Fahrrad durch Berlin zu cruisen“, schreibt Frithjof Zerger, Direktkandidat der Hiphop-Partei in Berlin-Friedrichshain. Das klingt stark nach dem Langzeit-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne), der nach fast zwei Jahrzehnten im Bundestag nicht mehr zur Wahl antritt. Auch dessen berühmter Aufruf „Gebt das Hanf frei“ findet sich so ähnlich im Programm der Urbanen, kurz gesagt: Es könnte schlechtere Vorzeichen für die Aussichten auf ein Direktmandat im Szene-Kiez geben. Weitere Probleme der Menschheit lösen sich dann bei tiefenentspannten Breakdance-Sessions oder Rap-Battles in Rauch auf.

Die Bergpartei: Mit Sprüchen wie „Fehlbar aber wählbar“ oder „Pleite aber auf deiner Seite“ wirbt die Gruppe um die Mitglieder „einer entpolitisierten Spaß/Party/Kunst-Gesellschaft“, um diese mit „Spaß, Party und Kunst“ wieder für aktuelle politische Entscheidungen zu interessieren. Dabei will die „BergPartei“ genau das nach eigener Auskunft nicht sein: eine Spaß-Partei. Allerdings betonen auch Vertreter von Sonneborns Satire-Partei, die sich unter anderem für eine Bierpreisbremse stark macht, bei öffentlichen Auftritten, es mit dem Machtstreben „bierernst“ zu meinen. Die „BergPartei“ fordert neben dem Austritt aus der Nato unter anderem die „Förderung des Formationstanzes.“

Die Partei: Die Satire-Partei unter Führung des Europaabgeordneten und Ex-Chefredakteurs des Titanic-Magazins, Martin Sonneborn, setzt ganz auf die Gruppe der Nichtwähler. „Wenn es dir egal ist, wer im Bundestag sitzt, wäre es dann nicht schön, von jemandem vertreten zu werden, dem es egal ist, dass er im Bundestag sitzt?“, fragt der Berliner Spitzenkandidat Nico Semsrott. Als „Kancler“-Kandidat schickt die Partei den Comedian Serdar Somuncu ins Rennen. Die Gruppe fordert unter anderem „universelle Gesamtgerechtigkeit“, den jährlichen Zwangsabstieg des Hamburger SV aus der Fußball-Bundesliga, eine „Bierpreisbremse“ sowie eine Rückkehr zum Notabitur aus Kriegszeiten.

Sozialistische Gleichheitspartei: Wie „Die Partei“ strebt auch die Sozialistische Gleichheitspartei nach einer Form von „universeller Gesamtgerechtigkeit“. In ihr sammeln sich trotzkistische Gruppen, die sich als marxistische Opposition zum Stalinismus sehen. Was damit nun genau gemeint ist, verstehen nur Absolventen eines Soziologie-Studiums. Gegen - und für - welche linken Strömungen sich die Partei ansonsten positioniert, versteht wiederum niemand so genau.