Von Bettina Grachtrup

Stuttgart -Die grün-schwarze Regierungskoalition ist uneins über den Umgang mit dem Urteil zur Luftreinhaltung in Stuttgart. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte Ende Juli erklärt, dass es keine Alternative zum Fahrverbot für ältere Dieselautos sehe. Die beiden Grünen-Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand sprechen sich nun dafür aus, das Urteil zu akzeptieren und keine Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einzulegen. Hingegen bekräftigte ein Sprecher von CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart, dass die Regierung in Berufung gehen solle, damit das Urteil inhaltlich überprüft wird. Das Verkehrsministerium legte sich noch nicht fest. Nach Angaben eines Sprechers wartet es auf die schriftliche Urteilsbegründung, die bis Ende August vorliegen soll. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): „Wir werden das Urteil in aller Ruhe auswerten.“

In Stuttgart werden die Emissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid seit Jahren gerissen. Die Deutsche Umwelthilfe klagte deshalb. Die grün-schwarze Landesregierung setzte zunächst auf Fahrverbote, versuchte dann aber, diese vor Gericht zu verhindern. Sie hofft auch mit Blick auf den Diesel-Gipfel von Anfang August in Berlin auf eine Nachrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge. Das Verwaltungsgericht erklärte aber bereits, dass die geplanten Nachrüstungen nicht ausreichten.

Die Landesregierung muss entscheiden, ob sie Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einlegen, die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nutzen oder das Urteil einfach akzeptieren will. Bei der Berufung überprüft die nächsthöhere gerichtliche Instanz das Urteil aus Stuttgart inhaltlich. Bei der Sprungrevision nach Leipzig geht es hingegen um mögliche rechtliche Fehler des Urteils. Eine neue inhaltliche Überprüfung findet bei der Revision nicht statt. Würde das Land Berufung in Mannheim einlegen, würde es wohl länger bis zu einer finalen Entscheidung dauern - denn auch danach wäre noch der Gang zum Bundesverwaltungsgericht möglich.

Detzer und Hildenbrand sagten gestern: „Für uns Grüne ist klar, dass sich der Gesundheitsschutz nicht auf die lange Bank schieben lässt.“ Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte sei nicht Kür, sondern Pflicht. „Deshalb kommt ein langwieriges Berufungsverfahren aus unserer Sicht nicht in Frage.“ Die beiden Landesvorsitzenden halten allenfalls eine höchstrichterliche Klärung durch eine Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht für denkbar, um bundesweit Rechtssicherheit im Kampf für bessere Luft zu schaffen. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sieht das genauso: „Wir brauchen verbindliche, wirksame und schnelle Maßnahmen“. Wenn sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Stuttgart nach sorgfältiger Prüfung als überzeugend erweise, werde eine Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim überflüssig. CDU-Fraktionschef Reinhart setzt hingegen darauf, dass bei einer Berufung die Ergebnisse des Diesel-Gipfels in Berlin einfließen. Damit verbindet er offensichtlich die Hoffnung, dass eine Gerichtsentscheidung dann anders aussehen könnte. Weite Teile der Grünen halten die Ergebnisse des Diesel-Gipfels aber nicht für ausreichend, um die Emissionsprobleme in den Städten in den Griff zu bekommen und um Fahrverbote für alte Diesel-Autos zu vermeiden.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch hält die Berufung für den einzig gangbaren Weg, um das Urteil sowohl inhaltlich als auch rechtlich zu überprüfen. Auch FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Die Landesregierung muss gegen das Diesel-Urteil in Berufung gehen. Die Grünen dürfen nicht verhindern, dass geklärt wird, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage für ein Fahrverbot gibt.“