Hans-Ulrich Rülke Foto: dpa - dpa

Stuttgart - Die „Bodensatz“-Äußerung über AfD-Wähler von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat vergangene Woche im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der AfD vor, sich als Opfer zu inszenieren. Das Landtagsvideo mit seiner Rede wurde inzwischen eine Dreiviertelmillion mal aufgerufen.

Glückwunsch zum Youtube-Hit. Hatten Sie mit dieser Resonanz gerechnet?

Rülke: Danke! Nein, man kann ja nicht davon ausgehen, dass sich eine Million Menschen eine Landtagsrede anschauen. Das Interesse an einer klaren Positionierung gegen die AfD in der Bevölkerung ist offenbar groß, besonders im Internet. Und das Ganze wurde schon auch durch den Beschleuniger „heute-show“ ins Rollen gebracht.

Das war natürlich trickreich von Ihnen, die „heute-show“ zu zitieren. Sie haben drauf spekuliert, dass die darauf anspringen, oder?

Rülke: Natürlich. Wir haben auch selber die „heute-show“ darauf angesprochen. Die haben uns dann allerdings gesagt, der SWR habe sie vorher schon informiert.

Kriegen Sie jetzt viele Zuschriften auch jenseits der FDP-Wählerschaft?

Rülke: Ja, waschkörbeweise. Gerade hat mir ein „Stammwähler von Rot-Grün“ aus Gießen per Mail seinen Glückwunsch ausgesprochen dafür, dass ich die richtigen Worte für die AfD gefunden hätte.

Freut Sie das Lob?

Rülke: Natürlich. Gerade, dass es auch aus dem anderen politischen Lager kommt. Am Sonntag war ich mit meinem Jüngsten in Königsbach unterwegs. Da fuhr ein Motorradfahrer an uns vorbei, drehte um, schüttelte mir die Hand und sagte: Von der FDP hält er nichts, von mir hat er bisher auch nichts gehalten - aber das war klasse.

Da scheint es einen großen Hunger nach klaren Worten zu geben. Bleiben andere Parteien diesen Anspruch ihrer Wähler schuldig?

Rülke: Die Kollegen bei dieser Landtagsdebatte haben da schon auch klare Worte gefunden, aber vielleicht nicht ganz so prägnante.

Es wird viel gelacht während Ihrer Rede, aber Ihr Anliegen ist ja doch ein ernstes. . .

Rülke: Ja. Ich wollte die Widersprüche der AfD offenlegen, die Methoden und die Inhaltsarmut. Da gibt es natürlich unterschiedliche Stilmittel. Das eine ist der Witz und das andere ist die scharfe Analyse, wenn ich etwa der AfD Nazi-Sprache vorhalte im Falle dieser 1000-Jahre-Metapher von Herrn Höcke oder im Falle der Vergleiche aus dem Tierreich von Frau Baum.

Sie wünschen sich ein schärferes Vorgehen gegen die AfD. Wie geht denn der Landtag mit der AfD um?

Rülke: Wenn ein Abgeordneter der AfD in einem Redebeitrag von mir „Volksverräter“ ruft, dann ist das Nazi-Jargon und ich würde mir wünschen, dass er sofort von der Sitzung ausgeschlossen wird. Er hat nur einen Ordnungsruf erhalten.

Sie haben, wie Sie sagen, zum ersten Mal den grünen Ministerpräsidenten verteidigt. Führt die Präsenz der AfD zu einem Schulterschluss der anderen Parteien?

Rülke: Die AfD behauptet das ja immer - die „Kartellparteien“ würden sich gegen sie zusammenschließen. Aber Fakt ist: Es gibt keinen inhaltlichen Schulterschluss. In der Landtagsdebatte am Tag danach zur Dieseldebatte habe ich den Ministerpräsidenten in aller Schärfe angegriffen. Wenn aber die AfD versucht, alle anderen Parteien als Systemparteien, als Demokratieverächter abzutun, dann führt das natürlich schon zu einem Schulterschluss. Oder wenn es wieder antisemitische Töne gibt, wie von Herrn Gedeon, oder völkische Töne, wie von Frau Baum, dann sind die demokratischen Parteien gefordert, zusammenzustehen.

Das Gespräch führte Angelika Wohlfrom.